Das EU-Parlament hat in der vergangenen Woche die Neufassung der „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie bzw. EPBD) beschlossen. Über die wesentlichen Eckpunkte der Richtlinie hat Kapellmann | green contracts bereits berichtet hier.
Mit der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie soll den Vereinbarungen im „Pariser Klimaabkommen“ von 2015, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, im Rahmen des europäischen „Green Deal“ Rechnung getragen werden.
Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen werden stärker in den Blick genommen
Bislang wenig Beachtung fand dabei die Regelung, wonach zukünftig bei Neubauten ein stärkerer Fokus auf den THG-Emissionen im gesamten Lebenszyklus liegen wird. Das Treibhauspotenzial gibt Aufschluss darüber, inwieweit ein Gebäude mit seinen Emissionen insgesamt zum Klimawandel beiträgt. Dabei werden „graue“ Treibhausgasemissionen in Bauprodukten sowie direkte und indirekte Emissionen aus der Nutzungsphase gleichermaßen in den Blick genommen. Aktuell entfallen in der EU 40 % des Endenergieverbrauchs und 36 % der energiebedingten THG-Emissionen auf den Gebäudesektor. Dabei spielt Erdgas mit ca. 39 % bei der Beheizung von Wohngebäuden die größte Rolle, gefolgt von Öl mit 11 %, während der Anteil von Kohle (immer noch) bei etwa 3 % liegt. In Deutschland entfallen ca. 33 % der nationalen THG-Emissionen auf die Nutzung und den Betrieb von Wohn- und Nichtwohngebäuden. Hier will die EU nun stärker regulierend eingreifen.
Nach Art. 7 Abs. 2 der neuen EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie haben die Mitgliedsstaaten nunmehr sicherzustellen, dass ab 2028 für alle Neubauten ab 1.000 m² Nutzfläche (ab 2030 gilt dies für alle Neubauten) das Lebenszyklus-Treibhauspotenzial des Gebäudes im Energieausweis angegeben wird. Damit wird die Erstellung einer Ökobilanz bzw. LCA-Berechnung für alle Neubauten verpflichtend. Die Bewertung von THG-Emissionen mittels einer Ökobilanz und Ansatzes eines „CO2-Schattenpreises“ spielt allerdings schon heute eine immer größere Rolle, sei es im Rahmen von öffentlichen Vergabeverfahren oder Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen (vgl. § 4 Abs. 4 AVV Klima, § 8 KlimaG BW).
Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten angehalten, bis zum 1. Januar 2027 Grenzwerte für das gesamte kumulative Lebenszyklus-Treibhausgaspotenzial aller neuen Gebäude – differenzierend nach Klimazonen und Gebäudetypologien - einzuführen und Zielvorgaben für neue Gebäude ab 2030 festzulegen.
Was ist eine Ökobilanz (LCA)?
Die Ökobilanz gewinnt somit bei der Planung und Ausführung von Bauleistungen weiter an Bedeutung. Mittels einer Ökobilanz (Life Cycle Assessment = LCA) wird das Lebenszyklus-Treibhausgaspotenzial, ausgedrückt in kg CO2eq/m² Nutzfläche, für jede Lebenszyklusphase des Gebäudes („von der Wiege bis zur Bahre“) über einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren ermittelt. Mit der Ökobilanz lassen sich somit u.a. umweltfreundlichere Herstellungsverfahren oder Bauprodukte identifizieren. Der „CO2-Fußabdruck“ des Gebäudes wird nach der einheitlichen Berechnungsmethode der DIN 15978 „Nachhaltigkeit von Bauwerken - Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden“ ermittelt. Die hierfür erforderlichen Daten der verwendeten Baumaterialien stammen i.d.R. aus frei verfügbaren Datenbanken wie beispielsweise der ÖKOBAUDAT bzw. aus Typ-III-Umweltdeklarationen (EPD) nach DIN EN ISO 14025 der jeweiligen Hersteller in der Lieferkette. Bislang gibt es in der ÖKOBAUDAT ca. 1.400 Datensätze für Bauprodukte, Tendenz steigend.
Weiteren Auftrieb wird das Thema durch die parallele Novellierung der EU-Bauprodukteverordnung (CPR – Construction Products Regulation) bekommen. Hervorzuheben ist hier zum einen, dass nach dem derzeitigen Richtlinien-Entwurf die Kommission ermächtigt werden soll, verbindliche Mindestanforderungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Förderung einer „grünen“ Beschaffung festzulegen. Dadurch sollen Anreize für das Angebot von und die Nachfrage nach ökologisch nachhaltigen Produkten geschaffen werden. Maßgebliches Steuerungsinstrument wird auch hier die Ökobilanzierung werden. Zum anderen sollen die produktspezifischen Angaben zu den Umweltwirkungen mittels EPDs ab 2027 für Hersteller verpflichtend werden. Dadurch wird insbesondere auch die Anwendung der ÖKOBAUDAT qualitativ gestärkt, da mehr produktspezifische Datensätze hinterlegt werden können.
Öffentliche Auftraggeber, Planer und Baufirmen werden somit nicht umhinkommen, sich mit der Ermittlung von THG-Emissionen bzw. der Ökobilanzierung von Gebäuden oder Bauleistungen im gesamten Lebenszyklus vertiefter auseinanderzusetzen und eigene Kompetenzen aufzubauen.
Bei Fragen zum Thema, insbesondere zum Einsatz einer Ökobilanz bzw. eines CO2-Schattenpreises im Vergabeverfahren, stehen Ihnen unsere Ansprechpartner des Kompetenzteams Green Contracts gerne zur Verfügung.