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Bürgerenergiegesellschaften im EEG 2023

08. July 2022

1    Einführung

Mit dem EEG 2023 soll die Bürgerenergie gestärkt werden. Bürgerenergiegesellschaften soll es zukünftig nicht nur für Wind- sondern auch für Solarprojekte geben. Außerdem sollen Bürgerenergieprojekte künftig nicht mehr an Ausschreibungen teilnehmen müssen, da laut dem Gesetzesentwurf befürchtet wird, dass sich das bisher bestehende Zuschlagsrisiko prohibitiv auswirkt. Bürgerenergiegesellschaften können sich daher zukünftig auf eine Ausnahme von Ausschreibungen berufen. Laut der Gesetzesbegründung soll durch die Neuregelungen der Bürgerenergiegesellschaft die Akteursvielfalt und damit die Akzeptanz vor Ort sowie die lokale Wertschöpfung gestärkt werden.

2   Voraussetzungen einer Bürgerenergiegesellschaft

Die Voraussetzungen der Bürgerenergiegesellschaft werden in § 3 Nr. 15 EEG 2023 definiert. Da sich nunmehr Bürgerenergiegesellschaften auch für Solaranlagen formen können sollen, wird § 3 Nr. 15 lit. (b) EEG 2023 nun technologieübergreifend formuliert. Auch weitere Voraussetzungen des § 3 Nr. 15 EEG ändern diese teilweise erheblich:

Musste eine Bürgerenergiegesellschaft gem. § 3 Nr. 15 lit. (a) EEG 2021 noch aus mindestens zehn natürlichen Personen als stimmberechtigte Mitglieder oder stimmberechtigte Anteilseigner bestehen, so verlangt nun § 3 Nr. 15 lit. (a)  EEG 2023 50 natürliche Personen als stimmberechtigte Mitglieder oder stimmberechtigte Anteilseigner.

Gem. § 3 Nr. 15 lit. (b) EEG 2021 mussten mindestens 51 Prozent der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die seit mindestens einem Jahr vor der Gebotsabgabe in der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis, in der oder dem die geplante Windenergieanlage an Land errichtet werden soll, nach § 21 oder § 22 des Bundesmeldegesetzes mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sein. Gem. § 3 Nr. 15 lit. (b) EEG 2023 sollen nun 75 Prozent der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die in einem Postleitzahlengebiet, das sich ganz oder teilweise im Umkreis von 50 Kilometern um die geplante Anlage befindet, nach dem Bundesmeldegesetzes mit einer Wohnung gemeldet sind.  Bei Solaranlagen wird der Abstand vom äußeren Rand der jeweiligen Anlage und bei Windenergieanlagen von der Turmmitte der jeweiligen Anlage gemessen.

Damit hat der Gesetzgeber im Rahmen der parlamentarischen Beratungen erfreulicherweise den Kreis derjenigen erweitert, die sich an einer Bürgerenergiegesellschaft beteiligen können. Im Kabinettentwurf war die Regelung noch auf natürliche Personen begrenzt, die in der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis, in der oder dem die geplante Anlage errichtet werden soll, nach § 21 oder § 22 des Bundesmeldegesetzes mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind.

Damit ermöglicht der Gesetzgeber auch Regelungen für Projekte, die landkreisübergreifend betrieben werden sollen.  Nunmehr finden auch diejenigen Projekte, für die sich Beteiligte verschiedener Landkreise zusammenschließen wollen, um im Rahmen einer Bürgerenergiegesellschaft einen Wind- oder Solarpark umzusetzen, der in mehreren Landkreisen liegt, eine klare Rechtsgrundlage. Das ist erfreulich, da gerade auch solche Konstrukte der kooperativen Umsetzung über Landkreisgrenzen hinweg der lokalen Verankerung und Stärkung der Energiewende dienen.  

Die bisherige Regelung des Nachweiszeitraums wird aus der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 15 lit. (b) EEG 2023 ausgenommen und in den neu eingeführten § 22b EEG 2023 geregelt.

Hinzukommt, dass ein solches Vorgehen nur innerhalb der Grenzen des § 24 Abs. 2 EEG 2023 möglich ist. Der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 EEG 2021 wird mit dem EEG 2023 auf Bürgerwindgesellschaften und auf Windenergieanlagen erweitert. Hierdurch soll die künstliche Aufspaltung der Projekte in kleinere Einheiten verhindert werden. Zur Ermittlung der Anlagengröße im Rahmen der Beurteilung der Ausnahme vom Zuschlagserfordernis für Bürgerenergiegesellschaften (§ 22 Abs. 2 S. S. 2 Nr. 3 und Abs. 3 S. 2 EEG 2023) werden demnach die Anlagen mit allen Anlagen, die innerhalb der letzten 24 Monate innerhalb eines 2km-Radius in Betrieb genommen wurden, zusammengerechnet.  Nur wenn diese so zusammengerechneten Anlagen bei Windenergieanlagen unter 18 MW und bei Solaranlagen unter 6 MW bleiben, sind die zugebauten Wind- oder Solaranlagen vom Zuschlagserfordernis ausgenommen. Auch wenn der Wortlaut hier nicht eindeutig ist, kann systematisch nur die Zusammenrechnung der jeweiligen Technologien gemeint sein. Eindeutig ist der Wortlaut hingegen diesbezüglich, dass nicht nur die im Rahmen von Bürgerenergieprojekten innerhalb der letzten 2 Jahre im 2km-Umkreis realisierten MW zusammengerechnet werden, sondern auch die sonstigen, nicht als Bürgerenergieanlagen realisierten Windenergieanlagen. Dies kann vom Gesetzgeber so kaum intendiert gewesen sein, der Wortlaut steht einer Begrenzung der Zusammenrechnung auf Bürgerwindenergieanlagen aber im Weg. Insgesamt muss man den Regelungsansatz als verfehlt bezeichnen: Denn allein eine räumliche und zeitliche Nähe der Realisierung von Anlagen ist kein geeignetes Kriterium zur Verhinderung einer künstlichen Aufspaltung. Hier wären qualitative Kriterien wie z.B. eine gemeinsame Planung oder die gemeinsame Nutzung von Infrastruktureinrichtungen geeigneter gewesen.

Mit der Neueinfügung des § 3 Nr. 15 lit. (c) EEG 2023 legt das EEG 2023 Anforderungen für Stimmrechte fest, die nicht bei natürlichen Personen liegen. Diese können sich nur dann an einer Bürgerenergiegesellschaft beteiligen, soweit es sich hierbei ausschließlich um Kleinstunternehmen, kleine oder mittlere Unternehmen (KMU) handelt. Die Definition richtet sich nach der Empfehlung 2003/361/EEG der Kommission vom 06.05.2003. Außerdem können sich auch kommunale Gebietskörperschaften sowie deren rechtsfähigen Zusammenschlüsse beteiligen.

Die Anforderungen des § 3 Nr. 15 lit. (c) EEG 2021 werden unverändert in den neuen § 3 Nr. 15 lit. (d) EEG 2023 übernommen. Damit darf weiterhin kein Mitglied oder Anteilseigner der Bürgerenergiegesellschaft mehr als zehn Prozent der Gesellschaft halten. Weiterhin reicht es beim Zusammenschluss von mehreren juristischen Personen oder Personengesellschaften zu einer Gesellschaft aus, wenn jeder der Mitglieder der Gesellschaft die Voraussetzungen nach den vorangegangenen Buchstaben – nun lit. (a) bis (d) – erfüllt. Neu im Rahmend des beschlossenen Gesetzes kam nun auch die Spezifizierung hinzu, dass es bei einer Gesellschaft, an der eine andere Gesellschaft 100 Prozent der Stimmrechte hält ausreicht, wenn die letztere die Voraussetzungen nach den vorangegangenen Buchstaben – nun lit. (a) bis (d) – erfüllt.

Hinzu kommt eine weitere Anforderung, die ihre Grundlage in einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Februar 2020 (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 – EnVR 101/18) hat. Danach muss die Mehrheit der Stimmrechte mit einer entsprechenden tatsächlichen Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft und der Mitwirkung an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung verbunden sein. Diese Anforderung nimmt das EEG 2023 nun explizit in das Gesetz auf und legt in 3 Nr. 15 lit. (d) EEG 2023 fest, dass mit den Stimmrechten in der Regel auch eine entsprechende tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft und der Mitwirkung an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung verbunden sein muss.

Mit den Änderungen des § 3 Nr. 15 EEG 2023 werden laut der Gesetzesentwurfsbegründung vorrangig zwei Ziele verfolgt:

  1. Die lokale Verankerung von Bürgerenergiegesellschaften soll durch eine möglichst breite Bürgerbeteiligung gestärkt werden. Dies soll der lokalen Akzeptanzsteigerung und der lokalen Wertschöpfungssteigerung dienen. Beitragen sollen hierzu sowohl die Anhebung der Anzahl natürlicher Personen vor Ort als Mitglieder oder Anteilseigner einer Bürgergesellschaft als auch die Erhöhung einer Mindestbeteiligung von natürlichen Personen. Dadurch soll auch der dezentrale Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden.
     
  2. Mit den Änderungen und Ergänzungen des Begriffs der Bürgerenergiegesellschaft in § 3 Nr. 15 EEG 2023 wird die Bürgerenergiegesellschaft außerdem kompatibel zum Begriff der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft aus der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, Abl. L 328 vom 21.12.2018, Seite 82).  Durch die Einordnung der Bürgerenergiegesellschaft als Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft können Bürgerenergiegesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen von dem Erfordernis der Ausschreibung ausgenommen werden. Dies sehen nämlich die neuen Klima-, Energie- und Umweltbeihilfe-Leitlinien der europäischen Kommission vom 27.01.2022 (C (2022) 481 final) (Energiebeihilfeleitlinien) vor. Hierfür ist insbesondere die Einfügung des neuen § 3 Nr. 15 lit. (c) EEG 2023 notwendig. Nach den Energiebeihilfeleitlinien dürfen nämlich neben natürlichen Personen ausschließlich KMU oder „lokale Behörden einschließlich Gemeinden“ Anteilseigner oder Mitglieder der Erneuerbaren-Energien-Gemeinschaft sein.

3   Privilegierung der Bürgerenergiegesellschaften nach § 22b EEG

Gemäß § 22b Abs. 1 und Abs. 2 EEG 2023 iVm § 22 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 EEG 2023 sind Bürgerenergiegesellschaften grundsätzlich vom Erfordernis der Teilnahme an Ausschreibungen ausgenommen, sofern die Bürgerenergiegesellschaften die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für Windenergieanlagen gilt dies bis zu einer Größe von 18 MW (§ 22 Abs. 2 Nr. 3 EEG 2023), für Solaranlagen bis zu einer Größe von 6 MW (§ 22 Abs. 3 Nr. 3 EEG 2023). Die Vorhabenträger müssen hier – sowohl im Bereich der Wind- als auch der Solarenergie – insbesondere auf eine saubere Kommunikation mit der BNetzA achten: So muss bei Windenergieanlagen spätestens drei Wochen nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der BNetzA mitgeteilt werden, dass die Anlage eine Bürgerenergiegesellschaft ist (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EEG 2023).  Diese Frist ist äußerst kurz bemessen. Die Gesellschaft muss damit bereits zu diesem Zeitpunkt und damit faktisch zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung 50 Personen umfassen. Bei Solaranlagen muss der spätestens drei Wochen nach Inbetriebnahme mitgeteilt werden, dass die Anlage eine Bürgerenergiegesellschaft ist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2023). 

Hinzukommt eine weitere in § 22 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 EEG 2023 festgelegte Anforderung: Die Privilegierungstatbestände sollen gerade erfahrenere Marktteilnehmer ausschließen, da in § 22b Abs. 1 Nr. 3 EEG  2023 solche Teilnehmer ausgeschlossen werden, die in den vorangegangenen fünf Jahren Windenergieanlagen errichtet haben und in § 22b Abs. 2 Nr. 3 EEG  2023 solche Teilnehmer ausgeschlossen werden, die in den vorangegangenen drei Jahren Solaranlage desselben Segments errichtet haben. Die Verkürzung der „Sperrfrist“ bei Solaranlagen auf drei Jahre wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen aufgenommen.

Der Ausschluss bezieht sich dabei jeweils sowohl auch die Bürgerenergiegesellschaft selbst sowie ihre Mitglieder und Anteilseigener und die mit diesen jeweils verbundenen Unternehmen. Nicht gemeint ist, auch ausweislich der Gesetzesbegründung, die Beteiligung der an der Bürgerenergiegesellschaft beteiligten Personen an weiteren Bürgerenergiegesellschaften. Da in der Regel pro Projekt eine eigene Gesellschaft gegründet wird, scheint dieses Erfordernis in der Praxis daher umsetzbar zu sein und eine Erleichterung zur vorhergehenden Regelung darzustellen. § 22b Abs. 5 EEG statuiert außerdem – insoweit konsequent –eine Art „Sperrfrist“ für Bürgerenergiegesellschaften sowie deren Mitglieder und Anteilseigener. Diese dürfen für drei Jahre nach einer Mitteilung einer Bürgerenergiegesellschaft an die BNetzA keine EEG-Förderung für weitere Anlagen in Anspruch nehmen. Unklar bleibt warum eine so lange Frist gewählt wurde und damit gerade erfahrene und erfolgreiche Projektgesellschaften gehindert werden, weitere Projekte umzusetzen. Laut der Gesetzesbegründung sollen damit insbesondere kleinere und lokale Bürgerenergiegesellschaften in den Fokus genommen werden. Möglich ist aber, dass gerade mit dem Ausschluss erfahrener lokaler Akteure die intendierte Geschwindigkeit des Ausbaus wieder verlangsamt wird.

§ 22b Abs. 4 EEG 2023 regelt, für welche Zeiträume die jeweiligen Anforderungen nachzuweisen sind. Dort ist vorgesehen, dass alle Anforderung nach § 3 Nr. 15 EEG 2023 zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme und danach alle fünf Jahre gegenüber dem Netzbetreiber nachzuweisen ist. Die Nachweise müssen sich jeweils auf die vorhergegangenen zwölf Monate beziehen, d.h. dass gem. § 22 Abs. 4 Nr. 1 EEG 2023 bei der erstmaligen Nachweisführung die zwölf Monate in Bezug genommen werden, die der Meldung bei der Bundesnetzagentur vorangehen. Hier lässt das Gesetz aber eine Ausnahme für die Anforderungen nach § 3 Nr. 15 lit. (a) (50 natürliche Personen), lit. (c) (Stimmrechte die nicht bei natürlichen Personen liegen) und lit. (d) (kein Mitglied oder Anteilseigner hat mehr als zehn Prozent der Stimmrechte) zu: Hier reicht der Nachweis auch aus, wenn er sich auf den Zeitraum des Bestehens der Bürgerenergiegesellschaft bezieht, wenn dieser Zeitraum kürzer als zwölf Monate beträgt. Der Erstnachweis kann außerdem durch Eigenerklärung abgegeben werden. Bei allen anderen Nachweisführungen sind gem. § 22b Abs. 4 Nr. 2 EEG 2023 jeweils die zwölf Monate in Bezug zu nehmen, die dem Zeitpunkt der Nachweisführung vorangegangen sind. In welcher Form die weiteren Nachweise zu erfolgen haben, ist nicht geregelt. Rechtsfolge bei fehlendem Nachweis, ist ein Wegfall des Zahlungsanspruchs ab dem 3. Monat. Diese Sanktion ist deutlich strenger als die bisherige Regelung, nach der die Förderung auf den jeweiligen Gebotswert reduziert wurde.

Schließlich enthält § 22b Abs. 6 die vormals in § 36g Abs. 5 EEG 2021 verankerte Länderöffnungsklausel. Deren Anwendungsbereich bleibt nach dem Wortlaut unverändert weit („zur Steigerung der Akzeptanz“). Einschränkungen der Reichweite ergeben sich möglicherweise aus der systematischen Stellung im Bereich der Ausschreibungsbedingungen.

4   Vergütung für Bürgerenergiegesellschaft

Durch die Einführung einer Ausnahme vom Zuschlagserfordernis ändert sich das Vergütungsregime für Bürgerenergiegesellschaften.

Gem. § 36g EEG 2021 konnten Bürgerenergiegesellschaften für bis zu sechs Windenergieanlagen an Land mit einer installierten Leistung von insgesamt nicht mehr als 18 MW ein Gebot in der Ausschreibung abgeben. Der Vorteil für Bürgerenergiegesellschaften lag mit dem § 36g Abs. 3 EEG 2021 darin, dass der Zuschlag für alle bezuschlagten Gebote von Bürgerenergiegesellschaften stets der Gebotswert des höchsten noch bezuschlagten Gebots des selben Gebotstermins war. Bürgerenergiegesellschaften werden im EEG 2021 also immer auf den „besten Preis“ hochgezogen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Bürgerenergiegesellschaft überhaupt einen Zuschlag erhält. Der Vorteil des § 36g EEG 2021 wirkt sich insoweit insbesondere aus, wenn die Ausschreibungen überzeichnet sind. Sind die Ausschreibungen, wie in der Vergangenheit, oftmals unterzeichnet, wirkt sich der Vorteil kaum aus, da im Prinzip alle Bieter einen Zuschlag erhalten. Sind die Ausschreibungen aber überzeichnet und deswegen erhalten viele Bieter keinen Zuschlag, ist es im Vorfeld sehr unklar, bis zu welchem Gebotspreis man reizen kann. In dem Fall kann die Bürgerenergiegesellschaft einen für sich gerade noch akzeptablen Preis bieten und sich immer sicher sein, dass sie am Ende den besten noch bezuschlagten Preis erhält.

Die nun mit dem EEG 2023 eingeführte Ausnahme vom Zuschlagerfordernis führt dazu, dass sich die Vergütungshöhe für die Bürgerenergiegesellschaft für Windenergie an Land nach § 46 EEG 2023 bestimmt. Die Vergütungshöhe bestimmt sich damit nach dem Durchschnitt aus den Gebotswerten des jeweils höchsten noch beaufschlagten Gebots der Gebotstermine im Vorvorjahr für Windenergieanlagen an Land. Der Zeitpunkt der Meldung bei der BNetzA ist damit relevant. Für Solaranlagen hingegen richtet sich die Vergütung nach den neu gefassten § 48 Abs. 1a S. 1 und 2 EEG 2023, der auf den Durchschnitt der jeweils höchsten noch beaufschlagten Gebotswerte des jeweiligen Segments im Vorjahr der Inbetriebnahme abstellt.

5   Übergangsbestimmungen

Gem. § 100 Abs. 1 EEG 2023 ist das EEG 2021 noch auf Anlagen anzuwenden, die vor dem 01.01.2023 in Betrieb genommen worden sind oder deren anzulegender Wert in einem Zuschlagsverfahren eines Gebotstermins vor dem 01.01.2023 ermittelt wurde. Da sich der anzulegende Wert für Bürgerenergiegesellschaften ab dem 01.01.2023 gesetzlich und nicht durch Zuschlagsverfahren bestimmt, unterliegen wohl alle Bürgerenergiegesellschaften die ab dem 01.01.2023 bei der BNetzA als solche angemeldet werden, dem neuen Regime.

6   Ausblick

In der EEG-Novelle wird insoweit das Bemühen des Gesetzgebers deutlich, die Bürgerenergie näher „an die Menschen zu bringen“, weswegen die Privilegierungstatbestände wohl vor allem lokale und kleinere Akteure betreffen werden. Dies mag einerseits für die Akzeptanz förderlich sein, inwieweit es den Ausbau der Erneuerbaren Energien tatsächlich beschleunigen kann, bleibt abzuwarten.

Auch die neuen Vorschriften für Bürgerenergiegesellschaften stehen noch unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Genehmigung. Diesbezüglich bleibt abzuwarten, inwieweit die Genehmigung für die Ausschreibungsausnahmen erteilt wird.

Zumindest im Rahmen dieser Gesetzesnovelle und deren Begründung bleiben die kapitalmarktrechtlichen Konsequenzen einer verstärkten Förderung von Bürgerenergiegesellschaften unberücksichtigt. Laut der Gesetzesbegründung sollen die Bürgerenergiegesellschaften als offene Publikumsgesellschaften ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass die Bürgerenergiegesellschaften in der Regel als GmbH & Co. KGs ausgestaltet werden und die KG-Anteile den berechtigten Bürgern angeboten werden sollen. In der Regel wird das öffentliche Angebot der KG-Anteile der Prospektpflicht nach dem VermAnlG unterliegen. Ein solcher Prospekt ist von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu billigen. Aufgrund der immer wieder verschärften Anforderungen an die Prospektpflicht in den letzten Jahren und der Diffizilität der Prospekterstellung aufgrund sich häufig ändernder Merkblätter der BaFin kann dieses Thema auf lokale und unerfahrene Akteure besonders abschreckend wirken. Hinzukommt der große Zeitdruck: Bei Windenergieanlagen muss die Beteiligung der mindestens 50 Bürger quasi bereits mit Genehmigungserteilung abgeschlossen sein, da die Bürgerenergiegesellschaft nach der BImSchG-Genehmigung nur 3 Wochen Zeit hat, die Bürgerenergiegesellschaft bei der BNetzA zu melden. Diese Vorgabe steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu § 5b Abs. 2 VermAnlG. Die Regelung, die mit dem „Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes“ am 18.08.2021 in Kraft getreten ist, verbietet das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen, wenn das Anlageobjekt nicht konkret bestimmt ist. Nach der Auslegung der BaFin muss das Projekt dazu einen nachweisbaren Realisierungsgrad aufweisen. Dieser ist z.B. durch abgeschlossene Verträge nachzuweisen. Die nach dem EEG 2023 erforderliche „frühe“ Bürgerbeteiligung kann hier zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, die im Einzelfall genau beurteilt werden müssen. 

Es wäre deswegen wünschenswert, dass der Gesetzgeber den unbestritten wichtigen Anlegerschutz für lokale Akteure machbar(er) gestaltet. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die im EEG 2023 angelegte Förderung der Bürgerenergiegesellschaften nicht so stark niederschlägt, wie vom Gesetzgeber intendiert. Es ist deswegen begrüßenswert, dass der Gesetzgeber selbst die Novelle nicht als Schlusspunkt versteht, sondern ausweislich der Gesetzesbegründung bereits weitergehende Maßnahmen für die nächste EEG-Novelle vorbereitet.

Für weitere Fragen stehen Ihnen die Mitglieder des Kompetenzteams Erneuerbare Energien gerne zur Verfügung.

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