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Blogreihe "Wasserstoff aktuell": Bauleitplanung und Genehmigung von Elektrolyseuren

09. February 2022

Im dritten Teil unserer Kapellmann Blogreihe „Wasserstoff aktuell“ erläutern wir bauplanungs- und genehmigungsrechtlichen Fragestellungen bei der Errichtung und dem Betrieb von Elektrolyseuren zur Wasserstoffherstellung.

Die Bundesregierung verfolgt in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie u.a. das Ziel, Wasserstoff als alternative Option zu fossilen Energieträgern zu etablieren. Grundvoraussetzung hierfür ist die Herstellung von Wasserstoff in ausreichenden Mengen. Hierfür bedarf es einer flächendeckenden Verfügbarkeit von Elektrolyseuren, also von Anlagen, die unter Einsatz elektrischer Energie Wasser in seine chemischen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Es stellt sich daher die Frage, welche rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Planung und Genehmigung solcher Anlagen zu beachten sind. Die wesentlichen Themenbereiche haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.

1. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Elektrolyseuren

Vor der Frage, welches Genehmigungsverfahren für Elektrolyseure einschlägig ist, stellt sich die Frage, wo solche Anlagen planungsrechtlich überhaupt errichtet werden dürfen. Die Anlagen können entweder im Außenbereich als privilegiertes Vorhaben zulässig sein oder durch die Aufstellung eines Bebauungsplans zugelassen werden.

1.1 Zulässigkeit von Elektrolyseuren im Außenbereich

Elektrolyseure sind nicht ausdrücklich als privilegierte Vorhaben in § 35 Abs. 1 BauGB genannt. Möglich erscheint dennoch eine Privilegierung als Vorhaben, das der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) oder als Vorhaben, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB). Einzelfragen hierzu sind jedoch noch nicht abschließend geklärt, die behördliche Praxis ist dementsprechend uneinheitlich. 

1.1.1 Versorgungsprivileg gem. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB

Die Zulässigkeit eines Elektrolyseurs kann im Einzelfall auf § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gestützt werden. Danach ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn es der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient. Sofern der in der Elektrolyseanlage erzeugte Wasserstoff in ein vorhandenes Erdgasnetz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird, kann die Anlage deswegen im Einzelfall als der öffentlichen Versorgung mit Gas dienend angesehen werden.

Jedoch gilt für die von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB erfassten Anlagen das (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal der Ortsgebundenheit. Die Ortsgebundenheit verlangt, dass die Anlage nach ihrem Gegenstand und Wesen ausschließlich an der fraglichen Stelle betrieben werden kann bzw. ein Ausweichen auf einen alternativen Innenbereichsstandort unzumutbar ist. In Bezug auf Elektrolyseanlagen ist daher eine relative Nähe zu den Stromerzeugungsanlagen bzw. zu Speicheranlagen, in denen der Strom zunächst zwischengespeichert wird,  zwingend erforderlich, um die Anlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zu privilegieren.

1.1.2 Windenergieprivileg gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB

Darüber hinaus kann sich eine Privilegierung aus § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ergeben. Danach sind Vorhaben privilegiert, wenn sie der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen.  Diese Voraussetzungen können erfüllt sein, sofern das Betriebskonzept des Elektrolyseurs eine physikalische Versorgung durch einen in unmittelbarer Nähe befindlichen Windpark vorsieht und dabei gleichzeitig auf die systemdienliche Aufnahme von Erzeugungsüberkapazitäten im Windpark ausgerichtet ist.

1.1.3 Privilegierung als untergeordnete Nebenanlage

Eine Privilegierung kann zudem als untergeordnete Nebenanlage von einer privilegierten Hauptanlage abgeleitet werden. Nebenanlagen in diesem Sinn sind solche Anlagen, die sich räumlich und funktional der privilegierten Anlage unterordnen und dieser dienen. Sofern ein Elektrolyseur ausschließlich zur Versorgung der Hauptanlage mit Wasserstoff gedacht ist, könnte darin im Einzelfall eine solche Nebenanlage gesehen werden.

1.2 Zulässigkeit von Elektrolyseuren durch Bauleitplanung

Erfüllt eine Elektrolyseanlage nicht die Voraussetzungen einer Privilegierung, ist die Zulassung von der Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans abhängig. Hierfür kommen zum einen Festsetzungen als Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO oder als Industriegebiet gem. § 9 BauNVO in Frage. Die Wasserstofferzeugung wird in der Regel gewerblich erfolgen. Zum anderen kann die Zulässigkeit von Elektrolyseuren durch die Ausweisung von Sondergebieten für Erneuerbare-Energien-Anlagen oder für die Wasserstofferzeugung gem. § 11 BauNVO festgesetzt werden. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, eine Elektrolyseanlage als Nebenanlage nach § 14 BauNVO zuzulassen, sofern diese dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und seiner Eigenart nicht widersprechen.

2. Genehmigung für Elektrolyseure

Neben der planungsrechtlichen Zulässigkeit stellt sich die Frage, ob die Errichtung und der Betrieb von Elektrolyseuren einer Baugenehmigung, einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung oder gar eines Planfeststellungsverfahrens bedarf.

2.1 Immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht

In der Praxis erfolgt die Zulassungsentscheidung für die Errichtung von Elektrolyseuren in den meisten Fällen im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Ob Elektrolyseure tatsächlich der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG unterliegen, ist jedoch im Einzelnen umstritten.

2.1.1 Elektrolyseur als Anlage nach Nr. 4.1.12 des Anhang 1 der 4. BImSchV

Gem. Nr. 4.1.12 des Anhang 1 der 4. BImSchV unterliegen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht

Anlagen zur Herstellung von Stoffen oder Stoffgruppen durch chemische, biochemische oder biologische Umwandlung in industriellem Umfang, ausgenommen Anlagen zur Erzeugung oder Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe, zur Herstellung von Gasen wie u.a. Wasserstoff

Der Ausschuss Anlagenbezogener Immissionsschutz / Störfallvorsorge (AISV) des LAI hat in seiner 139. Sitzung vom 4. bis 6. Juli 2017 beschlossen, Elektrolyseanlagen zur Herstellung von Wasserstoff der Nr. 4.1.12 des Anhangs 1 der 4. BImSchV zuzuordnen. Die behördliche Praxis geht deswegen in der Regel davon aus, dass diese Anlagen in einem förmlichen Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt werden müssen. Darüber hinaus ergibt sich aus dieser Zuordnung, dass es sich bei solchen Anlagen um eine Industrieemissionsanlage (IE-Anlage) handelt. Aus dieser Einstufung resultieren etwa besondere Überwachungsverpflichtungen gem. § 52a BImSchG und die Umsetzung der besten verfügbaren Techniken (BVT). Mit dieser Einstufung geht weiter einher, dass gem. Nr. 4.2 der Anlage 1 des UVPG die Pflicht zur Vornahme einer Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflicht gem. § 7 Abs. 1 UVPG zu erfolgen hat. Die Einschätzung des LAI ist für Gerichte jedoch nicht bindend.

Diese Vorgehensweise stößt jedoch auf Kritik. Denn die o.g. Definition trifft aus mehreren Gesichtspunkten nicht auf die Erzeugung von Wasserstoff in Elektrolyseanlagen zu.

  • Zweifel weckt bereits Überschrift der Katalogziffer 4: „Chemische Erzeugnisse, Arzneimittel, Mineralölraffination und Weiterverarbeitung“. Daraus lässt sich schließen, dass hiervon gerade die klassische chemische Erzeugung von Stoffen gemeint sein soll, worunter die Wasserstofferzeugung in einzelnen Elektrolyseuren wohl eher nicht zu fassen ist.
  • Die Elektrolyse beschreibt auch keine chemische, biochemische oder biologische Umwandlung. Die Erzeugung von Wasserstoff erfolgt vielmehr durch elektrolytische Umwandlung. Nachdem diese in Nr. 3.3 des Anhang 1 der 4. BImSchV ausdrücklich von der chemischen Umwandlung unterschieden wird, kann dieser Vorgang nicht ohne weiteres in die Nr. 4.1.12 hineingelesen werden.
  • Weiter spricht der Wortlaut von Anlagen zur Herstellung von Stoffen oder Stoffgruppen zur Herstellung von Gasen. Ein Elektrolyseur beschreibt allerdings eine Anlage, die direkt das Gas, also den Wasserstoff herstellt, ohne dass ein weiterer Stoff als Zwischenprodukt erforderlich ist.
  • Darüber hinaus setzt eine Genehmigungspflicht nach Nr. 4.1.12 die Herstellung in industriellem Umfang voraus. Hierfür werden laut einschlägiger Auslegungshilfen, wie den Erläuterungen der Industrieemissionen-Richtlinie 2010/75/EU oder des LAI 1989, regelmäßig mehrere verbundene Produktionsabläufe vorausgesetzt, wofür in der Regel Nebeneinrichtungen erforderlich sind. Beide Erfordernisse treffen auf die Wasserstoffherstellung in einem Elektrolyseur regelmäßig nicht zu.
  • Außerdem spricht die automatische Einordnung als Anlage gem. Art. 10 IE-RL gegen die Zuordnung von Elektrolyseuren zu Anlagen i.S.d. Nr. 4.1.12. Solche Anlagen gelten als besonders emittierend bzw. umweltverschmutzend. Die Wasserstoffproduktion durch eine Elektrolyseanlage erfolgt hingegen ohne die Absonderung von CO2 und soll insgesamt zu einer Verminderung von Emissionen führen. Eine Einstufung als IE-Anlage ist folglich widersprüchlich.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Begründung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht  von Elektrolyseuren aufgrund von Nr. 4.1.12 der Anlage 1 der 4. BImSchV nicht stimmig erscheint. Hier wäre eine Klärung durch den Verordnungsgeber sinnvoll.

2.1.2 Elektrolyseur als Anlage nach Nr. 1.15 des Anhang 1 der 4. BImSchV

Ebenso verhält es sich mit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht auf Grundlage von Nr. 1.15 des Anhang 1 der 4. BImSchV. Demnach unterliegen Anlagen zur Erzeugung von Biogas, soweit nicht von Nummer 8.6 erfasst, mit einer Produktionskapazität von 1,2 Million Normkubikmetern je Jahr Rohgas oder mehr der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht.

Es wird diskutiert, ob Wasserstoff unter den Begriff Biogas gefasst werden kann. Diese Zuordnung scheint jedoch problematisch, da der Begriff Wasserstoff an anderer Stelle in der 4. BImSchV ausdrücklich erwähnt wird und nicht ersichtlich ist, weshalb dieser in Nr. 1.15 von einem Überbegriff mitumfasst sein soll.

Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Anhang 1 der 4. BImSchV im Wege der Analogie vermag ebenso wenig eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht zu begründen. Der Katalog in Anhang 1 ist abschließend und damit nicht analogiefähig.

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass die Praxis zwar derzeit von einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht von Elektrolyseanlagen ausgeht, die rechtlichen Grundlagen hierfür allerdings bislang zweifelhaft sind. Zur Behebung dieser Unsicherheit wäre wünschenswert, sofern vom Verordnungsgeber tatsächlich eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit gewollt ist, den Anlagenkatalog in Anhang 1 der 4. BImSchV durch die Aufnahme von Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff durch elektrolytische Umwandlung zu erweitern.

Solange diese Erweiterung nicht vorgenommen wurde, wäre folglich eine einfache Baugenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von Elektrolyseanlagen ausreichend. Die Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Pflichten ist in diesem Fall durch § 22 BImSchG gewährleistet.

2.2 Planfeststellung

Elektrolyseanlagen können zudem durch ein Planfeststellungsverfahren zugelassen werden, sofern dies der Vorhabenträger beantragt. Gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 7 EnWG kann die Errichtung und der Betrieb einer Energiekopplungsanlage auf Antrag des Vorhabenträgers durch Planfeststellung zugelassen werden. Unter Begriff Energiekopplungsanlagen fallen auch sog. „Power-to-X“-Anlagen, d.h. Anlagen zur Umwandlung von Strom in einen anderen Energieträger (z.B. Wasserstoff), und damit auch Elektrolyseanlagen.

Die fakultative Planfeststellung nach § 43 Abs. 2 Nr. 7 EnWG bietet dem Vorhabenträger nicht nur Flexibilität hinsichtlich der Wahl des Zulassungsverfahrens, sondern auch die Möglichkeit, von der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 44 b EnWG oder einer Enteignung nach § 45 EnWG Gebrauch machen zu können.

Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Ansprechpartner des Kompetenzteams Erneuerbare Energien und des Kompetenzteams Green Contracts gerne zur Verfügung.

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