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Neue Regeln für digitale Bauprojekte und Immobilien

22. Februar 2022

Nachdem zum 01.01.2018 das neue Baurecht in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2022 die „Digitale-Inhalte-RL“ und die „Warenkauf-RL“ umgesetzt. Neben der textlichen und in Teilen auch inhaltlichen Umgestaltung des Sachmangelbegriffs, hat der Gesetzgeber dabei in erster Linie auf die digitale Entwicklung reagiert. Eingefügt wurden in §§ 327 ff. BGB Regelungen über einen „neuen Vertragstyp“, der die Bereitstellung digitaler Produkte und deren Folgen zum Inhalt hat, sowie in den Verbrauchsgüterkaufregelungen der §§ 474 ff. BGB die Regelungen in §§ 475a ff. BGB, die sich mit dem Verbrauchsgüterkauf über digitale Produkte befassen. 

Da die Neuregelungen hauptsächlich Digitalisierungsthemen zum Inhalt haben, scheint es kaum Auswirkungen auf die „klassische“ Bau- und Immobilienwirtschaft zu geben. Verstärkt wird diese Tendenz durch die Voraussetzungen des Verbrauchervertrages. Im B2B-Bereich scheinen die zuvor angeführten Normen keinen Anwendungsbereich zu haben. 

Während sich hierüber bei der Verwirklichung und dem Betrieb von Smart Buildings ggf. noch streiten ließe, dürften diese Regelungen in der tradierten Immobilienwirtschaft (ebenfalls vermeintlich) keine Rolle spielen. 

Diese Ansätze sind allerdings zu kurz gefasst.

1    Anwendungsbereich (sachlich)

Unternehmen werben vielfach mit der Versmartung der heimischen Immobile, sei es durch intelligente Heizungen, Zutrittskontrollen (Kameras mit WLAN-Zugriff) oder auch der intelligente Kühlschrank, der selbständig verbrauchte Produkte nachordert. Neben solchen Hardwarelösungen werden mittlerweile vielfach digital buchbare Dienstleistungen von Quartiersbetreibern mitentwickelten oder von diesen in Auftrag gegebenen Apps angeboten (Butler-Services, Hemden-Service, E-Mobilität, Share-Economy etc.).

Dabei ist es grds. irrelevant, welcher Vertragstypus der Rechtsbeziehung zum Verbraucher zugrunde liegt. Betroffen können alle Arten von Verträgen, bspw. Immobilienkaufverträge, FM-Dienstleistungen, Bauträgerverträge, Mietverträge etc. sein. Entscheidend ist, dass die jeweiligen Verträge einen digitalen Teil aufweisen, der Unternehmer ein digitales Produkt bereitstellt. Für solche sog. „Paketverträge“ hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass jedenfalls hinsichtlich des digitalen Teils die jeweiligen „Digitalisierungsregelungen“ zu beachten sind. 

Die Abgrenzung der  Anwendungsbereiche (entweder §§ 327 ff. BGB oder § 475b ff. BGB) ist dabei einzelfallbezogen vorzunehmen und kann erhebliche Auswirkungen haben – der Teufel steckt dabei wie so oft im Detail. Als grobe Faustformel kann festgehalten werden, dass die weniger strengen Vorschriften auf digitale Inhalte eines Kaufvertrages Anwendung finden, soweit diese (die digitalen Inhalte) notwendig sind, damit die Kaufsache voll funktionsfähig ist. 


2    Anwendungsbereich (zeitlich)

Von den Neuregelungen erfasst, werden zunächst alle ab dem 01.01.2022 geschlossenen Verträge (soweit sie unter den Anwendungsbereich der jeweiligen Norm fallen). 

Zusätzlich finden die Normen auch dann Anwendung, wenn die Verträge zwar vor dem 01.01.2022 geschlossen wurden, die digitalen Inhalte jedoch erst ab dem 01.01.2022 bereit zu stellen sind. 

Sofern die Bereitstellung vor dem 01.01.2022 hätte erfolgen müssen, dies aber gar nicht oder erst hiernach erfolgte, ist das neue Recht grundsätzlich nicht anzuwenden. Hier sind ggf. Mängelgewährleistungsrechte aus dem alten Recht einschlägig.

Sofern es sich allerdings nicht um die Erbringung einer einmaligen sondern einer dauerhaften, wiederholenden Bereitstellungspflicht handelt (nach der Terminologie des Gesetzes Reihen einzelner Bereitstellungen beziehungsweise dauerhafte Bereitstellungen – wie bspw. der Kauf einer noch im Erscheinen befindlichen Serienstaffel), sind die neuen Regelungen auf die digitalen Inhalte ab dem 01.01.2022 anwendbar. 


3    Anwendungsinhalt (key facts)

Die inhaltlichen Anforderungen an die einzuhaltenden Pflichten ergeben sich im Wesentlichen aus den neuen ins Gesetz eingefügten Mangelbegriffen (für beide Normenkomplexe ähnlich, im Detail unterschiedlich). 

Neu ist, dass der Gesetzgeber für die Bewertung der Mangelfreiheit die Kumulierung von subjektiven und objektiven Anforderungen aufgenommen hat. Etwaige sich hieraus ergebende Widersprüchlichkeiten sind – so explizit der Gesetzgeber – durch die Gerichte zu überprüfen und zu bewerten. Vom Wortlaut her missverständlich ist dabei die Bezeichnung der „subjektiven“ Anforderungen. Hier geht es nicht um den Willen der Vertragsparteien, den diese bei Vertragsabschluss gehabt und dem Vertrag zugrunde gelegt haben, sondern um den Vertragsinhalt. 

Hiernach hat das digitale Produkt die folgenden Anforderungen (vereinfacht auf das Wesentliche reduziert und nicht näher zwischen den subjektiven und objektiven Voraussetzungen differenziert) einzuhalten:

-    Es muss in ausreichender Menge vorhanden sein (bei 12 GB vereinbartem Datenvolumen auch tatsächlich 12 GB und nicht lediglich 11,8 GB); es muss funktionieren, sowohl seinem Zweck entsprechend (=Funktionalität); als auch mit Hard- oder Software, mit der digitale Produkte derselben Art genutzt werden, ohne zusätzliche Maßnahmen, wie bspw. Konvertierungen, durchführen zu müssen (Kompatibilität); in gewissem Maße auch mit anderer Hard- und Software (Interoperabilität, restriktiv zu handhaben);
-    Es muss sich für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen (abgestellt wird im Gegensatz zur Funktionalität auf den Vertrag und nicht auf das Produkt); 
-    Sofern vereinbart, müssen die Begleitelemente vorhanden sein (z.B. Zubehör, Anleitung – nicht nur die Installations- sondern auch die Bedienungsanleitung, Kundendienst);
-    Sofern vereinbart, sind Aktualisierungen bereitzustellen (Wirkung entfaltet dieser Teil nur, wenn es eine über die gesetzliche Mindestaktualisierung hinausgehende Vereinbarung gibt);
-    Das Produkt muss sicher sein – hiervon erfasst ist einerseits eine Verhinderung der Änderung des Produkts selbst, andererseits bspw. aber auch der Schutz personenbezogener Daten.

Der Pflichtenkatalog des Unternehmers erweitert sich erheblich. Neben den bekannten originären immobilien- oder baurechtlichen Pflichten, sieht sich der Unternehmer auf einmal in der Rolle des Tech-Anbieters mit den sich hieraus ergebenden Folgen. Dies im Verhältnis zum Verbraucher auch dann, wenn er die technischen Produkte lediglich zukauft. 

Zusätzlich zu den technischen Begebenheiten ist der Unternehmer für die Nutzbarkeit des Produkts ohne Rechtsverletzung Dritter (bspw. Urheberrechte, Patentrechte etc.) verantwortlich. 


4    Praxisumsetzung

Im B2C-Bereich ist der Unternehmer für die Einhaltung der zusätzlichen Pflichten voll gegenüber dem Verbraucher verantwortlich. Eine abweichende Vereinbarung zulasten des Verbrauchers ist nur schwer möglich. Zugunsten des Unternehmers besteht aber eine Regressmöglichkeit innerhalb der „Lieferketten“, auch wenn es sich hierbei regelmäßig um B2B-Geschäfte handelt. 

Darüber hinausgehende Auswirkungen im reinen B2B-Bereich sind kaum denkbar. 

Sobald allerdings ein Verbraucher mittelbar involviert ist, können die jeweiligen Regelungen mit den sich hieraus ergebenden Risiken und Folgen einschlägig sein. Ausreichend ist bspw., dass im Rahmen einer Transaktion Objekte veräußert werden, auf die die Digitalisierungsnormen anwendbar sind – wie dies im Rahmen von Wohngebäudeportfolios, Quartieren etc. der Fall ist. In einer derartigen Konstellation „kauft“ sich der Erwerber die soeben dargelegten Konsequenzen ggf. mit ein. Dies bedeutet für den Verkäufer (jedenfalls im Rahmen eines Asset Deals) mitnichten, dass er sich jeglicher Haftung stets entledigen könnte. Soweit keine weiteren Vereinbarungen getroffen wurden, bleibt er regelmäßig Vertragspartner mit den sich hieraus ergebenden Konsequenzen. 

Zukünftig ist also vermehrt Augenmerk auf diese Themen zu legen: 

-    Im Rahmen eines etwaigen Regresses innerhalb der Lieferkette ist an die unverzügliche Anzeige der vom Verbraucher gerügten Mangelhaftigkeit zu denken („Untersuchungs- und Rügeobliegenheit aus dem Handelsrecht). Der Unternehmer sollte die von ihm gegenüber dem Verbraucher einzuhaltenden Pflichten in den Vertrag mit seinem Lieferanten aufnehmen, um neben den gesetzlichen Regressansprüchen eigene aus dem Vertrag resultierende Ansprüche geltend machen zu können. Hierneben empfiehlt es sich, proaktiv auf seine Vertragspartner der digitalen Inhalte auf die Einhaltung der ihm obliegenden Pflichten einzuwirken.

-    Im Rahmen von Transaktionen ist es jedem empfohlen, die regelmäßig abzuarbeitenden Check-Listen um eine Position „digitale Verantwortlichkeiten“ zu erweitern, um die ggf. bestehenden Risiken zu erkennen. Schwerpunkte werden hierbei auf der Feststellung der einschlägigen Sachverhalte sowie der Einhaltung der sich hieraus ergebenden Pflichten sein. Insbesondere das Thema Datenschutz sollte bedacht werden, da hier empfindliche Bußgelder drohen.
 

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