Die Europäische Kommission überarbeitet derzeit die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (RL 2010/31/EU). Im Sommer hielt die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation ab (wir berichteten hier). Die Ergebnisse dieser Konsultation sind in einen Entwurf für eine neue Richtlinie eingeflossen, der am 15. Dezember 2021 bekannt gegeben wurde (Pressemeldung hier).
Wir geben einen Überblick über die geplanten Gesetzesänderungen. Folgebeiträge werden einzelne Aspekte näher beleuchten.
1. Aktueller Stand der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
Die Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EU-Amtsblatt L 153 vom 18.06.2010, S. 13-35) soll die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in der Europäischen Union verbessern und dabei den verschiedenen klimatischen und lokalen Bedingungen Rechnung tragen. Hierfür legt sie Mindestanforderungen und einen gemeinsamen Rahmen für die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz fest. Außerdem verfolgt die Richtlinie das Ziel, die kosteneffiziente Renovierung von Bestandsgebäuden zu beschleunigen und intelligente Technologien in Gebäuden zu fördern.
Die Richtlinie 2010/31/EU wurde in Deutschland insbesondere im Gebäudeenergiegesetz (GEG) umgesetzt.
2. Welchen Reformbedarf hat die Europäische Kommission identifiziert?
Dreiviertel der Gebäude in der EU sind laut der Europäischen Kommission heute nicht energieeffizient. Verschiedene Maßnahmen zielen darauf ab, die jährliche Quote der energetischen Renovierung bis 2030 mindestens zu verdoppeln. Positiver Nebeneffekt ist beispielsweise, dass die Anfälligkeit der Gebäudenutzer gegenüber steigenden Energiepreisen verringert wird.
Die Reform ist Teil des „Fit for 55“-Pakets, welches die Europäische Kommission am 14. Juli 2021 bekannt gegeben hat. Sie knüpft an die Erklärung der Europäischen Kommission zur „Renovierungswelle“ für den Gebäudesektor vom Oktober 2020 an. Die Hauptziele der Reform sind die Verringerung der Treibhausgasemissionen und des Endenergieverbrauchs von Gebäuden bis 2030 und die Festlegung einer langfristigen Vision für Gebäude im Hinblick auf die EU-weite Klimaneutralität im Jahr 2050.
3. Was sind die wichtigsten Änderungsvorschläge für die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden?
Die Reformvorschläge werden von den folgenden drei Zielen geprägt:
- Erhöhung der Rate und Tiefe der Gebäudesanierung,
- Verbesserung der Information über die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit von Gebäuden,
- Gewährleistung, dass alle Gebäude den Anforderungen an die Klimaneutralität bis 2050 entsprechen.
Konkret bedeutet dies beispielsweise:
- Ab 2030 müssen alle neuen Gebäude emissionsfrei sein, für neue öffentliche Gebäude gilt dies bereits ab 2027.
- Die Verpflichtung, dass ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegen muss, wird auf Gebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, auf Gebäude, für die ein Mietvertrag verlängert wird, und auf alle öffentlichen Gebäude ausgeweitet. Gebäude oder Gebäudeteile, die zum Verkauf oder zur Vermietung angeboten werden, müssen ebenfalls über diesen Ausweis verfügen. Die Energieeffizienzklasse und der –indikator sollen in allen Anzeigen angegeben werden.
- Ein „Gebäuderenovierungspass“ wird den Verbrauchern Zugang zu Informationen ermöglichen und ihre Kosten senken, um ihre Planungen und eine schrittweise Renovierung hin zu einem emissionsfreien Niveau zu erleichtern.
Die neue Richtlinie soll sich jedoch nicht nur an Gebäudeeigentümer und Projektentwickler richten. Die Mitgliedstaaten werden zu konkreten Maßnahmen aufgefordert:
- Die am schlechtesten abschneidenden 15 % des Gebäudebestands der einzelnen Mitgliedstaaten müssen so modernisiert werden, dass Nichtwohngebäude bis 2027 und Wohngebäude bis 2030 statt der Einstufung G mindestens das Niveau F gemäß dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz erreichen.
- Nationale Gebäuderenovierungspläne sollen vollständig in die nationalen Energie- und Klimapläne integriert werden. Diese Pläne müssen Fahrpläne für den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in der Wärme- und Kälteversorgung bis spätestens 2040 sowie einen Pfad zur Umwandlung des nationalen Gebäudebestands in emissionsfreie Gebäude bis 2050 enthalten.
- Es sollen Renovierungserwägungen in die Vorschriften für öffentliche und private Finanzierungen aufgenommen und geeignete Instrumente, insbesondere für einkommensschwache Haushalte, eingerichtet werden.
4. Wer soll das alles finanzieren?
Der Europäischen Kommission ist bewusst, dass die Renovierungswelle bislang seltener am Renovierungswillen, sondern häufiger an beschränkten finanziellen Mitteln scheiterte. Sie weist daher darauf hin, dass es auf EU-Ebene mehrere Finanzierungsquellen gibt, aus denen die Renovierungen unterstützt werden können. Insbesondere beabsichtigt die Europäische Kommission, Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem für Gebäude und Straßenverkehr zu generieren. Der neue Klima-Sozialfonds soll den EU-Bürgern und insbesondere schutzbedürftigen Haushalten finanzielle Unterstützung für Renovierungen oder Investitionen in Heizsysteme bieten.
Die Mitgliedstaaten werden von der Europäischen Kommission aufgefordert, ihrerseits Instrumente einzuführen, die private Investitionen attraktiver machen und die sie so lenken können, dass sie in die benötigten Renovierungen fließen. Deswegen soll auch der rechtliche Rahmen für staatliche Beihilfen besser an die überarbeitete Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden angepasst werden. Insbesondere prüft die Europäische Kommission zurzeit, wie mit Hilfe der beihilferechtlichen Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung der Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen zur Verbesserung der Gesamteffizienz von Gebäuden verbessert werden kann.
5. Wie geht es im EU-Gesetzgebungsverfahren nun weiter?
Der Reformvorschlag liegt jetzt dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union vor. Während der ersten Lesung prüft das Europäische Parlament den Kommissionsvorschlag und kann ihn ohne Änderungen billigen oder Änderungsvorschläge unterbreiten. Im Rahmen der sich anschließenden ersten Lesung des Rates kann dieser entscheiden, ob er den Standpunkt des Parlaments akzeptiert. In diesem Fall ist der Gesetzgebungsvorschlag angenommen. Widerspricht der Rat dem Standpunkt des Parlaments, kommt es zu einer zweiten Runde der Lesungen, an die sich noch ein Vermittlungsverfahren anschließen kann.
Der Gesetzgebungsvorschlag der Europäischen Kommission ist damit noch lange nicht beschlossene Sache. Vielmehr bestehen für Interessenträger weiterhin Möglichkeiten, ihre Wünsche und Bedenken vorzubringen.
Wie lange das Gesetzgebungsverfahren dauern wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar.
6. Was bedeutet das für das Gebäudeenergiegesetz (GEG)?
Die Richtlinie 2010/31/EU wurde in Deutschland insbesondere im Gebäudeenergiegesetz (GEG) umgesetzt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden eine Überarbeitung des GEG erfordern wird.
Bis es soweit ist, wird es zwar noch eine Weile dauern. Erst müssen die Reformen durch den EU-Gesetzgeber beschlossen werden und dann wird es noch eine Frist für die Umsetzung ins deutsche Recht geben.
Trotzdem sollten Interessierte und Betroffene vorausschauend agieren. Denn dort, wo dem deutschen Gesetzgeber nur wenig oder kein Spielraum bei der Umsetzung verbleiben wird, sollte bereits nach Beschlussfassung durch den EU-Gesetzgeber proaktiv die Relevanz der Gesetzesänderungen für den eigenen Immobilienbestand überprüft werden.
Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Ansprechpartner des Kompetenzteams Green Contracts gerne zur Verfügung.