Seit einigen Jahren ist Building Information Modeling, kurz BIM, eines der dominierenden Trendthemen der gesamten Bauwirtschaft. BIM ist der Oberbegriff für die umfassende weitergehende Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens von Bauobjekten. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung eines dreidimensionalen Computermodells des Bauwerks. Dieses Modell unterscheidet sich von reinen Visualisierungen dadurch, dass es aus einzelnen Bauteilen aufgebaut wird, mit nahezu beliebigen zusätzlichen Informationen zum Bauvorhaben angereichert werden kann und dadurch schließlich computergestützte Prozesse wie Prüfungen, Simulationen oder Berechnungen ermöglicht. Des Weiteren dient das mit zusätzlichen Datenbanken verknüpfte BIM-Modell als Informations- und Kommunikationsgrundlage für alle Projektbeteiligte. Dabei wird angestrebt, die gleiche Datenbasis für den Planungsprozess, die Bauausführung und den späteren Betrieb einheitlich zu verwenden.
Building Information Modeling (BIM) im Wohnungsbau
21. Juli 2021
In diesem Sinne ist BIM zunächst nur die Beschreibung einer Methode, also einer Grundidee. Die in einem Bauprojekt konkret umzusetzenden Prozesse sind als sogenannte BIM-Anwendungsfälle festzulegen. Dabei eröffnen sich je nach Projekttyp verschiedene Möglichkeiten der BIM-Anwendung. Auch die Zusammensetzung der Projektbeteiligten hat Einfluss darauf, in welcher Form BIM umgesetzt werden kann, beispielsweise ob mit Generalsunternehmern gearbeitet wird oder im Rahmen einer Einzelvergabe.
In den letzten Jahren wurde der Einsatz von BIM vornehmlich bei der Umsetzung von Großprojekten vorangetrieben, um die dort typischen erheblichen Risiken zu minimieren. Wohnungsbauprojekte spielten somit bislang noch eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch lassen die bisherigen Erfahrungen klar erkennen, dass auch gerade im Wohnungsbau Vorteile der Digitalisierung erheblichen Mehrwert bringen können.
BIM-Anwendungsfälle im Wohnungsbau
Zunächst zielt BIM darauf ab, den Planungsprozess zu verbessern, Planungsfehler von Beginn an zu vermeiden und vor allem die Koordination zwischen verschiedenen Planungsbeteiligten durch automatisierte Prozesse zu unterstützen. Kollisionskontrollen zwischen Architektur und technischer Fachplanung sollen Konflikte vermeiden, lange bevor sie auf der Baustelle zu Problemen führen können. Gerade der Wohnungsbau ist dabei mit stetig steigenden technischen Anforderungen konfrontiert, die im Rahmen der herkömmlichen Planungsprozesse kaum noch in den Griff zu bekommen sind. Computergestützte Berechnungen können zuverlässige Angaben etwa zur Dimensionierung von Leitungen, zum Brandschutz oder zur Energieeffizienz liefern.
Des Weiteren spielt die Möglichkeit der Visualisierung im Wohnungsbau eine weitaus größere Rolle als bei anderen Bauvorhaben. Wohnungen sollen zumeist schon vor dem ersten Spatenstich vermarktet werden. Die dreidimensionale Darstellung eines BIM-Modells kann mit wenig Aufwand zu einer ansprechenden virtuellen Präsentation des Objekts weiterentwickelt werden. Dies ermöglicht 3D-Begehungen am Computer bis hin zu Virtual Reality Erlebnissen. Dabei muss nicht nur Marketing im Fokus stehen, sondern auch eine virtuelle Bemusterung von Objekten wird ermöglicht. Im Ergebnis kann der Nutzer einer Wohnung Ausbau und Ausstattung nach dem Prinzip ‚What you see is what you get‘ zusammenstellen. Dies minimiert spätere Änderungen im Bauablauf sowie Auseinandersetzungen über die Bedeutung von abstrakten Leistungsbeschreibungen.
Neben der Qualität unterstützte BIM auch bei der Optimierung der beiden weiteren wichtigen Faktoren Kosten und Termine. Aus BIM-Modellen können bereits früher als bisher zuverlässige Kosteninformationen abgeleitet werden. Diese können dabei auch einfacher aufgeschlüsselt werden, beispielsweise nach den jeweiligen Gewerken oder einzelnen Wohneinheiten. Die Auswirkungen von Varianten oder Änderungen können einfacher und transparent nachvollzogen werden. Die Terminplanung kann durch BIM ebenfalls unterstützt und visuell aufbereitet werden. Daraus lassen sich zuverlässigere Terminvorgaben ableiten. Darüber hinaus ist die Verknüpfung mit modernen Methoden der Terminplanung wie Lean Management möglich.
BIM in Ausführung und Betrieb
Aus einem fertig geplanten BIM-Modell können wesentlich zuverlässigere Ausschreibungsunterlagen abgeleitet werden. Automatisch ermittelte Mengenberechnungen sind weitaus weniger fehleranfällig. Dies reduziert die im Rahmen der Vergabe zu verteilenden Risiken, was sich wiederum auf die Preisgestaltung auswirken kann. Die Leistungen der ausführenden Unternehmen können durch Übergabe des umfassenden BIM-Modells lückenlos beschrieben werden.
In der Bauausführung kann BIM die Realisierungsprozesse verschiedentlich unterstützen. Angefangen bei einer konsequenten Baufortschrittskontrolle über ein digitales Mängelmanagement bis hin zur datenbankgestützten Abrechnung.
Einer der potentiell erheblichsten Vorteile von BIM wird jedoch gerade erst erschlossen: Der Einsatz der Daten im Betrieb. Hier sind vielfältige Anwendungen denkbar, die sich auch insbesondere bei der Bewirtschaftung von Wohnobjekten anbieten. Die einmal erzeugten Datenbanken können bei der Erfassung und Abrechnung von Verbrauchswerten zum Einsatz kommen. Wartungsprozesse, beispielsweise der Gebäudeautomation, können unterstützt und effizienter geplant werden. BIM-Modelle können langfristig als konsolidierte Datenbasis für ein Wohnbauobjekt herangezogen werden, so im Hinblick auf die Daten verwendeter Bauteile, erforderliche Ersatzteile oder sogar die unmittelbare Steuerung technischer Anlagen.
Die Integration von BIM in Verträge
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Potenziale wird deutlich, dass BIM die Form der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, der Projektbeteiligten untereinander sowie schließlich auch mit dem Nutzer erheblich verändert. Dies hat Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung.
Zunächst ist es zwingend erforderlich, die gewünschten BIM-Leistungen ordnungsgemäß vertraglich zu beschreiben. Da es sich weiterhin um neuartige Prozesse handelt, sind allgemein gültige Standards noch nicht vorhanden. Auch kann nicht schlicht der Einsatz von BIM im Vertrag vereinbart werden, da dies nur einen Oberbegriff darstellt. Die umzusetzenden BIM-Anwendungsfälle sind im Einzelnen zu definieren und die daraus resultierenden Anforderungen an die zu erzeugenden Daten zu beschreiben. Hierzu hat es sich etabliert, besondere Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) und BIM-Abwicklungspläne (BAP) zu entwickeln.
Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen müssen keine vollständig neuen Vertragsmodelle entwickelt oder verwendet werden. Bisherige Vertragsstandards können weiterhin eingesetzt werden, sollten jedoch um spezifische Regelungen zum Einsatz von BIM ergänzt werden. So ist beispielsweise die Bedeutung von Koordinationsprozessen, die Nutzung digitaler Projektplattformen oder die Abgrenzung von Haftungsthemen gesondert zu regeln.
Schließlich kann es zu einer neuen Abgrenzung von Zuständigkeiten und Anpassung etablierter Leistungsbilder kommen. Insbesondere Leistungen des sogenannten BIM-Managements haben sich bei zahlreichen Projekten etabliert. Dies beschreibt die gesonderte Beratung des Auftraggebers zu BIM sowie die übergeordnete Steuerung der BIM-Ausführung. Eigenständige Beauftragungen von BIM-Beratern setzen besondere vertragliche Lösungen voraus.
Sprechen Sie die Mitglieder des Kompetenzteams Wohnungsbau bei etwaigen Rückfragen gerne an.
Unser Kompetenzteam Wohnungsbau berät bundesweit Projektentwickler, Wohnungsbauunternehmen und Investoren. Es bündelt die Expertise und langjährige Erfahrung aus allen für den Wohnungsbau relevanten Bereichen: Immobilienrecht, öffentliches Recht, Vergaberecht, Bau- und Architektenrecht, Mietrecht wie auch IT- und Datenschutzrecht. Mehr hier