Lawyers Expertise Events News Career DE
[Translate to English:]

Update Beihilferecht: CISAF ersetzt TCTF – Kommission hält an Verfahrenserleichterungen fest

26. June 2025

Die Europäische Kommission hat am 25. Juni 2025 einen neuen befristeten Rahmen für die Prüfung von Beihilfen in den Bereichen Energie und Transformation angenommen. Der Beihilferahmen für den Deal für eine saubere Industrie (Clean Industrial Deal State Aid Framework, kurz „CISAF“) löst den Befristeten Krisen- und Transformationsrahmen (Temporary Crisis and Transition Framework, kurz „TCTF“) ab und soll bis zum 31. Dezember 2030 gelten.

1. Warum hat die Kommission den Beihilferahmen für den Deal für eine saubere Industrie (CISAF) angenommen?

Mit der Verkündung des EU Green Deals im Dezember 2019 hat sich die Kommission ambitionierte Ziele für die Senkung von Treibhausgasemissionen gesetzt. Diesen Zielen sieht sich die Kommission weiterhin verpflichtet. Seit einiger Zeit rücken jedoch die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und die Förderung der Attraktivität des Binnenmarkts wieder in den Fokus. In diesem Kontext verkündete die Kommission am 25. Februar 2025 den „Clean Industrial Deal“ und schlug darin diverse Maßnahmen vor, z.B. zur Steigerung der Nachfrage nach sauberen Produkten, der Finanzierung der Energiewende und der Verbesserung der Kreislauffähigkeit und des Zugangs zu Rohstoffen.

Der nunmehr angenommene Beihilferahmen für den Deal für eine saubere Industrie (CISAF) ist eine der ersten konkreten Maßnahmen, welche aus dem „Clean Industrial Deal“ hervorgeht. Der CISAF betrifft die sog. notifizierungspflichtigen Beihilfen, d.h. solche Fördermaßnahmen der Mitgliedstaaten, die vorab von der Kommission geprüft und freigegeben werden müssen. Für Beihilfen in spezifischen Anwendungsfällen sieht der CISAF Verfahrenserleichterungen vor. Dies soll es für die Mitgliedstaaten einfacher machen, Beihilfen zu gewähren.

Der CISAF baut dabei maßgeblich auf der bisherigen Entscheidungspraxis der Kommission im Kontext der Vorgängerregelung, dem Befristeten Krisen- und Transformationsrahmen (Temporary Crisis and Transition Framework, kurz TCTF, siehe unser Blogpost, auf.

2. Welche Rolle spielt der CISAF in der Praxis?

Im CISAF legt die Europäische Kommission Kriterien fest, anhand derer sie notifizierungspflichtige Beihilfen der Mitgliedstaaten prüft. Für diese Zwecke gibt sie für verschiedene typische Beihilfekonstellationen einen Kriterienkatalog an die Hand. Erfüllt ein Mitgliedstaat diese Kriterien, kann der Mitgliedstaat davon ausgehen, dass die Europäische Kommission die Beihilfe genehmigen wird. 

Anders als bei der Freistellung nach der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) bleibt es aber dabei, dass die Beihilfen bei der Europäischen Kommission angemeldet werden müssen (sog. Notifizierungsverfahren). Erst nach der Prüfung und Freigabe durch die Europäische Kommission, darf der Mitgliedstaat die Beihilfe gewähren (Art. 108 Abs. 3 AEUV).

Mit anderen Worten: Zwar ist weiterhin eine enge Abstimmung zwischen dem Beihilfegeber (in Deutschland die Bundesregierung, Bundesländer oder Kommunen) und den Beihilfeempfängern bei Gestaltung der Beihilfe erforderlich. Passt die Beihilfe jedoch ins Schema des CISAF, so kommt eine Beihilfe nach ihrer Anmeldung bei der Europäischen Kommission auf die Überholspur und ihre Genehmigung kann innerhalb weniger Wochen erwartet werden. Dies gibt insbesondere den Beihilfeempfängern Planungssicherheit und soll zum Bürokratieabbau beitragen.

3. Welche Sektoren können vom CISAF profitieren?

Wie bereits die Vorgängerregelung, der Befristete Krisen- und Transformationsrahmen (Temporary Crisis and Transition Framework, kurz TCTF, siehe unser Blogpost, beschränkt sich der Anwendungsbereich des CISAF auf Beihilfen zur Beschleunigung von Investitionen in Schlüsselsektoren für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft:

  • Beihilfen zur Beschleunigung des Ausbaus sauberer Energien und zur Unterstützung für Stromkosten im Einklang mit den Zielen des Green Industrial Deals,
  • Beihilfen für die Dekarbonisierung der Industrie,
  • Beihilfen zur Gewährleistung ausreichender Fertigungskapazitäten für saubere Technologien,
  • Beihilfen zur Förderung spezifischer Innovationsvorhaben (also Vorhaben, die im Kontext des Innovation Fund positiv evaluiert worden sind),
  • Beihilfen zur Verringerung der Risiken privater Investitionen im Zusammenhang mit den Zielen des Green Industrial Deals.

 

4. Welche Fördermöglichkeiten auf Basis des TCTF laufen aus?

Der Befristete Krisen- und Transformationsrahmen war im Ausgangspunkt eine Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine und umfasste daher auch Konstellationen, welche primär der Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs für den EU-Binnenmarkt betrafen. Diese Maßnahmen waren ohnehin bereits zum 31. Dezember 2023 bzw. 30. Juni 2024 ausgelaufen. 

Übrig geblieben und bis zum 31. Dezember 2025 befristet waren die folgenden Kategorien von Beihilfen:

  • Beihilfen zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Energiespeicherung mit Blick auf REPowerEU,
  • Beihilfen für die Dekarbonisierung industrieller Produktionsprozesse durch Elektrifizierung und/oder Nutzung von bestimmte Voraussetzungen erfüllendem erneuerbarem und strombasiertem Wasserstoff sowie für Energieeffizienzmaßnahmen,
  • Beihilfen für die Beschleunigung von Investitionen in Sektoren, die für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft von strategischer Bedeutung sind.

Diese Anwendungsfälle finden sich im Wesentlichen im CISAF wieder (siehe 3.). 

5. Was ist mit Beihilfen im Bereich Energie und Dekarbonisierung, die nicht den Kriterien des CISAF entsprechen?

Erfüllt ein Mitgliedstaat nicht die Kriterien des CISAF bedeutet das nicht, dass die Mitgliedstaaten solche Beihilfen nicht mehr gewähren können. Jedoch gilt für diese Beihilfen nicht die „Überholspur“ des CISAF, sondern die angemeldeten Beihilfen werden „klassisch“ am Maßstab der Leitlinien für Klima-, Umweltschutz und Energiebeihilfen (kurz „KUEBLL“ oder „CEEAG“, siehe unser Blogpost und des Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV im regulären Notifizierungsverfahren geprüft. Das Notifizierungsverfahren kann sich in diesen Fällen in die Länge ziehen, sodass für Beihilfegeber und -empfänger weniger Planungssicherheit besteht.

6. Was folgt daraus für die Förderung der „sauberen Industrie“ in Deutschland?

Die Bundesrepublik Deutschland und andere potenziellen Beihilfegeber (z.B. Bundesländer und Kommunen) haben die Möglichkeit, von den Vorteilen des CISAF zu profitieren, indem sie Beihilfen entsprechend den CISAF-Kriterien gestalten. Die Vorgängerregelung des TCTF wurden von Deutschland wie auch anderen Mitgliedstaaten bereits positiv wahrgenommen. Mit den CISAF hat die Europäische Kommission für mehr Planungssicherheit für die kommenden fünf Jahre gesorgt, sodass es nun an den Mitgliedstaaten liegt, die für die Förderung der „sauberen Industrie“ erforderlichen Mittel aufzutreiben und einzusetzen.

#beihilferecht_kapellmann

Wir beraten Unternehmen, Verbände und öffentliche Institutionen in allen Fragen des EU-Beihilferechts – präventiv und in Verfahren vor der Europäischen Kommission und der EU-Gerichtsbarkeit. Mehr hier.

Führende Kanzlei für Beihilferecht

Spezialisiertes Team auf dem Gebiet des EU-Beihilfenrechts mit Sitz u.a. in Brüssel und dementsprechend großer Erfahrung im Umgang mit den dort ansässigen EU-Institutionen. Gutes Verständnis für die kommunalen Bedürfnisse

Sehr kompetente Beratung im EU-Beihilfenrecht durch Christian Wagner und Valentine Lemonnier. Sehr persönliche Ansprache und hohe Reaktionsgeschwindigkeit

große Erfahrung durch regelmäßige Beratung von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen

Legal 500 Deutschland 2025

Back

Authors

Folgende Themen könnten Sie auch interessieren

Lawyers Expertise Events News Offices Career Publications About Kapellmann Sustainability