Für das Jahr 2023 – so berichtete die ImmobilienZeitung unlängst erneut (24.01.2024) – lag die Zahl an Insolvenzen bei Bauträgern und Projektentwicklern um rund 80% über der des Vorjahres. Die Pleitewelle bei Bauträgern und Immobilienfirmen beschäftigt die Fachwelt daher weiterhin und wirft viele Fragen aus dem Schnittfeld zwischen Baurecht, Immobilienrecht und Insolvenzrecht auf. Mit der Pleitewelle hat daher auch das Bauinsolvenzrecht unfreiwillig Hochkonjunktur. Was also tun, wenn erste Anzeichen für eine Insolvenz bestehen und der Bauträger/Projektentwickler nicht weiterbaut und der Bau regelrecht „stecken bleibt“?
Pleitewelle bei Bauträgern und Immobilienfirmen hält an – Was tun, wenn der Bauträger nicht weiterbaut?
14. Juni 2024
Angst vor Insolvenz
Die Angst vor einer Insolvenz des Bauträgers ist bei diesen Zahlen nicht fernliegend, auch wenn ein formelles Insolvenzverfahren wohlmöglich noch gar nicht beantragt ist. Die Praxis zeigt, dass selbst große und etablierte Unternehmen in eine Schieflage geraten können, die zu einer handfesten Insolvenz führt. Ob der Bauträger / Projektentwicklung tatsächlich insolvenzreif ist oder nicht (das würde Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraussetzen), kann man aus der Ferne ohne Einblick in Geschäftsunterlagen nicht verlässlich bewerten. Auf Mahnungen zu Fertigstellungsfristen reagiert der Bauträger oft mit dem Argument, (Abschlags-)Zahlungen stünden noch aus. Die Unsicherheit ist daher groß.
„Kündigung“? – Achtung: Risiko!
Den Bauträger wird der Erwerber jedoch nicht einfach so los. Der Bauträgervertrag ist seit der Baurechtsreform mit Wirkung ab dem 1.1.2018 erstmals in den §§ 650u ff. BGB gesetzlich geregelt. Nach § 650u Abs. 2 BGB ist auf den Bauträgervertrag u.a. § 648a BGB nicht anwendbar, sodass sich Überlegungen erübrigen, ob allein die Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantragstellung nach § 648a BGB ein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Bauträgervertrages sein kann. Die Insolvenzreife des Bauträgers ist damit wohl kein außerordentlicher Kündigungsgrund. Unberührt bleiben die Rechte des Erwerbers, sich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen von dem Vertrag zu lösen. So steht dem Erwerber z.B. ein Rücktrittsrecht bei Mängeln oder bei gravierenden Pflichtverletzungen durch den Bauträger zu. Allerdings ist Vorsicht geboten. Durch eine Lossagung vom Vertrag zerstört der Erwerber seinen Eigentumsübertragungsanspruch und verliert damit auch den Vormerkungsschutz nach § 106 InsO.
Schadensersatz
Gerät der Bauträger mit der Fertigstellung in Verzug, da die vertraglich vereinbarte Fertigstellungsfist überschritten wird, schuldet er als Verzugsschadensersatz einen finanziellen Ersatz für alle daraus resultierenden Schäden (Mietausfall, unnötige Finanzierungskosten, Einlagerungskosten, Ersatzwohnraum etc.). Dem Erwerber ist zu raten, die Schäden sorgfältig zu dokumentieren und Belge zu sammeln.
Aber damit ist für den Erwerber immer noch nicht klar, wie er das Bauvorhaben fertig bekommt.
Klage auf Fertigstellung
Praktisch wenig verbreitet, aber durchaus überlegenswert, ist die Erhebung einer Klage auf Fertigstellung des Wohnungseigentums, wenn der Bauträger seine Arbeiten einstellt und die Fortsetzung der Bauarbeiten verweigert. Die Leistungsverpflichtung des Bauträgers ergibt sich in der Regel aus den Bauverträgen und die diesen Verträgen beigefügten Planungsunterlagen. Gegen seine Erfüllungsansprüche kann der Bauträger in der Regel auch nur eingeschränkt Rechte geltend machen. Es ist zu beachten, dass die Pflicht des Bauträgers zur Übergabe einer bezugsfertigen Wohneinheit zwei Teile umfasst: Die Herstellungspflicht - insoweit ist der Bauträger vorleistungspflichtig - und die Übergabepflicht, die vom Bauträger nur Zug um Zug gegen Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate zu erfüllen ist (vgl. KG Urt. v. 27.6.2019 – 21 U 144/18, BeckRS 2019, 14967 Rn. 24). Es wird vertreten, dass wegen der Vorleistungspflicht der Bauträger eine verspätete Fertigstellung daher in der Regel nicht mit einem Zahlungsverzug begründen kann. Eine derartige vertragliche Regelung wäre ggf. schon unwirksam (vgl. KG, a.a.O.). Einzelheiten sind in jedem Fall sorgfältig zu prüfen.
Fortführung des Vertrages nach Eintritt der Insolvenz?
In einer Insolvenz des Bauträgers ist zumeist das Ziel des Erwerbers, lastenfreies Eigentum zu erlangen. Allerdings ist es eher theoretisch, dass ein Insolvenzverwalter sein Wahlrecht nach § 103 InsO positiv ausübt, er also wählt, den noch zu erfüllenden Bauträgervertrag fortzuführen, weil die Masse in der Regel „leer“ ist. Soweit der Verwalter die Eigentumsübertragung schuldet (kaufvertraglicher Teil des Bauträgervertrages), ist ihm das Wahlrecht nach § 106 InsO abgeschnitten, wenn zugunsten des Erwerbers eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist. Er muss das Eigentum übertragen. Allerdings kann der Verwalter die Eigentumsübertragung verhindern, falls der Gegenwert des Grundstücks noch nicht bezahlt ist.
Der praktische Rat ist daher, möglichst schnell Klarheit zu erhalten, wie der Bautenstand zum Zeitpunkt der Insolvenz aussieht. Die Bautenstandsdokumentation sollte professionell erstellt werden, um eine verlässliche Basis zu haben, wenn es darum geht, die Eigentumsübertragung durchzusetzen.
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