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EEG 2023: Kommunale Beteiligung im „Osterpaket“

19. July 2022

Aktualisiert am 14.4.2023

Die bisherigen Regelungen zur finanziellen Beteiligung von Kommunen, die seit dem EEG 2021 in § 6 EEG Niederschlag gefunden haben, wurden in der nunmehr vorgelegten Novelle fortentwickelt.

Gemäß § 6 EEG können die Gemeinden, die von Windenergieanlagen an Land und Freiflächensolaranlagen betroffen sind, finanziell an diesen Anlagen beteiligt werden. Zweck dieser Vorschrift ist insbesondere die Förderung der Akzeptanz lokaler Erneuerbarer-Energien-Anlagen. Erstmals eingeführt wurde diese Möglichkeit mit § 36k EEG 2021, damals jedoch nur beschränkt auf Windenergieanlagen. Mit der Überführung in § 6 EEG 2021 wurde die Regelung auf Freiflächenanlagen erweitert. Im Rahmen des mit dem Osterpaket verabschiedeten EEG 2023 wird die Regelung ergänzt und weiterentwickelt.

Die wesentlichen Änderungen haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.

1. Inhaltliche Neuerungen

1.1 Soll-Vorschrift für sämtliche Anlagenbetreiber

Die abschließenden Beratungen im Gesetzgebungsverfahren führten zu einer zuvor noch nicht im Gesetzesentwurf enthaltenen Neuerung. Statt der bisherigen einfachen Legitimierung finanzieller Beteiligungen („Folgende Anlagenbetreiber dürfen“) ist die Regelung nun als Soll-Vorschrift ausgestaltet: „Anlagenbetreiber sollen Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlage betroffen sind, finanziell beteiligen.“

Diese Ergänzung ist nicht an Sanktionen für den Fall des Unterlassens der finanziellen Beteiligung gekoppelt. Der Gesetzgeber will durch die Einfügung des § 6 Abs. 1 S. 1 EEG 2023 seinem Verständnis von einer generell wünschenswerten finanziellen Beteiligung von Kommunen Ausdruck verleihen. Eine von vielen geforderte Verpflichtung zur Beteiligung enthält die Regelung aber nach wie vor nicht.

1.2 Windenergieanlagen: Anpassung an die Ausschreibungsgrenze und Erstreckung auf Direktvermarktung

Die Änderung des EEG beinhaltet zunächst die Anhebung des Schwellenwertes in § 6 Abs. 2 S. 1 EEG 2023 von 750 kW auf 1.000 kW. Hintergrund hierfür ist, dass auch die Ausschreibungsgrenze für Windenergieanlagen an Land auf 1.000 kW angehoben wird. Zugleich erfährt die Norm eine entscheidende Erweiterung der finanziellen Beteiligungsmöglichkeit dadurch, dass die Beteiligung nach dem EEG 2023 nicht mehr nur für solche Windenergieanlagen an Land angeboten werden kann, die nach dem EEG oder auf Grund des EEG erlassenen Rechtsverordnung gefördert werden. Die Beteiligungsmöglichkeit soll nun auch für Anlagen in der sonstigen Direktvermarktung (z.B. Power-Purchase-Agreements) sowie Bestandsanlagen bestehen. Im Unterschied zu Freiflächenanlagen konnten nach § 6 EEG 2021 nur geförderte Windenergieanlagen an Land die betroffenen Gemeinden finanziell beteiligen. Diese Entwicklung stellt eine wesentliche Verbesserung der Position der Gemeinden dar. So konnten bislang solche Windenergieanlagenbetreiber, die aufgrund hoher Strompreise zeitweise in die sonstige Direktvermarktung gewechselt sind, für diesen Zeitraum keine finanzielle Zuwendung an die betroffene Gemeinde leisten. Der Gesetzgeber möchte dadurch die Planungssicherheit für die Gemeinden erhöhen und rechtliche Unsicherheiten beseitigen.

1.3 Windenergieanlagen: Gleichbehandlung der betroffenen Kommunen

Um künftig eine gerechte Behandlung aller durch die Windenergieanlage betroffenen Gemeinden zu gewährleisten, wurde in § 6 Abs. 2 S. 4 EEG 2023 die Verpflichtung des Anlagenbetreibers eingeführt, dass er, sofern er sich für die Zahlung einer finanziellen Beteiligung nach § 6 EEG 2023 entscheidet, allen betroffenen Gemeinden oder Landkreisen gleichermaßen ein Angebot zur finanziellen Beteiligung unterbreitet. Dadurch soll eine Benachteiligung einzelner Gemeinde oder Landkreise verhindert werden, wodurch das Ziel, die Akzeptanz von Windenergieanlagen zu steigern, torpediert werden könnte.

Der neue Satz 5 stellt klar, dass eine finanzielle Beteiligung ausschließlich für inländische Gemeinden und Landkreise gewährt werden kann, da ausländische Gemeinden und Landkreise nicht im räumlichen Anwendungsbereich des EEG liegen. Sofern ein Anteil der finanziellen Beteiligung auf eine ausländische Gemeinde oder einen ausländischen Landkreis entfällt, kann dieser auf die übrigen inländischen Gemeinden und Landkreise, jeweils anhand der Anteile des jeweiligen Gemeindegebiets oder gemeindefreien Gebiets an der Fläche des Umkreises der Anlage im Bundesgebiet, verteilt werden.

§ 6 Abs. 2 S. 6 und 7 EEG 2023 enthält die begrüßenswerte Klarstellung, dass auch der Betrag der finanziellen Beteiligung solcher Gemeinden und Landkreise, welche eine Beteiligung ablehnen, auf die zustimmenden Gemeinden und Landkreise verteilt werden können. Hier erfolgt die Verteilung anhand des Verhältnisses der Anteile der Gemeindegebiete oder gemeindefreien Gebiete an der Gesamtfläche des Umkreises im Bundesgebiet zueinander.

1.4 Freiflächenanlagen: Keine Änderungen

Keine eigenständige Änderung ergibt sich bei den spezifischen Regelungen für Freiflächenanlagen in § 6 Abs. 3 EEG 2023. Hier dürfen die Betreiber den betroffenen Gemeinden wie bisher unabhängig von der Vermarktungsform Beträge von insgesamt 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge angeboten werden. Als betroffen gelten hier Gemeinden, auf deren Gemeindegebiet sich die Freiflächenanlagen befinden.

Es bleibt hier insbesondere auch dabei, dass die Vereinbarung nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EEG 2023 erst nach dem Beschluss des Bebauungsplans für die Fläche zur Errichtung der Freiflächenanlage möglich ist. Nicht abschließend geklärt hat der Gesetzgeber die in der Praxis bedeutsame Frage, in welchem Umfang einseitige Ankündigungen oder Zusagen des Anlagenbetreibers vor dem Satzungsbeschluss schädlich sein können.

1.5 Zielsetzung: Artenvielfalt

Des Weiteren wird die Vorschrift durch § 6 Abs. 4 S. 2 EEG 2023 ergänzt. Danach dürfen die betroffenen Kommunen bei Freiflächenanlagen den Abschluss der Vereinbarungen über Zuwendungen nach § 6 EEG 2023 davon abhängig machen, dass der Betreiber ein Konzept vorlegt, das fachlichen Kriterien für die naturschutzverträgliche Gestaltung von Freiflächenanlagen entspricht, oder nachgewiesen hat, dass die Umsetzung dieser Kriterien nicht möglich ist. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die von der Umsetzung der Freiflächensolaranlagen betroffenen Flächen als artenreiches Grünland entwickelt werden. Dadurch sollen die Standorte von Freiflächensolaranlagen zugleich einen Beitrag zur Erhaltung und Verbesserung der Artenvielfalt leisten. Den Gemeinden wir durch § 6 Abs. 4 S. 2 EEG 2023 ermöglicht, standortspezifisch zu prüfen und festzuhalten, welche naturschutzfachlichen Kriterien für Anlagenstandort auf ihrem Gemeindegebiet zu beachten sind. Die Gesetzesbegründung empfiehlt in diesem Zusammenhang, auf bewährte Kriterien zurückzugreifen und nimmt diesbezüglich als Beispiel auf die Empfehlungen des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) für naturverträgliche Photovoltaik-Freiflächenanlagen, Bezug. Diese verweisen wiederum etwa auf die Veröffentlichung des KNE „Wie Sie den Artenschutz in Solarparks optimieren – Hinweise zum Vorgehen für kommunale Akteure“ (hier abrufen). Anhand der kommunalen Vorgaben hat der Anlagenbetreiber ein naturschutzfachliches Konzept umzusetzen, welches vor Abschluss der Vereinbarung über die finanzielle Beteiligung vorgelegt werden muss. Hierbei bietet es sich an, dieses Konzept gemeinsam mit den Unterlagen zu erarbeiten, die im Bauplanungs- und Genehmigungsverfahren beigebracht werden müssen.

Da der Anlagenbetreiber keinen Nachteil daraus hat, wenn die Gemeinde den Abschluss der Vereinbarung ablehnt, ist das Ablehnungsrecht der Gemeinden selbstredend kein besonderes Druckmittel für die Umsetzung der fachlichen Kriterien. Zumindest kann die Regelung so aber als Merkposten für die Beteiligten dienen, solche fachliche Kriterien zu erarbeiten und zur Grundlage der Bauleitplanung zu machen.. 

Wichtig: Ein späterer Verstoß gegen die fachlichen Kriterien soll nach der Gesetzesbegründung nicht zum Entfall der Legalisierungswirkung in Bezug auf die Vereinbarung führen.

1.6 Erstattung durch Netzbetreiber

Zuletzt wird in § 6 Abs. 5 EEG 2023 klargestellt, dass zwar eine finanzielle Beteiligung auch für nicht geförderte Anlagen möglich ist; eine Erstattung der an die Gemeinden oder Landkreise geleisteten Zahlungen erhält der Anlagenbetreiber aber freilich nur für die Strommengen, für die er tatsächlich eine Förderung nach dem EEG oder einer aufgrund des EEG erlassenen Rechtsverordnung erhalten hat. Maßgeblich ist ein tatsächlicher Zahlungsfluss des Netzbetreibers für die konkreten Strommengen. Keine Erstattung wird deswegen geleistet für

  • Strommengen aus Anlagen, die überhaupt keinen Anspruch auf EEG Förderung haben;
  • Strommengen aus Anlagen, die zwar grundsätzlich einen Anspruch auf EEG-Förderung haben, die aber im konkreten Zeitraum in die sonstige Direktvermarktung gewechselt sind und
  • Strommengen aus Anlagen, die im Marktprämienmodell vermarkten, für die die Marktprämie aber gleich Null ist.

Diese Regelung stößt bereits auf kritische Gegenstimmen, da teilweise gefordert wurde, die Erstattung nicht an die Förderung zu knüpfen.

Überdies weisen wir auf die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EnFG (vormals im Gesetzgebungsverfahren als EnUG bezeichnet) hin, wonach die Übertragungsnetzbetreiber ihren Verteilernetzbetreibern die nach § 6 Abs. 5 EEG 2023 geleisteten Zahlungen zu erstatten haben.

1.7 Erfassung von Bestandsanlagen

Die Neufassung erfolgt für alle Anlagen, die in den Anwendungsbereich des § 6 EEG 2021 fallen, also – mit Wirkung ab 1. Januar 2023 – auch für die seit 2021 bezuschlagten Anlagen (§ 100 Absatz 2 S. 1 EEG 2023). Auch aus § 6 Abs. 5 EEG 2023 ergibt sich hier keine Einschränkung.

§ 6 EEG 2023 ist nach § 100 Absatz 2 S. 2 EEG 2023 zudem auf Bestandsanlagen anzuwenden,

  • die vor dem 1. Januar 2021 in Betrieb genommen worden sind,
  • deren anzulegender Wert in einem Zuschlagsverfahren eines Gebotstermins vor dem 1. Januar 2021 ermittelt worden ist

    oder
     
  • die vor dem 1. Januar 2021 als Pilotwindenergieanlage an Land in Betrieb genommen wurden.

Damit können nunmehr alle Ausschreibungs- und Pilotwindanlagen Zahlungen nach § 6 EEG 2023 leisten.

2. Ausblick

Wenngleich die Erfahrungen mit der bereits bestehenden Regelung des § 6 EEG 2021 zeigen, dass die kommunale Beteiligung von den Marktteilnehmern angenommen und genutzt wird, werfen die nunmehr vorgenommenen Änderungen einige – auch rechtliche Fragen – auf.

2.1 Anpassungsnotwendigkeit bei Musterverträgen

Die derzeit von der Fachagentur Windenergie an Land bereitgestellten Musterverträge müssen die Änderungen im Osterpaket noch berücksichtigen. Dies kann z.B. in den Konstellationen Risiken bergen, in denen die Zahlungen vertraglich fixiert wurden, die Erstattungsberechtigung jedoch nicht (mehr)besteht, weil für die Strommengen keine EEG-Förderung geleistet wurde. In jedem Fall sind die Auswirkungen der EEG-Novelle einer vertieften Prüfung bei der individuellen Vertragsgestaltung zu unterziehen. Hier ist zu erwarten, dass die Vertragsmuster entsprechend angepasst werden.

2.2 Umsetzung neben landesrechtlichen Bestimmungen

Rechtliche Fragen dürften auch in den Bundesländern auftreten, in denen es bereits landesrechtliche Regelungen kommunaler Beteiligung gibt (beispielsweise das BbgWindAbgG in Brandenburg und das BüGembeteilG in Mecklenburg-Vorpommern). In diesen Bundesländern müssen die Verschränkungen der EEG-Novelle mit den bereits bestehenden landesrechtlichen – und zwingenden – kommunalen Beteiligungsvorschriften im Einzelfall und vertieft geprüft werden.

Für weitere Fragen zu den Änderungen durch die EEG-Novelle steht Ihnen das Kompetenzteam Erneuerbare Energien gerne zur Verfügung.

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