Wir begrüßen Sie zum achten Teil unserer Kapellmann Blogreihe „Wasserstoff aktuell“.
Bereits im dritten Teil hatten wir die bauplanungs- und genehmigungsrechtlichen Aspekte der Errichtung von Elektrolyseuren an Land erläutert. Anschließend hieran beschäftigen wir uns in diesem Beitrag mit den vorgelagerten energiewirtschaftsrechtlichen Fragestellungen einer Errichtung von Elektrolyseuren auf hoher See – insbesondere in der Nähe von Offshore-Windparks.
Blogreihe „Wasserstoff aktuell“ – Elektrolyse Offshore unter der Verordnung von sonstigen Energiegewinnungsbereichen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (SoEnergieV)
22. March 2022
1. Einleitung
Die Produktion von grünem Wasserstoff setzt voraus, dass Elektrolyseure mit elektrischer Energie aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Aus ökonomischer Sicht ist für einen niedrigen (und damit konkurrenzfähigen) Preis des grünen Wasserstoffs eine maximale betriebliche Auslastung des herstellenden Elektrolyseurs notwendig. Dies setzt eine dauerhafte und gleichmäßige Zufuhr großer Mengen elektrischer Energie voraus. Entsprechend eignen sich stark wetter- und tageszeitabhängige Quellen erneuerbarer Energien wie Solarenergie und Onshore-Windkraft weniger zum Betrieb industrieller Elektrolyseure.
Offshore-Windenergieanlagen zeichnen sich hingegen durch hohe Volllaststunden aus, wodurch eine hohe betriebliche Auslastung von Elektrolyseuren erreicht werden kann. Gleichzeitig weisen Offshore-Windenergieanlagen eine höhere Gesamtleistung aus als ihre Onshore-Pendants und werden in größeren Windparks geplant und betrieben. Die dadurch entstehenden großen Mengen elektrischer Energie eigenen sich sehr gut für eine wirtschaftliche industrielle Produktion grünen Wasserstoffs.
Entsprechend groß war bereits frühzeitig das Interesse, den Bau und Betrieb von Elektrolyseuren in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zu erforschen und zu testen. Das Windenergie-auf-See-Gesetz sah hierfür jedoch lange Zeit keine Möglichkeit vor.
Schließlich reagierte der Gesetzgeber auf diesen Bedarf, da aus seiner Sicht, die offshore-erzeugtem grünem Wasserstoff in der Klimawende eine Schlüsselrolle zukommen könnte. Dies erfolgte durch eine Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) und durch die auf dieser Grundlage erlassene Sonstige-Energiegewinnungsbereiche-Verordnung (SoEnergieV) mit Inkrafttreten zum 1. Oktober 2021.
2. Kursorischer Überblick über die Änderungen
Die Änderung der Rechtslage ermöglicht nun eine Ausschreibung „sonstiger Energiegewinnungsbereiche“ durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Sonstige Energiegewinnungsbereiche sind gemäß § 3 Nr. 8 WindSeeG Bereiche außerhalb von Gebieten, auf denen Windenergieanlagen auf See und sonstige Energiegewinnungsanlagen, die jeweils nicht an das Netz angeschlossen werden, in räumlichem Zusammenhang errichtet werden können. Diese Definition ist vom Gesetzgeber bewusst innovationsoffen ausgestaltet, um mit der Normierung Forschungshemmnisse zu vermeiden und umfasst nicht nur, aber auch die Erzeugung grünen Wasserstoffs in der AWZ.
Da sonstige Energiegewinnungsbereiche lediglich Feldversuche zur Erprobung innovativer Konzepte darstellen sollen, weisen diese nach § 5 Abs. 2a WindSeeG eine vergleichsweise geringe Größe von 25 bis 70 km² auf. Damit versucht der Gesetzgeber einen Trade-Off zwischen ausreichender Größe zur Erprobung innovativer Konzepte und möglichst geringer Mindestgröße zur Erreichung einer großen Auswahl von Bereichen zu schaffen. Der hierfür maßgebliche Flächenentwicklungsplan 2020 weist derzeit lediglich zwei sonstige Energiegewinnungsbereiche aus, nämlich SEN-1 (AWZ Nordsee nordöstlich von „EnBW Hohe See“, „Albatros“ und „Global Tech 1“, ca. 27,5 km² groß) und SEO-1 (AWZ Ostsee südwestlich von „Baltic Eagle“, ca. 7,6 km² groß).
Die erste Ausschreibung soll bereits 2022 erfolgen (§ 5 S. 1 SoEnergieV) und muss spätestens sechs Kalendermonate vor dem jeweiligen Gebotstermin auf der Internetseite des BSH bekannt gemacht werden (§ 6 S. 1 SoEnergieVO). Eine solche liegt zum Zeitpunkt dieses Beitrags noch nicht vor.
Das Gesetz stellt an Gebote im Vergabeverfahren eine Vielzahl von Anforderungen, die sich aus § 8 SoEnergieV ergeben und hier aufgrund ihres Umfangs den Rahmen sprengen würden.
In Kürze sei daher nur zusammengefasst, dass der Bieter neben einer umfassenden und belegten Projektbeschreibung (§ 8 Abs. 2 SoEnergieV) auch einen nachvollziehbaren Wirtschafts- und Finanzplan (§ 8 Abs. 3 SoEnergieV) einreichen muss. Zweck der Ausschreibung ist nämlich, die wenigen vorhandenen und vergabefähigen Bereiche an Projekte zu vergeben, die am erfolgversprechendsten und gleichzeitig zeitnah realisierbar sind.
3. Vergabe von Antragsberechtigungen
Die Vergabe der Antragsberechtigungen erfolgt nach den folgenden sechs Bewertungskriterien, die in § 9 Abs. 1 S. 1 SoEnergieV normiert sind:
- Voraussichtliche jährliche Energiemenge des finalen Energieträgers am Übergabepunkt,
- Energieeffizienz der wesentlichen Prozessschritte bei der Umwandlung der primären Energiemenge in den finalen Energieträger einschließlich des Transports zum Übergabepunkt,
- Technologiereife,
- Skalierbarkeit des Projekts,
- Energiebereitstellungskosten, und
- bereits absehbare, wesentliche Auswirkungen auf die Meeresumwelt.
Diese sechs Kriterien sind in § 9 Abs. 2 – 7 näher geregelt und sollen nachfolgend in Kürze dargestellt werden. Zudem muss die Projektbeschreibung gemäß § 8 Abs. 2 SoEnergieV zu sämtlichen Kriterien umfassende Angaben und teilweise auch Belege enthalten.
Die Vergabe erfolgt sodann anhand einer Bewertungsmatrix im Hinblick auf die Kriterien.
3.1 Jährliche Energiemenge des finalen Energieträgers am Übergabepunkt
Die höchste jährliche Energiemenge erhält die höchste Punktzahl in der Bewertungsmatrix.
Nach § 9 Abs. 2 SoEnergieV erfolgt die Berechnung der voraussichtlichen jährlichen Energiemenge unter Abzug aller Verluste und des Hilfsenergiebedarfs für Umwandlung und Transport bis zum Übergabepunkt.
3.2 Energieeffizienz bei Umwandlung (inkl. Transport)
Die höchste Energieeffizienz erhält die höchste Punktzahl in der Bewertungsmatrix.
Nach § 9 Abs. 3 S. 1 SoEnergieV erfolgt die Berechnung der Energieeffizienz durch Multiplikation der angenommenen Nutzungsgrade der aufeinanderfolgenden wesentlichen Prozessschritte bei der Umwandlung der primären Energiemenge in den finalen Energieträger. Hierbei ist auch der Transport zum Übergabezeitpunkt zu berücksichtigen, worunter die Anbindung vom Offshore-Gebiet an eine geeignete landseitige Netzinfrastruktur oder einen Direktabnehmer an Land verstanden wird.
Diese erfolgt entweder (aus technischer Sicht wohl unwirtschaftlich) mittels Transports per Schiff an Land oder durch eine Wasserstoffpipeline bzw. durch elektrische Anbindung eines Elektrolyseurs an Land. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass im derzeit gültigen Flächenentwicklungsplan 2020 die Errichtung eigener Kabel und Pipelines zur Abführung von Energie oder Energieträgern für SEN-1 ausgeschlossen ist.
3.3 Technologiereife
Der Reifegrad jedes der drei Teilsysteme (Umwandlung in den finalen Energieträger, Anlagendesign und Transport) wird auf einer Skala von 1 – 9 bewertet; das Teilsystem Anlagendesign muss mindestens Reifegrad 5 erreicht haben. Sodann werden Bewertungspunkte anhand der Reifegrade und der in § 9 Abs. 4 S. 2 – 9 SoEnergieV genannten Bewertungssystematik vergeben. Die Summe der Bewertungspunkte wird sodann durch die Anzahl der Teilbereiche geteilt und ergibt die in der abschließenden Bewertungsmatrix maßgebliche Punktzahl. Die Reifegrade sollen hier kurz dargestellt werden:
- Reifegrad: Beobachtung der Grundprinzipien (Ein grundsätzliches Prinzip wurde wissenschaftlich beobachtet, welches für eine Technologie/Verfahren/etc. in Frage kommt.)
- Reifegrad: Formulierung des Technologiekonzepts (Die Funktionsweise und mögliche Anwendungen einer Technologie/Verfahren/o.Ä. wurden wissenschaftlich beschrieben.)
- Reifegrad: experimentellen Nachweis des Konzepts (Für einzelne Elemente der Technologie/Verfahren/o.Ä. wurde ein Funktionsnachweis im Labor/in einer Versuchsumgebung erbracht.)
- Reifegrad: Überprüfung der Technologie im Labor (Generelle Funktion der Technologie/Verfahren/o.Ä. konnte im Labor/in einer Versuchsumgebung nachgewiesen werden.)
- Reifegrad: Überprüfung der Technologie in relevanter Umgebung (Technologie/Verfahren/o.Ä. wurde in einem anwendungsorientierten Gesamtsystem implementiert und generelle Machbarkeit nachgewiesen.)
- Reifegrad: Testung der Technologie in relevanter Umgebung (Demonstrationsanlage/-konzept in anwendungsähnlicher Umgebung funktioniert.)
- Reifegrad: Testung eines System-Prototyps im realen Einsatz
- Reifegrad: System ist komplett und qualifiziert (Verkaufsmuster/-prototyp liegt vor und erfüllt alle Anforderungen der End-anwendung.)
- Reifegrad: Funktionieren des Systems in operationeller Umgebung (Kommerzieller Einsatz.)
Der Nachweis der jeweiligen Reifegrade erfolgt mit geeigneten Quellen (wissenschaftliche Artikel, Pressemitteilungen o.ä.).
3.4 Skalierbarkeit
Die maximale Punktzahl in der Bewertungsmatrix erhält das Gebot, bei welchem die nachfolgenden drei Kriterien der Skalierbarkeit jeweils ohne Einschränkungen gegeben sind. Ergeben sich bei der Skalierung keine eindeutigen Skaleneffekte der Wirtschaftlichkeit des Konzeptes oder ist die Verfügbarkeit der Technologien für eine Skalierung nicht auf absehbare Zeit gegeben, sind entsprechende Abschläge auf die Punktzahl vorzunehmen.
Die Bewertung erfolgt anhand der Übertragbarkeit des Projekts auf größere Flächen und die Erzeugung größerer Mengen des finalen Energieträgers anhand folgender Kriterien:
- Übertragbarkeit bzgl. primärer Energiegewinnung auf eine Leistung von mind. 2 GW,
- Übertragbarkeit bzgl. Umwandlung auf eine Leistung von mind. 2 GW,
- Übertragbarkeit bzgl. Transportkonzept auf eine Leistung von mind. 2 GW, insbesondere bei flächeneffizienter Nutzung bereits vorhandener Infrastruktur/Möglichkeit der nachträglichen Erweiterung der vorgesehenen Infrastruktur
3.5 Energiebereitstellungskosten
Das Projekt mit den niedrigsten Energiebereitstellungskosten erhält die höchste Punktzahl in der Bewertungsmatrix.
Die Berechnung der voraussichtlichen Energiebereitstellungskosten erfolgt auf Basis der in Ziff. 3.1 genannten Energiemenge und der Kosten für die Energiegewinnung, Umwandlung in den finalen Energieträger sowie des Transports des finalen Energieträgers bis zum Übergabepunkt, § 9 Abs. 6 S. 1 SoEnergieV.
3.6 Auswirkungen auf die Meeresumwelt
Bei der Bewertung der bereits absehbaren wesentlichen Auswirkungen auf die Meeresumwelt erhält das Gebot mit den geringsten absehbaren Auswirkungen auf die Meeresumwelt die maximale Punktzahl, § 9 Abs. 7 S. 1 SoEnergieV. Die Punktzahl aller weiteren Gebote ist entsprechend ihrer entsprechend größeren Auswirkungen auf die Meeresumwelt geringer anzusetzen, § 9 Abs. 7 S. 2 SoEnergieV.
Zu beachten ist, dass die Bewertung des BSH keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) im späteren Planfeststellungsverfahren ersetzt, keine entsprechende Vorprüfung darstellt und keine sonstige nach Naturschutzrecht erforderliche Prüfung ersetzt.
4. Zusammenfassung und Ausblick
Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass der SoEnergieV eine Möglichkeit geschaffen hat, sonstige Energiegewinnungsbereiche auszuschreiben und damit der Wissenschaft und Forschung sowie der Wirtschaft zu öffnen. Auch die Ziele der Verordnung, eine erfolgsversprechende und zügige Realisierung zu erreichen, sind in diesem Kontext sinnvoll.
Gleichzeitig zeigt bereits die vorstehende kurze Beschreibung, wie anspruchsvoll die Vergabekriterien in der Praxis sein dürften. So wurde auch in einer Stellungnahme zum Verordnungsentwurf darauf hingewiesen, dass davon auszugehen sei, dass in den zur Verfügung stehenden Monaten ein Projektteam von zehn bis zwölf hochqualifizierten Personen in Vollzeit eingesetzt werden wird.
In Kombination mit den normierten Realisierungsfristen (§ 14 SoEnergieV), Sanktionsmöglichkeiten (§ 15 SoEnergieV) und vom Bieter zu erbringenden Sicherheitsleistungen (EUR 2,00 pro Quadratmeter Fläche, § 7 SoEnergieV) sind die Anforderungen hoch.
Mit Spannung ist zu erwarten, welche Projekte sich in naher Zukunft im Ausschreibungsverfahren durchsetzen werden. Das Interesse aus Wissenschaft und Wirtschaft an entsprechenden Offshore-Projekten ist zumindest vorhanden, wie auch Leitprojekte der Bundesregierung zeigen.
Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Ansprechpartner des Kompetenzteams Green Contracts und des Kompetenzteams Erneuerbare Energien gerne zur Verfügung.