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Doppelnutzung von Windvorranggebieten mit PV-Anlagen: Chance oder rechtliches Risiko?

18. July 2025

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist der Grundstein der Energiewende.  Gerade die Windenergie ist hierbei von zentraler Bedeutung. Zur ausreichenden Bereitstellung von Flächen für die Windenergie wurde zuletzt die verpflichtende Ausweisung von Windenergiegebieten im WindBG geregelt. Diese erfolgt in den meisten Bundesländern über die Festsetzung von (Wind-) Vorranggebieten im Regionalplan. In der Praxis wird vermehrt der Wunsch geäußert, diese Flächen optimal auszunutzen, indem zusätzlich zu Wind eine Doppelnutzung mit PV ermöglicht wird. Daher stellt sich die Frage, ob aus rechtlicher Sicht innerhalb von Windvorranggebieten auch PV-Anlagen realisiert werden können.  

Solche Vorranggebiete sind grundsätzlich für die Errichtung von Windenergieanlagen „reserviert“. Die Doppelnutzung dieser Flächen hat aber Vorteile: Zum einen können Synergieeffekten (z. B. Nutzung von gemeinsamer Infrastruktur) generiert werden. Zum anderen bringt auch die Forderung nach einer flächenschonenden Konzentration von Energienutzungen solche Überlegungen in den Vordergrund. 

Die optimale Flächenausnutzung ist auch ein Anliegen des Gesetzgebers, wie die bereits beschlossene Umsetzung der RED III zeigt. Nach dem neuen § 7 Abs. 1 S. 2 ROG kann in Regionalplänen festgelegt werden, dass bestimmte Flächen inklusive Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für mehrere miteinander vereinbare Nutzungen vorgesehen werden (Mehrfachnutzung). Wie gestaltet sich aber die Rechtslage, wenn eine entsprechende Mehrfachnutzung nicht bereits im Regionalplan angelegt ist?

Ausgangslage: Windvorranggebiete und neue Nutzungsinteressen

Im Zentrum steht vorliegend die Frage, ob in einem durch Regionalplan als Vorranggebiet für Windenergie ausgewiesenem Areal auch PV-Anlagen zulässig sein können. Dies betrifft vor allem großflächige Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FFPV), die aufgrund ihrer Größe in aller Regel raumbedeutsam sind. Grundsätzlich ist in solchen Vorranggebieten anderen Nutzungen der Raum verwehrt – es sei denn, diese sind mit der Windenergienutzung vereinbar.

Rechtlicher Rahmen: Regionalplanerische Vorranggebiete

Die Festlegung von Flächen für die Windenergienutzung in Regionalplänen erfolgt in der Regel durch die Ausweisung von Vorranggebieten. Dies sind Gebiete, die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind. Andere raumbedeutsame Nutzungen (z. B. FFPV) sind in einem Vorranggebiet ausgeschlossen, soweit diese mit der vorrangigen Nutzung nicht vereinbar sind (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ROG). „Unvereinbarkeit“ im Sinne dieser Vorschrift meint, dass die Realisierung der anderen Funktionen oder Nutzungen die Realisierung der vorrangigen Nutzung verhindern oder zumindest behindern würde. Zur Verwirklichung dieses Zwecks haben Vorranggebiete eine innergebietliche Ausschlusswirkung gegenüber unvereinbaren Nutzungen. 

Windenergie- und PV-Anlagen sind nicht per se unvereinbar, sondern können technisch auch nebeneinander und im selben Gebiet betrieben werden. Problematisch ist aber, dass die Errichtung von PV-Anlagen mit einer dauerhaften Flächeninanspruchnahme verbunden ist, die der potenziellen Nutzung für Windkraftanlagen entzogen werden und mithin zu einer Unvereinbarkeit hinsichtlich der Vorrangwirkung führen kann. 

Ist aber sichergestellt, dass die mit PV-Anlagen bebauten Flächen in einem Vorranggebiet jederzeit durch Windenergieanlagen in Anspruch genommen werden können, kann die Vorrangfunktion für Wind grundsätzlich gewahrt werden. Konkret bedeutet dies, dass eine Sicherstellung erfolgen muss, dass sich die Nutzung für Windenergieanlagen in dem Vorranggebiet immer gegenüber (auch bereits genehmigten und errichteten) PV-Anlagen durchsetzt und zur Realisierung kommen kann. 

Teilweise wird diese Zielsetzung ausdrücklich von den Landesentwicklungsprogrammen vorgegeben, so z. B. in Bayern und NRW. Diese haben die Qualität von Grundsätzen der Raumordnung, die in Abwägungsentscheidungen zu beachten sind (§ 4 Abs. 1 ROG). Dies gilt auch für Gemeinden bei der Bauleitplanung: Hier muss sich der Plangeber im Rahmen der Abwägung zumindest mit einer möglichen Doppelnutzung von Flächen auseinandersetzen. Entscheidet sich die Gemeinde für eine Doppelnutzung von Vorrangflächen ist im Rahmen des Bebauungsplans die jederzeitige Gewährleistung der Vorrangwirkung für die Windenergienutzung umfassend sicherzustellen. Hier kann auf das allgemeine Instrumentarium nach § 9 BauGB und der BauNVO zurückgegriffen werden.

Bauleitplanung: Bebauungspläne als Steuerungsinstrument

Damit eine Doppelnutzung rechtssicher umgesetzt werden kann, bedarf es präziser Festsetzungen im Bebauungsplan:

  1. Sondergebietsausweisung (§ 11 BauNVO): Nur ein „Sonstiges Sondergebiet“ ermöglicht eine exklusive Zulassung von PV- und Windenergieanlagen, ohne andere Nutzungen zuzulassen. Die klassischen Baugebiete sind dafür ungeeignet.

  2. Auflösende Bedingung (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 BauGB): Die Zulässigkeit der PV-Anlagen muss davon abhängig gemacht werden, dass sie endet, sobald die entsprechenden Flächen für die Windenergie benötigt werden. Die Bedingung bzw. deren Eintrittszeitpunkt muss hinreichend bestimmt sein – etwa in Form der Erteilung der Errichtungsgenehmigung für eine/mehrere Windenergieanlage/n. 

  3. Art der baulichen Nutzung: Im Bebauungsplan müssen sowohl PV- als auch Wind-Nutzungen als zulässige Vorhaben festgesetzt sein. Andernfalls wäre die Genehmigung einer Windenergieanlage (und damit das auflösende Bedingungsereignis) rechtlich nicht möglich – und die Vorrangfunktion wäre faktisch ausgehebelt.

  4. Zweckbestimmung des Sondergebiets: Auch die Zweckbestimmung soll beide Nutzungen umfassen – z.B. als Solar- und Windpark“. Ist die Zweckbestimmung auf eine Art der Nutzung eingeschränkt, aber als Art der baulichen Nutzung sowohl Windenergie- als auch PV-Anlagen möglich, kann dies zu einer Widersprüchlichkeit führen. 

  5. Befristung (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 BauGB): Zusätzlich zu der auflösenden Bedingung kann die Nutzung für PV befristet werden, um die Vorrangfunktion langfristig offenzuhalten. Alleinstehend genügt eine Befristung allerdings im Regelfall nicht.

  6. Rückbauverpflichtungen: Für den Bedingungseintritt ist eine Regelung zum Rückbau der betroffenen PV-Anlagen erforderlich, damit die Fläche tatsächlich für Windenergieanlagen freigeräumt wird.

Entwicklungsgebot: Anpassung des Flächennutzungsplans erforderlich

Der Bebauungsplan muss aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden (§ 8 Abs. 2 BauGB). Das bedeutet, dass auch im Flächennutzungsplan beide Nutzungen – PV und Wind – dargestellt sein müssen. Eine einseitige Darstellung als Solarpark genügt nicht, wenn im Bebauungsplan eine spätere Windnutzung vorgesehen ist. 

Fazit: Doppelnutzung ist möglich – aber nur mit klarer Planung!

Eine planerische Doppelnutzung von Windvorranggebieten mit PV-Anlagen ist grundsätzlich möglich und teilweise von landesplaneischer Seite ausdrücklich gewünscht, wie der Blick nach Bayern oder NRW zeigt. Voraussetzung für eine rechtssichere Ausweisung ist, dass die Windenergienutzung nicht beeinträchtigt wird und deren Vorrangstellung vor der PV-Nutzung durch klare planungsrechtliche Festsetzungen abgesichert ist.

Der Bebauungsplan und die Ausweisung von Sondergebieten für die Nutzung für Wind und Solar ist dabei das zentrale Instrument. Mit auflösenden Bedingungen, einer an die Doppelnutzung angepassten Bestimmung des Zwecks und der Art der baulichen Nutzung sowie einer sorgfältigen Abstimmung mit dem Flächennutzungsplan lässt sich eine rechtssichere Doppelnutzung ermöglichen – ein wertvoller Beitrag für eine effiziente Flächennutzung und den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien.

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