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EU-Taxonomie-Verordnung: technische Bewertungskriterien für weitere Umweltziele stehen in den Startlöchern

20. April 2023

Seit Anfang 2022 definiert die Verordnung EU 2020/852 – die sogenannte EU-Taxonomie – wann eine wirtschaftliche Tätigkeit bzw. eine Investition in eine solche ökologisch nachhaltig ist. Bislang stand somit der Faktor E von ESG im Fokus. Hierzu ist auch eine delegierte Verordnung erlassen worden (EU 2021/2139), in der anhand konkreter technischer Bewertungskriterien geregelt wird, welche Anforderungen u.a. im Bau- und Immobilienbereich an Neubau- und Sanierungsvorhaben gestellt werden.

Dabei fokussiert sich diese delegierte Verordnung nicht auf den kompletten Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit, die in der EU-Taxonomie-Verordnung durch 6 Umweltziele

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zur Kreislaufwirtschaft
  • Prävention und Kontrolle der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

beschrieben wird, sondern nur auf die beiden erstgenannten Umweltziele: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.

Stellt man dies den Aussagen entgegen, die in den letzten Jahren aus dem Bau- und Immobiliensektor zum Thema ESG zu hören waren, ergibt sich doch ein ernüchterndes Fazit: zwar wird mit breiter Brust zum Thema ESG geworben, rechtlich verbindlich definiert ist aber Stand heute nur rund 1/3 des Buchstabens E.

Umso mehr überrascht es, dass Anfang des Jahres 2023 fast unbemerkt die vier weiteren Umweltziele aus der EU-Taxonomie nun endlich auch in Kraft getreten sind. Hierbei handelt es sich um

  • Nachhaltige Nutzung und Schutz Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zur Kreislaufwirtschaft
  • Prävention und Kontrolle der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

die jeweils über Absatz 5 in Artikel 12, 13, 14 und 15 der EU-Taxonomie nun gelten. Verbindlichen Vorgaben, welche Anforderungen die Bau- und Immobilienbranche im Hinblick auf diese Ziele erfüllen muss, um auch hier einen wesentlichen Beitrag zu leisten, existieren jedoch nicht. Die hierzu notwendige delegierte Verordnung der EU, die die zu diesen Umweltzielen noch fehlenden technischen Bewertungskriterien festlegen wird, ist aber aktuell in der Abstimmung. Seit dem 05. April 2023 läuft die 4-wöchige Feedback-Periode, in der sich die Allgemeinheit an der öffentlichen Konsultation beteiligen kann. Der Rechtsakt zur delegierten Verordnung soll dann im Juni 2023 veröffentlicht werden.

Dabei sieht der Entwurf nicht nur eine sukzessive Ausweitung der Berichtspflichten vor, die Unternehmen fast schon unerwartet auch für das Jahr 2023 treffen können; auch die Anforderungen an die Bau- und Immobilienbranche sind hoch. So sieht der bisherige Entwurf zum Thema Kreislaufwirtschaft, dass mindestens 90% der bei Neubau und Sanierung anfallenden (ungefährlichen) Abfälle recycelt werden müssen; der Einsatz von Primärrohstoffen bei Neubauten wird reduziert und bei Sanierungsmaßnahmen müssen 50% des Gebäudes erhalten bleiben. Auch die Anforderungen im Hinblick auf Biodiversität und Ökosysteme werden sich in der Baubranche bemerkbar machen, wenn hohe Prozentzahlen für die Ausweisung von wasserdurchlässigen Bereichen erforderlich werden oder Außenflächen echte Biotope sein müssen – was über das Aufstellen eines Insektenhotels hinausgehen dürfte.

Abzuwarten bleibt, ob die EU zum Faktor S von ESG die bereits zum vergangenen Jahr angekündigten Definitionen der Sozialziele ebenfalls in 2023 auf den Weg bringen wird. Bereits seit längerer Zeit sind hier übergeordnete Ziele wie Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden und nachhaltige Gemeinschaft benannt; es fehlt aber weiterhin an einer Ausgestaltung dieser und – im zweiten Schritt – an einer Verknüpfung mit der bestehenden Taxonomie zum Faktor E.

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