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Referentenentwurf zum Vergabebeschleunigungsgesetz: Was wird die Reform bringen? Eine Übersicht über die wesentlichen aktuell vorgesehenen Inhalte

29. July 2025

Nachdem der von der alten Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Vergabetransformationsgesetzes aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr verabschiedet werden konnte, hat das Bundeswirtschaftsministerium in der vergangenen Woche den Referentenentwurf für das sog. Vergabebeschleunigungsgesetz veröffentlicht, der nach eigenen Angaben allerdings im Ressortkreis noch nicht final abgestimmt ist. 

Das geplante Gesetz ist Bestandteil des sog. Sofortprogramms der Bundesregierung und sieht verschiedene Gesetzesänderungen für Beschaffungen vor, die wertmäßige die EU-Schwellenwerte überschreiten und damit in die Gesetzgebungskompetenz des Bund fallen. 

Unter den verschiedenen vorgesehenen Änderungen, welche im Wesentlichen eine einfachere, schnellere und flexiblere öffentliche Beschaffung ermöglich sollen, sind insbesondere folgende hervorzuheben: 

  • Losvergabe, § 97 Abs. 4 GWB: Hier bleibt der Entwurf hinter dem Gesetzentwurf der Ampelkoalition zurück. Dieser sah noch eine für alle Auftraggeber und alle Aufträge greifende Erweiterung der Rechtfertigungsmöglichkeit einer Gesamtvergabe um zeitliche Gründe und eine Reduktion des Begründungsmaßstabes („rechtfertigen“ anstatt „erfordern“) vor. Die nunmehr vorgesehene Änderung erweitert die Vorschrift lediglich um einen zusätzlichen Sondertatbestand. Danach soll eine Gesamtvergabe mehrerer Teil- oder Fachlose auch dann zulässig sein, „wenn die Realisierung dringlicher, aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ finanzierter Infrastrukturvorhaben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte nach § 106 Absatz 2 GWB um das Zweieinhalbfache übersteigt, dies erfordert“.  Nach der vorgesehenen Gesetzesbegründung soll zukünftig auch bei Vorliegen von besonderen zeitlichen Gründen (Dringlichkeit) eine Ausnahme vom Losgrundsatz möglich sein, wenn dessen Anwendung die schnelle Realisierung von Infrastrukturvorhaben mit Mitteln aus dem Sondervermögen „nachweislich“ verhindern würde.
  • Bieter aus Drittstaaten, § 97 Abs. 2 GWB: Es soll vor dem Hintergrund aktueller EuGH-Rechtsprechung klargestellt werden, dass eine Ungleichbehandlung von Bietern auch zulässig ist, wenn diese unionsrechtlich geboten oder gestattet ist. Dies ist bei Bietern aus Drittstaaten, also solchen, mit denen die Union kein gemeinsames Beschaffungsabkommen unterhält, der Fall. 
  • Öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit, § 108 GWB: Der Referentenentwurf beinhaltet insbesondere Konkretisierungen der bisherigen Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit, insbesondere die In-House-Vergabe. So wird etwa das Tatbestandsmerkmal der Betrauung, welches eine große Rechtsunsicherheit auslöst, in § 108 Abs. 7 GWB definiert. 
  • Die Bundesregierung soll ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung verpflichtende Anforderungen an die Beschaffung von klimafreundlichen Leistungen zu regeln.
  • Leistungsbeschreibung, § 121 GWB: Bisher wird eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung gefordert. Der Begriff „erschöpfend“ soll nunmehr entfallen. Die Streichung soll Auftraggeber ermutigen, vermehrt funktionale Leistungsbeschreibungen bzw. Funktionsanforderungen zu nutzen.
  • Eignungsnachweis/Eigenerklärungen, § 122 Abs. 3 GWB: Im GWB soll für alle Auftragsarten klargestellt werden, dass der Nachweis der Eignung grundsätzlich durch Eigenerklärungen erfolgen soll. Darüber hinausgehende Unterlagen sollen nur von aussichtsreichen Bewerbern oder Bietern verlangt werden. Eine entsprechende Regelung findet sich bislang nur für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen in § 48 VgV. Dort soll sie gestrichen und stattdessen klargestellt werden, dass Fremdbescheinigungen erst nach vorläufiger Prüfung der Teilnahmeanträge/ Angebote anzufordern sind und bei nicht fristgerechter Vorlage nachgefordert werden können.  Weiter soll § 48 Abs. 1 VgV um die Regelung ergänzt werden, dass in der Bekanntmachung zukünftig auch angegeben werden muss, zu welchem Zeitpunkt welche Eignungsnachweise vorgelegt werden müssen. Die in § 56 VgV zum Umgang mit Fällen von im Angebot fehlenden, unvollständigen oder fehlerhaften Unterlagen enthaltene Differenzierung zwischen unternehmensbezogenen und leistungsbezogenen Unterlagen soll gestrichen werden. 
  • Vorherige Schlechtleistung, § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB: Dieser in der Praxis häufig anzutreffende fakultative Ausschlussgrund wurde von der Rechtsprechung in der Vergangenheit vielfach sehr streng zu Ungunsten des öffentlichen Auftraggebers ausgelegt und angewandt. Mit der Neufassung soll die Darlegungslast des öffentlichen Auftraggebers für das Vorliegen einer erheblichen oder fortdauernd mangelhaften Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren öffentlichen Auftrags gelockert werden.
  • Keine zwingende Nichtigkeit bei de-facto-Vergabe, § 135 Abs. 4 GWB: Die bislang in § 135 Abs. 1 GWB vorgesehene Feststellung der Unwirksamkeit eines insbesondere ohne gebotenen transparenten Wettbewerb direkt vergebenen Auftrages wird gelockert. Von einer entsprechenden Feststellung kann abgesehen werden, „wenn zwingende Gründe eines Allgemeininteresses es ausnahmsweise rechtfertigen, die Wirkung des Vertrages zu erhalten“. Der Referentenentwurf sieht alternative Sanktionen für diesen Fall vor.
  • Nachprüfungsverfahren: Es sind verschiedene Anpassungen zum Verfahren vor der Vergabekammer und dem Vergabesenat vorgesehen. So soll die Vergabekammer in bestimmten Fällen allein durch den Vorsitzenden oder den hauptamtlichen Beisitzer entscheiden dürfen. Mitglieder einer Vergabekammer sollen gegenüber dem Dienstherrn außerdem nur bei vorsätzlicher Amtspflichtverletzung haften. Weitere Erleichterungen sollen sich dadurch ergeben, dass das Nachprüfungsverfahren zukünftig auch ausschließlich auf elektronischem Weg eingeleitet und geführt werden darf. Insbesondere sollen auch Videoverhandlungen ermöglicht werden. Außerdem soll die Vergabekammer auch ohne Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, soweit dies der Beschleunigung dient und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. 

Eine massive Veränderung sieht der Referentenentwurf dadurch vor, dass das aktuell mit der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens begründete gesetzliche Zuschlagsverbot mit einer Ablehnung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer zukünftig sofort entfallen soll und der Auftraggeber in der Konsequenz unmittelbar nachfolgend das Vergabeverfahren wirksam mit einer Zuschlagserteilung abschließen kann. Die bislang vorgesehene zeitlich befristet aufschiebende Wirkung einer sofortigen Beschwerde sowie die Möglichkeit einer Verlängerung dieser aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde sollen ersatzlos gestrichen werden. Eine solche Gesetzesänderung könnte zwar zur Vergabebeschleunigung beitragen, den gebotenen Rechtschutz aber massiv einschränken bzw. auf die Feststellung einer Rechtsverletzung als Grundlage für die Geltendmachung von Schadensersatz reduzieren. 

Wir sehen an dieser Stelle von einer Bewertung der aktuell vorgesehenen Änderungen ab, halten Sie über weitere Entwicklungen, insbesondere den weiteren Gang des Gesetzgebungsprozesses aber gerne auf dem Laufenden und stellen die sich für Auftraggeber und Bewerber/Bieter resultierenden Folgen für Sie zusammen.

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