
Nachhaltige Wiederverwendung von Bestandsverglasungen – Chancen, Pflichten und rechtliche Leitplanken
25. August 2025
Die Wiederverwendung und Wiederaufbereitung von Glas aus Bestandsgebäuden gewinnt im Zuge steigender Nachhaltigkeitsanforderungen und verschärfter CO₂-Bepreisung zunehmend an Bedeutung. Während Glas als Baustoff theoretisch unendlich oft recycelt werden kann, scheitert die Anschlussnutzung in der Praxis häufig an fehlender Planung, unklaren Zuständigkeiten oder rechtlichen Unsicherheiten.

Das aktuelle Merkblatt des Bundesverbands Flachglas (BF) und des Fachverbands Konstruktiver Glasbau (FKG) bietet erstmals umfassende Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Verwendung von Glasprodukten aus dem Bestand (Merkblatt FKG, 05/2025), um Potenziale zu heben und Risiken zu minimieren. Es richtet sich an alle Baubeteiligten – vom Architekten über Fassadenplaner bis hin zu ausführenden Unternehmen.
Kreislaufwirtschaft mit Glas – die drei Kernstrategien
- Reuse (Wiederverwendung): Unveränderte Übernahme von Glasprodukten, z. B. Wiedereinbau von Isolierglas in einem anderen Gebäude.
- Remanufacturing (Wiederaufbereitung): Aufbereitung durch Reinigung, Ergänzung oder Kombination mit neuen Komponenten.
- Recycling: Stoffliche Verwertung zu neuem Flachglas, wenn Wiederverwendung nicht möglich ist.
Die Priorität liegt klar auf Reuse und Remanufacturing, um Abfallstatus zu vermeiden und Energieverbrauch zu reduzieren.
Rechtliche Kernthemen
- Abfallrecht (KrWG): Eine Einstufung als Abfall ist möglichst zu vermeiden – das gelingt nur, wenn bereits vor Ausbau die Zweckbestimmung zur Wieder- oder Weiterverwendung dokumentiert wird.
- Zivilrecht (BGB, VOB/B): Vertragsgestaltung entscheidet über Gewährleistung und Haftung. Werkvertrag oder Kaufvertrag – der Unterschied wirkt sich auf Mängelrechte und Haftungsausschlüsse aus.
- Öffentliches Baurecht: Technische Baubestimmungen, ggf. Zustimmung im Einzelfall (ZiE) oder vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBg) einholen.
- Bauproduktenrecht: CE-/Ü-Kennzeichnungspflichten prüfen, insbesondere bei remanufactured-Produkten.
Praktische Empfehlungen
- Frühzeitige Bestandsaufnahme – idealerweise mit Pre-Demolition-Audit nach DIN SPEC 91484.
- Zweckbestimmung dokumentieren – vor Ausbau schriftlich festhalten, dass Glas weiterverwendet oder -aufbereitet wird.
- Technische Prüfung – Glasaufbau, Zustand, Beschichtungen und Schadstoffbelastung erfassen.
- Juristische Klärung vor Auftragserteilung – Vertragstyp bestimmen, Beschaffenheitsvereinbarung treffen, mögliche Haftungsausschlüsse prüfen.
- Behördliche Abstimmung – technische Anforderungen und Genehmigungspflichten vor Einbau abklären.
Ausblick
Mit steigenden gesetzlichen Vorgaben zum Recyclinganteil und CO₂-Bepreisung wird die Wiederverwendung von Glasprojekten nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich attraktiver. Pilotprojekte zeigen: Wer frühzeitig plant und klare Verantwortlichkeiten definiert, kann ökologischen Nutzen mit rechtlicher Sicherheit verbinden.
FAQ: Häufig gestellte Fragen
Sobald ein Entledigungswille vorliegt oder der Ausbau ohne dokumentierte Zweckbestimmung zur Wieder- oder Weiterverwendung erfolgt.
Durch schriftliche Festlegung der Anschlussnutzung vor Ausbau – am besten direkt im Vertrag.
Nur, wenn es sich um ein neues oder geändertes Bauprodukt handelt (Remanufacturing). Bei unverändertem Einbau entfällt dies, sofern Nutzung vergleichbar bleibt.
Der ausführende Unternehmer haftet für seine Leistung (Aus- und Einbau), nicht automatisch für das gebrauchte Material – es sei denn, er hat es geliefert.
Ja, Haftungsausschlüsse sind grundsätzlich möglich - es kommt hier aber auf die Details an.
Bei Abweichungen von aktuellen technischen Baubestimmungen kann eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) oder vBg nötig werden.
Mit einem Pre-Demolition-Audit, das Baujahr, Hersteller, Abmessungen, Glasaufbau, Zustand und mögliche Schadstoffe erfasst.
Vor allem, wenn CO₂-Bepreisung und Recyclingquoten steigen – aktuell oft teurer, aber mit wachsender politischer Förderung zunehmend attraktiv.