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BAG kippt Verfallklauseln für gevestete virtuelle Optionen: Neue Maßstäbe für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme

21. July 2025

Im März 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine grundlegende Entscheidung zum Verfall von virtuellen Optionsrechten (sogenannten ESOPs – Employee Stock Option Plans) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen. Diese Entscheidung stellt einen Wendepunkt in der arbeitsrechtlichen Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen dar und hat erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung und Durchsetzung von Verfallklauseln.

Zu den Hintergründen

Im entschiedenen Fall war ein Arbeitnehmer im Rahmen eines virtuellen Mitarbeiterbeteiligungsprogramms mit virtuellen Optionsrechten ausgestattet worden. Nach seiner Eigenkündigung beanspruchte er, dass die ihm bereits „gevesteten“ (also durch Zeitablauf und Arbeitsleistung erworbenen) virtuellen Optionen nicht verfallen seien, obwohl die ESOP-Bedingungen einen sofortigen oder gestaffelten Verfall nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsahen. Die Arbeitgeberin verweigerte die Anerkennung der Optionsrechte unter Berufung auf die Verfallklauseln. Die Vorinstanzen gaben der Arbeitgeberin Recht, doch das BAG hob diese Entscheidungen auf und stellte sich auf die Seite des Arbeitnehmers.

Die Entscheidung

Das BAG entschied, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den sofortigen Verfall von bereits „gevesteten“ virtuellen Optionsrechten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – insbesondere bei Eigenkündigung – vorsehen, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen und daher nach § 307 BGB unwirksam sind. Auch gestaffelte Verfallregelungen („Devesting“), bei denen die Verfallfristen kürzer sind als die Zeit, die für das Vesting der Optionen erforderlich war, sind unwirksam. Im konkreten Fall sollten die Optionen innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vollständig verfallen, obwohl die Vesting-Periode vier Jahre betrug. Das Gericht sah darin eine unangemessene Benachteiligung, da die Erwerbschance doppelt so schnell entwertet wurde, wie sie aufgebaut wurde.

Besonders betont das BAG, dass „gevestete“ virtuelle Optionen eine Gegenleistung für die während der Vesting-Periode erbrachte Arbeitsleistung darstellen und damit Teil der Vergütung sind – nicht bloß eine spekulative Erwerbschance. Ein Verfall nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses widerspricht dem Grundgedanken des § 611a BGB (Vergütung für geleistete Arbeit). Zudem erschweren solche Verfallklauseln das grundrechtlich geschützte Kündigungsrecht des Arbeitnehmers unverhältnismäßig, da dieser zur Vermeidung eines Vermögensverlustes gezwungen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zu einem ungewissen Ausübungsereignis (wie etwa einem Börsengang) fortzusetzen. Das BAG hat damit ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach der Verfall von „gevesteten“ Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig war.

Folgen und Praxistipps

Für die Praxis bedeutet das Urteil, dass Verfallklauseln, die den sofortigen oder beschleunigten Verfall „gevesteter“ Optionen vorsehen, unwirksam sind. Arbeitgeber können sich nicht mehr darauf berufen, dass „gevestete“ Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses automatisch verfallen. Auch gestaffelte Verfallregelungen sind kritisch zu prüfen und nur zulässig, wenn sie die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen und insbesondere die Vesting- und Verfallzeiträume in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Entscheidung betrifft nicht nur deutsche, sondern potenziell auch internationale Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, sofern deutsches Recht Anwendung findet.

Für Arbeitgeber empfiehlt es sich, bestehende ESOPs und vergleichbare Programme auf unwirksame Verfallklauseln zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Bei der Gestaltung neuer Programme sollte darauf geachtet werden, dass „gevestete“ Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schneller verfallen, als sie erworben wurden. Eine Verfallfrist, die der Vesting-Periode entspricht, dürfte nach der neuen Rechtsprechung zulässig sein. Wichtig ist zudem eine klare und verständliche Formulierung der Bedingungen, auch bei Verwendung englischer Begriffe, da unklare oder missverständliche Regelungen zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter über die Änderungen informieren, die Anpassungen dokumentieren und gegebenenfalls neue Zustimmungserklärungen einholen. Bei internationalen Programmen ist zu prüfen, ob und inwieweit die neue Rechtsprechung Anwendung findet.

Arbeitnehmer, die an einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm teilgenommen haben und deren Arbeitsverhältnis beendet wurde, sollten prüfen, ob ihnen „gevestete“ Optionen zustehen, auch wenn der Arbeitgeber sich auf eine Verfallklausel beruft. Es empfiehlt sich, Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen und sich im Zweifel anwaltlich beraten zu lassen. Die neue Rechtslage kann zudem als Verhandlungsmasse bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses genutzt werden.

Das Urteil des BAG vom 19. März 2025 bringt somit mehr Rechtssicherheit für Arbeitnehmer und erhöht die Anforderungen an die Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen für Arbeitgeber. Es ist ratsam, bestehende Programme zeitnah zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um rechtliche Risiken und spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Für Rückfragen oder eine individuelle Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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