BGH erleichtert Vollstreckung der Bauhandwerkersicherung: Vorauszahlung an sich selbst zulässig
Der BGH hat mit Beschluss vom 20.8.2025 (VII ZB 4/25) eine praxisrelevante Streitfrage zur Vollstreckung der Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB entschieden: Der Auftragnehmer kann die Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags an sich selbst verlangen – und nicht nur an die Hinterlegungsstelle.
Hintergrund: Schutz des Auftragnehmers durch § 650f BGB
Die Bauhandwerkersicherheit schützt Auftragnehmer vor dem Ausfallrisiko des Auftraggebers. Wird die geforderte Sicherheit trotz Fristsetzung nicht gestellt, kann der Auftragnehmer die Leistung einstellen oder den Vertrag kündigen. In der Praxis muss er seinen Anspruch jedoch häufig gerichtlich durchsetzen und das Urteil vollstrecken.
Die Vollstreckung erfolgt nach § 887 ZPO im Wege der Ersatzvornahme. Dabei lässt sich der Auftragnehmer vom Gericht ermächtigen, die Sicherheit an sich selbst durch Hinterlegung zu leisten und den erforderlichen Betrag vom Auftraggeber als Vorauszahlung zu verlangen. Bislang war umstritten, ob diese Vorauszahlung direkt an den Auftragnehmer oder nur an die Hinterlegungsstelle zu erfolgen hat.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat klargestellt, dass der Vollstreckungsgläubiger die Vorauszahlung an sich selbst verlangen kann – unabhängig davon, ob das Urteil vorläufig vollstreckbar oder bereits rechtskräftig ist. Die wesentlichen Argumente:
- § 887 ZPO differenziert nicht nach dem Inhalt der geschuldeten Handlung. Der Vorauszahlungsanspruch ergibt sich aus dem Prozessrecht und dient der Verwirklichung des materiellen Anspruchs.
- Das Risiko einer zweckwidrigen Verwendung oder Pfändung durch Dritte ist der Vollstreckung nach § 887 ZPO immanent und rechtfertigt keine Ausnahme.
- Der Vollstreckungsschuldner wird durch seinen Abrechnungs- und Rückzahlungsanspruch geschützt und kann jederzeit auf andere Weise Sicherheit leisten (etwa durch Bürgschaft).
Praktische Auswirkungen
Die Entscheidung vereinfacht die Vollstreckung erheblich. Bisher musste der Auftragnehmer zunächst bei der Hinterlegungsstelle einen Antrag stellen, auf die Entscheidung warten und das Risiko tragen, dass der Antrag nach Fristablauf als zurückgenommen behandelt wird. Dieser zeitaufwändige Umweg entfällt nun.
Für Auftragnehmer bedeutet dies: Die Hemmschwelle zur Vollstreckung auch nur vorläufig vollstreckbarer Urteile sinkt deutlich. Nach Erhalt des Ermächtigungsbeschlusses kann unmittelbar vollstreckt werden.
Für Auftraggeber erhöht sich das Risiko: Die Vorauszahlung entspricht faktisch der Erfüllung des Werklohnanspruchs. Da kein unmittelbarer Anreiz zur tatsächlichen Hinterlegung besteht, ist zu erwarten, dass viele Auftragnehmer den Betrag zweckwidrig zur „Selbsterfüllung" verwenden. Auftraggeber sollten daher erwägen, frühzeitig eine alternative Sicherheit (z. B. Bürgschaft) zu stellen.
Für Rückfragen zur Vollstreckung der Bauhandwerkersicherheit oder zur Vertragsgestaltung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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FAQ: Häufig gestellte Fragen
Der BGH hat entschieden, dass der Auftragnehmer bei der Vollstreckung einer Bauhandwerkersicherheit die Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags direkt an sich selbst verlangen kann – nicht nur an die Hinterlegungsstelle.
Die Vollstreckung erfolgt nach § 887 ZPO im Wege der Ersatzvornahme. Der Auftragnehmer lässt sich vom Gericht ermächtigen, die Sicherheit auf Kosten des Auftraggebers selbst zu leisten und den erforderlichen Betrag als Vorauszahlung zu verlangen.
Ja, der Auftragnehmer kann die Vorauszahlung an sich selbst verlangen – unabhängig davon, ob das Urteil vorläufig vollstreckbar oder bereits rechtskräftig ist.
Das Vollstreckungsverfahren wird erheblich vereinfacht. Der zeitaufwändige Umweg über die Hinterlegungsstelle entfällt. Nach Erhalt des Ermächtigungsbeschlusses kann unmittelbar vollstreckt werden.
Der vorausgezahlte Betrag entspricht faktisch der Erfüllung des Werklohnanspruchs. Da kein unmittelbarer Anreiz zur tatsächlichen Hinterlegung besteht, kann der Auftragnehmer den Betrag zweckwidrig verwenden.
Auftraggeber sollten die geforderte Sicherheit fristgerecht stellen oder alternative Sicherheiten wie Bürgschaften anbieten. Auch nach Beginn der Vollstreckung ist eine Befreiung durch anderweitige Sicherheitsleistung möglich.
Ja, die Pflicht zur Hinterlegung des im Wege der Vorauszahlung erlangten Betrags als Sicherheit besteht weiterhin – auch wenn kein unmittelbarer Anreiz dazu existiert.
Der Auftragnehmer muss vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der maximal zu erstattenden Kosten der Sicherheit (§ 650f III BGB) für die Dauer von einem Jahr leisten.
Ja, der Auftraggeber kann auch nach Beginn der Vollstreckung durch Stellung einer anderen Sicherheit (z. B. Bürgschaft) die Vollstreckung abwenden und sich von der Verbindlichkeit befreien.
Die Autoren der Urteilsanmerkung regen an, dem vorausgezahlten Betrag eine Zweckbindung – vergleichbar dem Bauforderungssicherungsgesetz – aufzuerlegen. Ob eine entsprechende gesetzliche oder höchstrichterliche Klarstellung erfolgt, bleibt abzuwarten.