Zur Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie (WKRL - (EU) 2019/711) haben der Bundestag und der Bundesrat am 25.6.2021 ein „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrages“ erlassen. Das neu erlassene Gesetz tritt am 1. Januar 2022 in Kraft und bringt einige Änderungen im allgemeinen Kaufrecht mit sich. Ziel der Gesetzesänderung ist es insbesondere, einen verbesserten Schutz der Verbraucherrechte zu erzielen. Die Gesetzesnovellierung hat aber auch Auswirkung auf den rein gewerblichen Bereich (B2B).
Praxisinfo: Digitales Kaufrecht: Die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (WKRL - (EU) 2019/711) in nationales Recht
21. September 2021
Neuer Sachmangelbegriff
Durch die Gesetzesnovelle wird ein neuer Sachmangelbegriff eingeführt. In Zukunft soll eine Sache nur dann frei von Sachmängeln sein, wenn sie (1.) den subjektiven Anforderungen, (2.) den objektiven Anforderungen und (3.) den Montageanforderungen genügt. Die genannten Kriterien gelten kumulativ.
Die subjektiven Anforderungen an die Ware bestimmen sich nach der vereinbarten Beschaffenheit sowie der Eignung der Ware für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung. Die objektiven Anforderungen sind erfüllt, wenn die Ware die übliche Beschaffenheit für Waren gleicher Art aufweist und sich für die gewöhnliche Verwendung eignet. Letztlich entspricht die Kaufsache den Montageanforderungen, wenn die Montage sachgemäß durchgeführt worden ist oder, wenn eine unsachgemäße Montage nicht auf einem Fehlverhalten des Verkäufers basiert.
Aus redaktioneller Sicht mag die neue Vorschrift wie eine fundamentale Neuregelung wirken. Inhaltich dürften mit ihr jedoch nur wenige substantielle Änderungen verbunden sein. Denn auch die noch aktuelle Fassung des § 434 BGB stellt zur Bewertung der Mangelfreiheit auf subjektive wie auch objektive Kriterien ab. Auch die Montageverpflichtung ist im Grundsatz bekannt.
Neu hingegen ist jedoch, dass im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs (B2C) die Parteien nur noch unter engen Voraussetzungen durch eine Beschaffenheitsvereinbarung von der objektiven, d.h. üblichen Beschaffenheit abweichen können. Voraussetzung hierfür soll sein, dass der Unternehmer den Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung davon in Kenntnis gesetzt hat, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von der objektiven Beschaffenheit abweicht und die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde (§ 476 BGB n.F.). Eine allgemeine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) soll hierzu im Grundsatz nicht ausreichen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Ware künftig mangelhaft ist, wenn sie objektiv von der üblichen Beschaffenheit von Waren gleicher Art abweicht, obwohl sie subjektiv der vereinbarten Beschaffenheit entspricht.
Aber auch auf den B2B-Geschäftsverkehr wirkt sich die Gesetzesnovelle aus. Denn ausweislich des Wortlaut des § 434 Abs. 3 BGB n.F. gilt die objektive Beschaffenheit, soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde. Unter Berücksichtigung des neuen Wortlauts erscheint es daher fraglich, ob weiterhin – wie bisher – die Vereinbarung einer subjektiven Beschaffenheit die objektive Beschaffenheit ausschließt.
Waren mit digitalen Elementen
Neu sind auch die Sonderbestimmungen für sogenannte „Waren mit digitalen Elementen“ (§ 475b BGB n.F.), die im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs Anwendung finden. Zu diesen zählen Produkte, bei denen digitale Elemente essentiell für die Funktionsfähigkeit des Produkts sind. Klassisches Beispiel ist das Smartphone. Hintergrund der neuen Regelungen ist, dass viele Elektronikprodukte über einen längeren Zeitraum nur dann einwandfrei funktionieren, wenn auch die zum Betrieb des Geräts erforderliche Software aktualisiert wird. Mit den neuen Regelungen sollen deswegen die Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit des jeweiligen Produkts auch nach dessen Übergabe so lange sichergestellt werden, wie der Käufer dies unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten darf.
Aus diesem Grund sieht die Gesetzesnovelle eine erhebliche Ausdehnung der Gewährleistung in Bezug auf solche Waren mit digitalen Elementen vor, die eine dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente vorsehen. Mit dauerhafter Bereitstellung sind zum Beispiel Navigationssysteme, die zum Betrieb aktuelle Verkehrsdaten erfordern, gemeint. In diesem Fall hat der Unternehmer für den gesamten Bereitstellungszeitraum, mindestens aber zwei Jahre, für die Mangelfreiheit einzustehen. Durch diese Haftungserweiterung wird von dem bisherigen Kaufrecht immanenten Grundsatz abgewichen, dass ein Mangel bei Gefahrübergang vorliegen muss.
Der oben benannten Zielsetzung trägt auch die neue „Updatepflicht“ Rechnung. Aus dieser folgt, dass ein digitales Produkt nur als dann mangelfrei anzusehen ist, wenn dem Verbraucher während des Zeitraums, in dem er unter Berücksichtigung der Umstände die Bereitstellung eines Updates erwarten kann, das für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich ist, ein solches Update auch erhält. Der Unternehmer muss folglich für Waren mit digitalen Inhalten vertraglich vorgesehene, notwendige Updates bereitstellen, damit die Ware dauerhaft als mangelfrei gilt. Nach der Vorstellung des europäischen Richtliniengesetzgebers soll die Aktualisierungspflicht zumindest so lange dauern, wie der Unternehmer für die Vertragswidrigkeit haftet; typischer Weise also mindestens zwei Jahre. Insbesondere im Falle von Sicherheitsupdates kommt aber auch ein längerer Zeitraum in Betracht. Abweichungen von dieser Aktualisierungspflicht sind zudem nur unter den genannten Vorgaben des § 476 I 2 BGB n.F. möglich, welche eine ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung der Parteien voraussetzen.
Rücktritt und Schadensersatz
Erleichterungen sieht die Gesetzesnovelle auch hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatz- und den Rücktrittsmöglichkeiten des Verbrauchers vor. § 475d BGB normiert fünf Situationen, in denen eine vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung für den Rücktritt oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen entbehrlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist, ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat (1.), sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt (2.), der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist (3.), der Unternehmer die gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert hat oder (4.) es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäß nacherfüllen wird (5.).
Beweislastumkehr
Die bisher bekannte Beweislastumkehr (§ 477 BGB n.F.) von sechs Monaten wird auf ein Jahr verlängert. Verbraucher können dementsprechend eine mangelhafte Ware innerhalb eines Jahres nach Erhalt an den Verkäufer zurückgeben, wobei dann im Streitfall der Verkäufer zu beweisen hat, dass der Mangel bei Gefahrübergang nicht vorlag. Bei Waren mit dauerhafter Bereitstellung von digitalen Elementen soll die Beweislastumkehr sogar für den gesamten Bereitstellungszeitraum, aber mindestens für zwei Jahre gelten.
Garantien
Infolge der Gesetzesnovelle ist der Unternehmer nunmehr verpflichtet, dem Verbraucher die Garantieerklärung spätestens bei der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung stellen (§ 479 BGB n.F.). Die bisherige Regelung, dass der Unternehmer die Garantieerklärung nur auf ausdrückliches Verlangen des Verbrauchers in Textform mitzuteilen hat, entfällt somit.
Verjährung
Der ebenfalls neu eingefügte § 475e BGB enthält zudem Sonderbestimmungen bezüglich der Verjährung von Mängelrechten bei dauerhafter Bereitstellung von Waren mit digitalen Elementen und bei Verletzungen der Updatepflicht des Verkäufers.
Gewährleistungsrechte an dauerhaft bereitgestellten digitalen Elementen verjähren nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums. Gleiches gilt für Ansprüche wegen Verletzung der Updatepflicht. Auch diese verjähren nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht. Die Verjährung wird also deutlich hinausgeschoben.
Handlungsempfehlungen
Die Änderung des Sachmangelbegriffs hat zur Folge, dass im B2C-Geschäftsverkehr der Verkäufer künftig ein besonderes Augenmerk darauf zu legen hat, die objektive Beschaffenheit der verkauften Sache vor Vertragsschluss zu ermitteln und zu prüfen, ob die Ware diesen Anforderungen entspricht. Sofern dies nicht der Fall ist, muss der Verkäufer zur Haftungsminimierung sicherstellen, dass dieser Umstand hinreichend klar im Vertrag geregelt wird.
Im B2B-Geschäftsverkehr ist – wie bisher – hingegen zwar eine abweichende Beschaffenheitsvereinbarung auch weiterhin möglich. Um jedoch auch hier das Haftungsrisiko zu minimieren, sollte der Verkäufer vertraglich klarstellen, ob und inwieweit die Ware – sofern dies der Fall ist – von der objektiven Beschaffenheit abweicht, bzw. ob der objektive Sachmangelbegriff überhaupt zur Anwendung kommen soll. Spiegelbildlich werden sich Unternehmen durch Anpassung ihrer allgemeinen Einkaufsbedingungen den durch die Gesetzesnovelle erweiterten Schutz sichern wollen.
Streitanfällig ist auch die neu eingeführte „Updatepflicht“. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des genauen Inhalts, sondern auch hinsichtlich des Zeitraums, in dem die „Updatepflicht“ besteht. Um Konflikten entgegen zu wirken, sollte daher bereits im Vertrag der Umfang und die Dauer der Updatepflicht hinreichend klar geregelt werden.
Sprechen Sie bei Fragen gerne unsere Mitglieder der Praxisgruppe Handels- und Gesellschaftsrecht an.
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