
KG Berlin – Teil II: Klauseln zur Beschränkung der Herstellungsverpflichtung bei Mehrhausanlagen
11. Juli 2025
KG Berlin, Urt. v. 27.05.2025 – 21 U 44/22
Das Urteil des KG Berlin kann mit Fug und Recht als „großer Wurf“ bezeichnet werden, da es gleich mehrere praxisrelevante Themen des Bauträgerrechts einer Klärung zuführt. Nachdem wir uns im letzten Beitrag mit Wohnflächenklauseln befasst haben, geht es im heutigen Beitrag um ein weiteres, in der Literatur lange umstrittenes Thema, welches durch das KG Berlin erstmals gerichtlich geklärt wurde: Klauseln in Bauträgerverträgen, die die Herstellungsverpflichtung des Bauträgers bei Mehrhausanlagen auf einzelne Bauabschnitte beschränken, sind AGB-wirksam.
Der Entscheidung lag folgende Klausel zugrunde:
Der Verkäufer verpflichtet sich gegenüber dem Käufer, die Gebäude und Anlagen des ersten Bauabschnittes „Bauabschnitt 1“ herzustellen. Klargestellt wird, dass sich die Herstellungsverpflichtung auf Gebäude und Anlagen des ersten Bauabschnittes beschränkt [...]. Die Herstellungsverpflichtung erstreckt sich nicht auf Teile der Wohnanlage außerhalb des ersten Bauabschnitts. Ob, wann und wie weitere Bauabschnitte errichtet werden, entscheidet allein der Verkäufer nach freiem Ermessen.
Das KG Berlin führt aus, dass die Klausel das vertragliche Bausoll unmittelbar festlege und deshalb einer eingeschränkten AGB-Kontrolle unterliege (nur Einbeziehungs- und Transparenzkontrolle). Eine Inhaltskontrolle im engeren Sinne (§§ 307 Abs. 1, 2, 308, 309 BGB) verbiete sich.
Sodann stellt das Gericht klar, dass die Klausel weder überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) noch intransparent (§ 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB) sei. Die Beschränkung der Herstellungsverpflichtung des Bauträgers trage einem beiderseitigen Interesse Rechnung: Der Bauträger wolle die jeweilige Ratenzahlung bereits erhalten, wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen bei dem geschuldeten Bauabschnitt vorliegen und nicht erst bei sämtlichen Häusern einer Anlage. Andernfalls müsste das Bauprojekt bei Baubeginn zu einem höheren Anteil finanziert sein, was ein erhöhtes Risiko für den Bauträger bedeute. Dieses Risiko würde durch höhere Preise auf die Erwerber zurückschlagen. Es liege nahe, dies durch Unterteilung des Bauprojekts in mehrere Abschnitte zu vermeiden – eine entsprechende Klausel sei bei Mehrhausanlagen deshalb nicht überraschend.
Folgende Vorgaben für die Gestaltung solcher Klauseln lassen sich dem Urteil entnehmen:
Die Klausel darf nicht an einer Stelle stehen, an der der Erwerber nicht mit ihr rechnen muss. Sie sollte im Zusammenhang mit der Definition des Kaufgegenstandes und noch vor dem Kaufpreis stehen.
Die Beschränkung der Herstellungsverpflichtung muss hinreichend bestimmt sein. Dazu sind die Bauabschnitte klar abzugrenzen, z.B. durch Bezugnahme auf Pläne oder die Baubeschreibung.
Die Bauabschnitte müssen so wirtschaftlich und rechtlich voneinander getrennt sein, dass Erwerber aus dem einen nicht finanziell für andere Bauabschnitte einstehen müssen. Dies ist durch eine entsprechende Gestaltung von Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung sicherzustellen (z.B. Kostentragung durch Untergemeinschaft).
Die Bauabschnitte müssen baulich derart voneinander getrennt sein, dass sie selbständig funktionsfähig sind. Bei gemeinschaftlichen Einrichtungen einer Anlage (z.B. Tiefgarage) kann die fehlende bauliche Trennung durch klare wirtschaftliche Trennung kompensiert werden.
Das Urteil des KG Berlin ist für die Vertragsgestaltung von großer Bedeutung: Wird die Herstellungspflicht des Bauträgers bei Mehrhausanlagen nicht auf diejenigen Teile beschränkt, die für den einzelnen Erwerber wirtschaftlich tatsächlich von Interesse sind – im Wesentlichen „sein“ Gebäude –, kann dieser die Herstellung des gesamten Gemeinschaftseigentums – also aller Gebäude – verlangen. Dies hat weitreichende Folgen: Der Bauträger kann die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht bereits mit Fertigstellung einzelner Gebäude verlangen, sondern erst mit Fertigstellung der gesamten Anlage. Damit verschiebt sich nicht nur der Beginn der Gewährleistungsfrist für das einzelne Gebäude, sondern auch die Fälligkeit der Schlussrate nach hinten. Zudem kann für die Fälligkeit von Ratenzahlungen nicht auf den Bautenstand einzelner Gebäude abgestellt werden. Bauträger könnten Mehrhausanlagen dann nicht mehr sukzessive entsprechend der Marktlage errichten und wären mit erheblichen finanziellen Risiken belastet. Um dies zu vermeiden, bedarf es bei Mehrhausanlagen Klauseln, welche die Herstellungsverpflichtung auf Bauabschnitte beschränken.
Bei Fragen rund um Bauträgervorhaben stehen wir Ihnen als erfahrene Experten gerne zur Verfügung.