Die europäische Kommission hat am 21. April 2021 ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, welches unter anderem einen delegierten Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie umfasst und entsprechende Bewertungskriterien über den Beitrag bestimmter Wirtschaftstätigkeiten zu den Zielen des europäischen Grünen Deals beinhaltet. Was verbirgt sich dahinter?
„Grünes Paket“ aus Brüssel mit ersten Bewertungskriterien für EU-Klimataxonomie auf den Weg gebracht
30. June 2021
Die am 12. Juli 2020 in Kraft getretene Taxonomieverordnung, dessen vollständiger Name „Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088“ ist, soll gewissermaßen Geld in nachhaltige Tätigkeiten lenken. Sie soll ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten schaffen, eine Art „grüne Liste“ also, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können. Dazu werden auch Offenlegungspflichten für Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer festgelegt. Anleger, die umweltfreundliche Projekte investieren wollen, sollen ohne „Greenwashing“ von einer gleichen und verlässlichen Grundlage ausgehen können, Unternehmen sollen bei nachhaltigen Investitionsentscheidungen unterstützt werden.
In Artikel 9 der Taxonomieverordnung sind die sechs Umweltziele der Union niedergelegt: Der Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel, die nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und schließlich der Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. In den Artikeln 10 bis 15 finden sich dann entsprechende Angaben dazu, wann grundsätzlich von einem wesentlichen Beitrag zum jeweiligen Umweltziel gesprochen werden kann. Das ist nach Artikel 3 eines von vier Kriterien für die Beurteilung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist.
In der Taxonomieverordnung wird die Europäische Kommission damit beauftragt, delegierte Rechtsakte mit technischen Bewertungskriterien zu den einzelnen Umweltzielen im Einklang mit Artikel 19 der Taxonomieverordnung zu erlassen, bevor diese ab dem 1. Januar 2022 in Bezug auf die Ziele Klimaschutz (Art. 9 lit. a) und Anpassung an den Klimawandel (Art. 9 lit. b) bzw. ab dem 1. Januar 2023 in Bezug auf die übrigen Umweltziele Anwendung findet. Inhaltlich gilt es die Leistungsanforderungen an eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit zu spezifizieren. Es muss geregelt werden, unter welchen Bedingungen die jeweilige Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines bestimmten Umweltziels leistet und die übrigen Umweltziele nicht erheblich beeinträchtigt.
Am 21. April 2021 hat die Europäische Kommission sodann das eingangs erwähnte Maßnahmenpaket vorgelegt, welches unter anderem den durch Artikel 10 Absatz 3 und Artikel 11 Absatz 3 der Taxonomieverordnung delegierten Rechtsakt enthält. Dieser Rechtsakt, eine Delegierte Verordnung, die ursprünglich noch Ende 2020 verabschiedet werden sollte, nimmt sich den beiden Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel an und legt hierzu in Anhang I (Klimaschutz) bzw. Anhang II (Anpassung an den Klimawandel) umfassende Bewertungskriterien fest. Die Delegierte Verordnung stützt sich auf die Empfehlungen einer 2018 eingesetzten Expertengruppe, in der sowohl private als auch öffentliche Interessenträger vertreten sind. Nach Angaben der Kommission deckt sie wirtschaftliche Tätigkeiten von etwa 40 % der börsennotierten Unternehmen in Sektoren ab, auf welche knapp 80 % der direkten Treibhausgasemissionen in Europa entfallen.
Weil in der Union Gebäude für 40 % des Energieverbrauchs und für 36 % der CO2-Emissionen verantwortlich sind, spielen auch das Baugewerbe und Immobilien in der Delegierten Verordnung eine wichtige Rolle. In Anhang I bzw. II finden sich daher jeweils unter Ziffer 7 technische Bewertungskriterien unter anderem für den Neubau, die Renovierung bestehender Gebäude, die Installation, Wartung und Reparatur verschiedener auf Energieeffizienz ausgerichteter Einrichtungen oder auch für den Erwerb von- und das Eigentum an Gebäuden.
Bei der Errichtung neuer Gebäude mit einer Fläche bis 5000 m2 beispielsweise soll für die Einordnung als wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz unter anderem Voraussetzung sein, dass der Primärenergiebedarf (PEB), mit dem die Gesamtenergieeffizienz des errichteten Gebäudes definiert wird, mindestens 10 % unter dem Schwellenwert liegt, der den europäischen Anforderungen für Niedrigstenenergiegebäude entspricht. Letztere sind in Deutschland in § 10 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) enthalten.
Weitere in den Anhängen der Delegierten Verordnung angesprochene Bereiche sind unter anderem die Forstwirtschaft, das verarbeitende Gewerbe und die Herstellung von Waren, Energie, Verkehr oder die Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen. Der Anhang II (Anpassung an den Klimawandel) thematisiert beispielsweise auch noch die Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Erziehung und Unterricht, das Gesundheits- und Sozialwesen oder auch Kunst, Unterhaltung und Erholung.
Der am 21. April veröffentlichte finale Entwurf wurde am 04. Juni formell angenommen. Die Delegierte Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (die noch aussteht) in Kraft. Gelten soll sie ab dem 1. Januar 2022. Die Europäische Kommission betont allerdings, dass es sich um einen lebendigen Akt handelt, der fortlaufend an neue Entwicklungen und den technischen Fortschritt angepasst wird. Weitere in der Taxonomieverordnung genannte Befugnisübertragungen zum Erlass delegierter Rechtsakte werden, da diesbezüglich andere Fristen gelten, zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Ansprechpartner des Kompetenzteams Green Contracts gerne zur Verfügung.