In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die Abwicklung von Bau- und Immobilienprojekten erheblich geändert. Die Komplexität des Bauens hat mehr und mehr zugenommen, nicht zuletzt aufgrund immer höherer Nachhaltigkeits- und Klimaschutzanforderungen. Wer ein Bauprojekte realisieren will, sieht sich mit einer Unzahl nationaler und europäischer rechtlicher und technischer Regelungen konfrontiert. Diverse Krisen und ihre Folgen (wie etwa Störungen der Lieferketten) haben die hieraus resultierenden Schwierigkeiten zusätzlich verschärft. Der Fachkräftemangel macht allen Marktteilnehmern zusätzlich zu schaffen. Das alles trägt in erheblichem Maße dazu bei, dass die Realisierung insbesondere größerer Bauvorhaben mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.
Vor diesem Hintergrund suchen gerade die Auftraggeber nach geeigneten Projektrealisierungsstrategien. Es erscheint mehr denn je ungeeignet, eine Strategie zu verfolgen, bei der nach dem Vorliegen erster Vergabeergebnisse (allein um Kosten zu sparen) die Planung noch einmal neu ausgerichtet werden muss.
Kapellmann und Partner hat gemeinsam mit RKW Architektur + ein alternatives Projektabwicklungsmodell entwickelt: Define ↦ Deliver
Im Ergebnis ist Define ↦ Deliver
eine Standardvertragslösung,
die bekannte Schlüsselfertigkonzepte unter den heutigen Marktbedingungen weiterentwickelt,
hierbei das Auftragnehmer-Know-how frühzeitig einbindet und
besonders geeignet ist für die Welt des industriellen Bauens,
wobei der Beauftragungs- und Abwicklungsprozess konsequent digitalisiert wird.
Aufbauend auf den Elementen bekannter und langjährig bewährter Totalunternehmervergaben soll der Auftraggeber zu einem frühzeitigen „Loslassen“ angehalten werden. Der Auftragnehmer soll als „Projektablieferer“ auftreten. Das spiegelt sich im Begriff „Define ↦ Deliver“.
Letztlich zeichnet sich Define ↦ Deliver aus durch
eine produktorientierte Beschaffung und frühes Loslassen des Auftraggebers, teilweise kombiniert mit einem Vorziehen und im Übrigen Delegieren von Entscheidungsprozessen.
die Vermeidung von Doppelarbeit und zeitraubenden Bearbeitungsschleifen, wie sie bei klassische Projektabwicklungen unvermeidbar sind.
den frühzeitigen Transfer von Planungsaufgaben auf die Auftragnehmerseite und die frühzeitige Einbindung von Auftragnehmer-Know-how infolge der Verhandlungen über digitale Auftragnehmergebäudemodelle.
eine konsequente Digitalisierungsstrategie.
Den Auftragnehmern erleichtert Define ↦ Deliver hierdurch den Einsatz von standardisierten Produkten und Prozessen. Aufgrund der unterbleibenden Eingriffe des Auftraggebers im Rahmen des baulichen Herstellungsprozesses soll zudem der Aufwand für das Management der Nachunternehmer und Lieferanten reduziert werden.
Define ↦ Deliver sieht zwei mögliche Planungsschnittstellen vor, nämlich einmal nach der sog. LP 1+. Hierbei ist Ausschreibungsgrundlage das Datenmodell einer Funktionalleistungsbeschreibung, visualisiert durch ein digitales Raumbuch (Variante A). Alternativ kann auf Basis eines vom Generalplaner erstellten modellbasierten Entwurfsplanungsstands (sog. LP 2+) ausgeschrieben werden (Variante B):
Wie jede Projektrealisierungstrategie, ist auch Define ↦ Deliver nicht für jede Projekttypologie gleichermaßen geeignet. Zur Anwendung eignen sich vor allem größerer Hochbau- und Industriebauprojekte mit klarem Anforderungsprofil und begrenztem Änderungsbedarf. Zudem ist Define ↦ Deliver besonders geeignet, wenn auf Auftraggeberseite nur begrenzte Ressourcen für Projektleitung und -steuerung zur Verfügung stehen und ein Projekt mit festem Budget und anspruchsvollen Terminzielen realisiert werden soll. Alle Projektbeteiligten sollten Digitalisierungserfahrung haben. Gerade für Projekte mit hohem Änderungsbedarf (etwa aufgrund nachlaufender Nutzerintegration) oder wenn das Genehmigungsverfahren voraussichtlich besonders komplex ist, eignen sich andere Projektrealisierungstrategien sicherlich besser.