Bei Neubauten ist bereits heute in Nordrhein-Westfalen der Betrieb einer Solaranlage verpflichtend, nach dem 1. Januar 2026 wird die Pflicht auf Bestandsgebäude erweitert: Eigentümer müssen eine Solaranlage installieren, wenn sie das Dach ihres Bestandsgebäudes sanieren. Die Maßnahmen sind Teil der Bemühungen, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, um den Energieversorgungssektor zu dekarbonisieren und so den Klimaschutz zu stärken. Zentrale Vorschrift der Solardachpflicht ist § 42a der Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NRW). Die Solaranlagenverordnung Nordrhein-Westfalen (SAN-VO NRW) ergänzt diese Bestimmung um wichtige Hinweise zur Auslegung und Umsetzung der Pflicht sowie zu Ausnahmen. Die wesentlichen Eckpunkte dieser Pflicht erläutern wir in diesem Beitrag:

Solardachpflicht bei Dachsanierungen in Nordrhein-Westfalen: Was Eigentümer und Verwalter jetzt wissen sollten
10. June 2025
1. Wann greift die Pflicht?
Die Pflicht entsteht bei einer vollständigen Erneuerung der Dachhaut (vgl. § 2 Abs. 5 S. 1 SAN-VO NRW). Gemeint ist damit eine umfassende Sanierung des Daches, nicht ein bloßer Innenausbau oder eine Reparatur kurzfristig eingetretener Schäden (§ 2 Abs. 5 S. 2 SAN-VO NRW). „Dachhaut“ meint dabei die Eindeckung bei Ziegeldächern beziehungsweise die Abdichtung bei Flachdächern. Entscheidend ist, dass die Pflicht bei einer vollständigen Erneuerung der Dachhaut begründet wird. Während andere Bundesländer bereits ab einer Erneuerung von mehr als 50 % der Dachfläche zur Installation einer Solaranlage verpflichten, ist dies in Nordrhein-Westfalen nur bei einer vollständigen Erneuerung der Dachhaut der Fall.
Die Pflicht greift, sobald die Erneuerung der Dachhaut begonnen wird– also bei Beginn der Baumaßnahmen nach dem 1. Januar 2026. Der Zeitpunkt der Beauftragung der Erneuerung ist demgegenüber nicht entscheidend.
Abgrenzungsfragen können sich insbesondere bei Reihenhäusern oder bei Doppelhaushälften stellen. Hier muss im Einzelfall geklärt werden, ob bauordnungsrechtlich ein Gebäude oder ob mehrere Gebäude vorliegen. Denn die Solardachpflicht muss für jedes Gebäude im bauordnungsrechtlichen Sinn gesondert betrachtet werden. Umgekehrt führt eine Erneuerung der Dachhaut auf einem Gebäude nicht zu einer Ausdehnung der Pflicht auf die Dächer der anderen Gebäude.
2. Welchen Umfang hat die Solardachpflicht?
Dass die Solardachpflicht erfüllt wird, kann auf zwei unterschiedlichen Wegen nachgewiesen werden: Anhand der Fläche der Anlage oder anhand ihrer Leistungsfähigkeit:
2.1 Mindestfläche der Anlage
Bedeckt die Solaranlage mindestens 30 % der Nettodachfläche, erfüllt die Anlage die Pflicht (§ 4 Abs. 2 S. 1 SAN-VO NRW). Die Nettodachfläche berechnet sich dabei anhand der Bruttodachfläche, von der Flächenanteile abgezogen werden, die wegen Verschattung, Dachaufbauten, Dachfenstern, anderer Dachnutzungen oder Ausrichtung nach Norden nicht genutzt werden können.
2.2 Leistungsfähigkeit der Anlage
Alternativ kann die Solardachpflicht dadurch erfüllt werden, dass die Solaranlage eine installierte Leistung aufweist, die bestimmte Mindestwerte überschreitet (§ 4 Abs. 2 S. 2 SAN-VO NRW). Dabei unterscheidet die Verordnung unterschiedliche Gebäudetypen und -größen:
Wohngebäude mit maximal zwei Wohneinheiten | mindestens 3 kWp |
Wohngebäude mit drei bis fünf Wohneinheiten | mindestens 4 kWp |
Wohngebäude mit sechs bis zehn Wohneinheiten sowie Nichtwohngebäude | mindestens 8 kWp |
Für größere Wohngebäude mit mehr als zehn Wohneinheiten kann die Pflicht nicht anhand der Leistungsfähigkeit der Anlage erfüllt werden. Hier kommt es daher allein auf die Fläche der Anlage an.
2.3 Obergrenze
Die SAN-VO NRW sieht zudem eine Obergrenze für die im Rahmen der Solardachpflicht zu installierende Leistung der Solaranlage vor. Nach § 4 Abs. 3 SAN-VO NRW wird die Solardachpflicht auf diejenige installierte Leistung einer Solaranlage begrenzt, für die die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Zahlungsanspruch nach dem EEG in der Fassung vom 08.05.2024 gegeben sind, ohne an Ausschreibungen zur wettbewerblichen Ermittlung des Zahlungsanspruches nach dem EEG teilnehmen zu müssen. Im hier betroffenen zweiten Ausschreibungssegment besteht die Pflicht zur Teilnahme an den Ausschreibungen ab einer maximal installierten Leistung von mehr als 750 kW.
3. Welche alternativen Erfüllungsoptionen gibt es?
Nach § 42a Abs. 6 BauO NRW gilt die Solardachpflicht auch dann als erfüllt, soweit das wirtschaftliche Flächenpotential für Photovoltaik durch die Errichtung und den Betrieb einer solarthermischen Anlage ausgeschöpft wird. Das gleiche ist der Fall, wenn eine Solaranlage auf anderen Außenflächen des Gebäudes errichtet und betrieben wird, die mindestens den Vorgaben der Verordnung entspricht. Das erfasst insbesondere Fassadenanlagen, eröffnet aber auch die Möglichkeit, kleinere Balkonanlagen zu berücksichtigen.
Ob zur Erfüllung der Solardachpflicht Aufdachanlagen mit den Erfüllungsoptionen kombiniert werden können, ist hingegen nicht eindeutig geregelt. § 42a Abs. 6 BauO NRW deutet diese Möglichkeit zumindest für solarthermische Anlagen an. § 5 Abs. 4 SAN-VO NRW setzt dies jedoch nicht um. Es bleibt unklar, ob hierdurch bewusst von der gesetzlichen Regelung abgewichen werden sollte oder es sich um ein Versehen bei der Erstellung der Verordnung handelt. Im Zweifel geht nach allgemeinen Grundsätzen aber die gesetzliche Regelung als höherrangige Vorschrift vor der Verordnung vor.
4. Wie lange greift die Pflicht und innerhalb welches Zeitrahmens muss sie umgesetzt werden?
Nach der Dachsanierung muss grundsätzlich dauerhaft eine Solaranlage betrieben werden. Ob nach deren Lebensdauer eine neue installiert werden muss, regelt die SAN-VO zwar nicht, aufgrund der gesetzlichen Konzeption erscheint dies jedoch naheliegend. Denn die Pflicht ist infolge der Sanierung entstanden und sie entfällt nicht durch den Austausch der Anlage oder ihr Lebensende.
Naheliegend – jedoch nicht abschließend geregelt – ist, ob die Solaranlage bereits mit Abschluss der Dachsanierung in Betrieb genommen werden muss. Es ist jedenfalls zu empfehlen, die Solaranlage unverzüglich nach Abschluss der Arbeiten in Betrieb zu nehmen, um die Gefahr von Sanktionen zu vermeiden. Diese können nämlich auch dann verhängt werden, wenn die Solaranlage „nicht rechtzeitig“ in Betrieb genommen wurde (siehe hierzu unten).
5. Welche Ausnahmen gibt es?
Unter bestimmten Umständen sind Eigentümer von der Solardachpflicht befreit (§ 42a Abs. 5 BauO NRW). Das ist der Fall, soweit ihre Erfüllung:
- anderen öffentlich-rechtlichen Pflichten widerspricht (z. B. denkmalschutzrechtlichen Vorschriften),
- technisch unmöglich ist oder
- wirtschaftlich nicht vertretbar ist.
Nach der gesetzlichen Konzeption („soweit“) scheint im Einzelfall eine vollständige oder auch nur teilweise Ausnahme von der Solardachpflicht möglich. Hier dürften für Gebäudeeigentümer jedoch Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall bestehen.
Ein vorheriger Antrag ist nicht erforderlich, wenn Gebäudeeigentümer eine Ausnahme in Anspruch nehmen wollen. Sie tragen damit jedoch auch das Risiko, sollte die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen einer Nachprüfung zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht vorliegen. Bußgelder sind in diesem Fall nicht ausgeschlossen (dazu unten), sodass die Inanspruchnahme einer Ausnahme sorgfältig geprüft werden sollte.
5.1 Technische Unmöglichkeit
Nach der SAN-VO NRW liegt eine technische Unmöglichkeit bei Dachsanierungen in mehreren Konstellationen vor. Das ist insbesondere der Fall, wenn:
- die Bruttodachfläche ausschließlich nach Norden ausgerichtet ist,
- das Dach aus Dachflächen besteht, die für die Errichtung von Solaranlagen ungeeignet sind und der Baubeginn des Gebäudes vor dem 1. Januar 2024 liegt,
- eine ausreichende Standsicherheit bei Erfüllung der Pflicht nur mit einer umfangreichen baulichen Maßnahme zu erreichen ist,
- eine Einspeisung auch bei Erweiterung der Netzkapazität nicht möglich ist.
Die Aufzählung dürfte nach ihrem Wortlaut nicht abschließend zu verstehen sein. Gleichwohl dürften sich zusätzliche Ausnahmemöglichkeiten im Einzelfall nur schwer begründen lassen.
Fraglich bleibt, wie die Situation zu bewerten ist, dass auf einem Bestandsgebäude aufgrund von notwendigen Dachaufbauten und technischen Anlagen keine geeigneten Dachflächen bereitgestellt werden können. Die SAN-VO NRW begreift diese Situation nur bei Wohn-Neubauten, deren Bauantrag nach dem 1. Januar 2025 eingeht, beziehungsweise bei Nichtwohngebäuden, deren Bauantrag nach dem 1. Januar 2024 eingeht, als Fall der technischen Unmöglichkeit. Zu Gebäuden, deren Bauantrag vor den genannten Zeitpunkten eingeht, verhält sich die Verordnung nicht. Das heißt aber nicht automatisch, dass in diesen Fällen eine Ausnahme von der Solardachpflicht im Fall einer Dachsanierung nach dem 1. Januar 2026 nicht möglich sein soll. Ein dahingehender Wille des Gesetzgebers ist nicht erkennbar und wäre auch überraschend. Vielmehr erscheint es naheliegend, dass diese Fälle erst recht von der Solardachpflicht ausgenommen sind. Jedenfalls erscheint es fernliegend, diese strenger zu behandeln. Insoweit könnte der Verordnungsgeber aber noch mit einer entsprechenden expliziten Regelung für Rechtssicherheit sorgen.
5.2 Wirtschaftliche Unvertretbarkeit
Wirtschaftlich unvertretbar ist die Pflichterfüllung nach § 5 Abs. 3 SAN-VO NRW, insbesondere wenn
- die Amortisationszeit einer optimal ausgelegten Anlage 25 Jahre überschreitet,
- die sonstigen Systemkosten der Pflichterfüllung 70 % der Solaranlagen-Kosten übersteigen oder
- erhebliche steuerliche Nachteile in Bezug auf die sonstigen Geschäftstätigkeiten der Verpflichteten bestünden und nachweislich drei Drittanbieter den Betrieb einer Solaranlage statt des Verpflichteten abgelehnt haben.
Daneben besteht eine Ausnahme für bestimmte Situationen, in denen das Gebäude nicht Bestandteil des Grundstücks ist und dem Verpflichteten lediglich ein befristetes Nutzungsrecht am Grundstück zusteht. Das ist beispielsweise in vielen Fällen der Erbpacht gegeben.
6. Wie kann ich mich von der Pflicht befreien lassen?
Im Einzelfall kann sich ein Gebäudeeigentümer von der Solardachpflicht befreien lassen (§ 42 Abs. 7 BauO NRW). Das ist möglich, wenn die Pflicht wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen würde. Entscheidend ist dabei, dass die Gründe in der Person des Eigentümers liegen müssen und ihm die Pflichterfüllung daher nicht zumutbar ist. Beispielsweise ist das der Fall, wenn erforderliche Kreditmittel gar nicht oder jedenfalls aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu erlangen sind. Auch weitere Konstellationen sind im Einzelfall denkbar, bedürfen aber einer sorgfältigen Prüfung.
Zur Befreiung von der Pflicht müssen Gebäudeeigentümer einen Antrag bei der zuständigen Behörde (s. dazu gleich unter 7.) stellen. Genehmigt diese den Antrag, besteht für die Gebäudeeigentümer – anders als bei der Inanspruchnahme von Ausnahmen – Rechtssicherheit. Bußgelder sind dann nicht zu befürchten.
7. Welche Nachweispflichten bestehen und wie wird kontrolliert?
Eigentümer müssen auf Verlangen der unteren Bauaufsichtsbehörde nachweisen, dass sie die Solardachpflicht einhalten oder in ihrem Fall Ausnahmen davon greifen. Dazu müssen sie Formulare des Bauministeriums NRW verwenden, die derzeit noch erarbeitet werden, sowie je nach Fallgestaltung weitere Unterlagen beifügen. Die Nachweise müssen insgesamt zehn Jahre lang aufbewahrt werden (§ 8 Abs. 4 SAN-VO NRW).
Die Bauaufsichtsbehörden kontrollieren die Einhaltung der Pflicht jährlich stichprobenartig. Das schließt auch die Nachweispflicht sowie die Prüfung ein, ob im konkreten Einzelfall eine Ausnahme vorliegt.
8. Bußgeldrisiko: Diese Sanktionen sind zu befürchten
Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Solardachpflicht verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann (§ 11 SAN-VO NRW). Ordnungswidrig handelt dabei nicht nur, wer der Pflicht gar nicht nachkommt, sondern auch, wer die Pflicht nicht vollständig oder auch nur nicht rechtzeitig erfüllt.
Daneben handelt ordnungswidrig, wer jedenfalls fahrlässig den Nachweispflichten nicht oder nicht vollständig nachkommt oder wer unrichtige Angaben wider besseres Wissen macht oder unrichtige Unterlagen vorlegt. Eigentümer sollten daher die jeweiligen Umstände und Hintergründe ihres Falles sorgfältig dokumentieren, um im Nachgang Nachweisschwierigkeiten und mögliche Geldbußen zu vermeiden.
Die nach der SAN-VO maximal zulässige Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit hängt von der Größe des Gebäudes ab. Die Obergrenze beträgt bei Ein- oder Zweifamilienhäusern 5.000 €, bei Mehrfamilienhäusern 25.000 € und bei Nichtwohngebäuden 50.000 €. Die konkrete Geldbuße wird sich unterhalb dieser Obergrenzen immer nach der Schwere des Verstoßes und dem Verhalten der Verpflichteten richten.
9. Wer ist verpflichtet und was bedeutet das für eigentumsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten?
Auch wenn die Gebäudeeigentümer stets Verpflichtete nach § 42a BauO NRW sein werden, können sie sich zur Erfüllung dieser Pflicht – beispielsweise im Rahmen eines Contractings – Dritter bedienen.
Im Regelfall werden sich Gebäudeeigentümer im Rahmen von Dachsanierungen für die Installation einer Aufdach-Solaranlage entscheiden. Dann unterliegt die eigentumsrechtliche Ausgestaltung regelmäßig der vertraglichen Gestaltungsfreiheit. Sie können mit den Dritten beispielsweise im Rahmen eines Liefercontractings vereinbaren, dass das Eigentum an der Solaranlage beim Contractor verbleibt. Hier kommt es regelmäßig auf die konkrete vertragliche Formulierung an.
Für Wohnungseigentümergemeinschaften besteht zudem die Möglichkeit, im Rahmen eines Sondernutzungsrechts einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft den Betrieb und die Nutzung der Solaranlage auf den gemeinschaftlichen Dachflächen zu gestatten. In diesem Fall sollten neben der grundlegenden Nutzungsmöglichkeit auch gleich Regelungen zur Kostentragung und Haftung getroffen werden.
10. Fazit
Die nahende Solardachpflicht bei Bestandsgebäuden in NRW ist ein weiterer Schritt in Richtung nachhaltige Energieversorgung. Eigentümer und sie beratende Verwalter sollten die kommenden Monate nutzen, um sich rechtzeitig auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Bei Fragen zur Umsetzung, zu Ausnahmen oder rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.