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Abschaltung der OS-Plattform: Handlungsbedarf für Online-Händler

02. Juli 2025

Am 20. Juli 2025 wird die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) abgeschaltet. Diese Entscheidung des europäischen Gesetzgebers bringt für Unternehmen im Online-Handel Handlungsbedarf:

Hintergrund der OS-Plattform und bisherige Informationspflichten für Online-Händler

Die OS-Plattform wurde 2016 durch die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ODR-VO) eingeführt, um Verbrauchern und Online-Händlern eine Möglichkeit zur außergerichtlichen Streitbeilegung bei Online-Kaufverträgen oder Online-Dienstleistungsverträgen bereitzustellen. Damit Verbraucher von der Existenz der OS-Plattform auch hinreichend Kenntnis erlangen konnten, sieht die ODR-VO Informationspflichten für Online-Händler vor. 

Gemäß Art. 14 Abs. 1 der ODR-VO mussten bis dato Online-Händler auf die OS-Plattform über einen „leicht zugänglichen Link“ verweisen. Der Online-Händler sollte in diesem Zusammenhang zudem seine E-Mail-Adresse bekanntgeben. Diese Informationspflicht traf alle Online-Händler, und zwar unabhängig davon, ob sie an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren teilnehmen oder nicht. In der Regel empfahl es sich, dieser Pflicht durch entsprechende Ergänzung des Impressums auf der Website des Online-Händlers selbst oder des Marktplatzbetreibers, bei welchem die Händler ihre Produkte anbieten, nachzukommen. 

Gemäß Art. 14 Abs. 2 der ODR-VO besteht zudem die erweiterte Pflicht, neben der Setzung eines Links zur OS-Plattform, die Verbraucher auch über die Existenz der OS-Plattform und die Möglichkeit, diese für die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu nutzen zu informieren, wenn sich der Online-Händler verpflichtet hat oder gesetzlich dazu verpflichtet ist, an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Die Online-Händler sollen diese Informationen auf ihren Websites sowie in E-Mails (sofern diese verwendet werden) entsprechend einrichten. „Gegebenenfalls“, so drückt sich die ODR-VO aus, sollten diese Informationen auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden. Da die ODR-VO nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen Online-Händler dazu verpflichtet sind, alternative Streitbeilegungsverfahren zu nutzen, wurde dies durch die Mitgliedstaaten entschieden.

Was ändert sich zum 20. Juli 2025?

Aufgrund geringer Nutzerzahlen wird die von der Europäischen Kommission betriebene OS-Plattform am 20. Juli 2025 eingestellt. Mit anderen Worten: Mit der Verordnung (EU) Nr. 2024/3228 wird die ODR-VO zum 20. Juli 2025 aufgehoben. Bis einschließlich zum 19. März 2025 konnten die letzten Beschwerden der Verbraucher noch auf der OS-Plattform eingereicht werden. Diese werden noch bis zum 19. Juli 2025 bearbeitet.

Gleichzeitig mit der Einstellung der OS-Plattform entfallen die Verpflichtungen für Unternehmen im Online-Handel nach Art. 14 der ODR-VO, einen Link sowie Hinweise auf die OS-Plattform bereitzustellen. Links und Hinweise auf die OS-Plattform sollten daher zum Ablauf des 19. Juli 2025 von Websites, aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie aus sonstigen Rechtstexten und geschäftlicher Kommunikation dringend entfernt werden.

Konsequenzen bei Nichtentfernen der Verlinkungen

Die bisherigen Verlinkungen zur OS-Plattform sowie die Hinweise zur Nutzung einer Streitbeilegungsmöglichkeit durch den Verweis auf eine nicht mehr existierende OS-Plattform stellen falsche Angaben im Impressum (oder auch in AGB) dar. Diese Angaben können als Irreführung und damit als eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) angesehen werden. Wettbewerber oder Verbände, die Verbraucherinteressen wahrnehmen, können die betroffenen Online-Händler abmahnen, wenn ein weiterhin bestehender Link zu einer nicht mehr existierenden OS-Plattform führt. 

Wettbewerbsrechtliche Unterlassungserklärungen in der Vergangenheit

In der Vergangenheit waren Verstöße gegen die Informationspflichten nach der ODR-VO bereits Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen. Sofern ein Online-Händler in der Vergangenheit also bereits eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungserklärung in Bezug auf seine Informationspflichten nach der ODR-VO zur OS-Plattform abgegeben hat, muss diese vor dem Entfernen der Verlinkungen und Hinweise gem. Art. 14 ODR-VO mit Wirkung zum 20. Juli 2025 gegebenenfalls gekündigt werden:

Gesetzesänderungen oder Änderungen in der Rechtsprechung können bewirken, dass bislang unzulässige Verhaltensweisen zulässig werden. Für Online-Händler, die nach bisheriger Rechtslage eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, dürfte nun zu prüfen sein, ob sie auch nach aktueller Rechtslage an die Unterlassungserklärung weiterhin gebunden sind. Nach der Rechtsprechung wird eine abgegebene Unterlassungserklärung nicht durch eine Rechtsänderung unwirksam, sondern muss weiter befolgt werden. Durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung schließen der Abgemahnte und der Abmahnende einen Vertrag. Dieser Vertrag ist in der Regel zeitlich unbefristet und bleibt deshalb auch bei Änderung der Rechtslage grundsätzlich bestehen. 

Achtung: Informationspflichten nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) bleiben bestehen

Verbraucher in Deutschland können im Fall von Streitigkeiten mit stationären sowie Online-Händlern zusätzlich zur OS-Plattform Verbraucherschlichtungsstellen nutzen. Deutsche Unternehmen sind nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG verpflichtet, gegenüber ihren Kunden mitzuteilen, ob sie zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet oder freiwillig bereit sind. Sofern eine solche Teilnahme besteht, müssen sie die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle benennen.

Die Pflichten nach dem VSBG gelten unabhängig von der Abschaltung der OS-Plattform fort. Die Anpassung der Websites und Rechtstexte zum Anlass der Abschaltung am 20. Juli 2025 sollten Unternehmen daher ebenfalls nutzen, um das Einhalten ihrer Informationspflichten nach dem VSBG noch einmal zu überprüfen.

Zusammenfassend
  • Die OS-Plattform wird zum 20. Juli 2025 eingestellt. Die Pflicht, durch Verlinkung auf die OS-Plattform hinzuweisen entfällt für Online-Händler – bestehende Hinweise/Verlinkungen sollten dringend entfernt werden, um Abmahnungen zu vermeiden.
  • Eine unter der bis dato geltenden Rechtslage abgegebene wettbewerbsrechtliche Unterlassungserklärung sollte gegebenenfalls mit Wirkung zum 20. Juli 2025 gekündigt werden.
  • Stationäre sowie Online-Händler sollten prüfen, ob sie ihre Informationspflichten nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) hinreichend erfüllen, da diese unabhängig von der Abschaltung der OS-Plattform weiter bestehen.

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