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Erneuerbare Energien entlang von Autobahnen und Schienen

13. April 2023

Das von der Bundesregierung am 28.03.2023 beschlossene „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ betont die stärkere Nutzung der Randbereiche von Autobahnen und Schienen für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien (PV-Anlagen, Windenergieanlagen). In diesem Zusammenhang bekennt man sich dazu, dass kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden soll, ohne die Möglichkeit der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen. Für den Bestand sollen zudem die Voraussetzungen geschaffen werden, die Flächen entlang der Autobahnen grundsätzlich für erneuerbare Energieerzeugung zu nutzen.

Der Gedanke der Bündelung von Verkehrsinfrastruktur und EE-Anlagen liegt auch der bereits seit Jahresbeginn geltenden Privilegierung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) zu Grunde. Der folgende Beitrag gibt daher einen kurzen Überblick über Inhalt und Bedeutung dieser Regelung.

1. Der neue Privilegierungs-Tatbestand für PV-Anlagen

Privilegiert sind gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) nunmehr auch PV-Anlagen

„auf einer Fläche längs von

aa) Autobahnen oder

bb) Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen

und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn.“

Es geht also um PV-Anlagen, die unabhängig von Gebäuden sind (Photovoltaik-Freiflächenanlagen, im Folgenden „PV-FFA“) und sich im Randstreifen von Autobahnen und bestimmten Schienenwegen befinden. Die hierbei zu beachtende Entfernung von bis zu 200 Metern ist jeweils vom äußeren Rand der Fahrbahn zu bemessen.

Die Nähe zu Schienenwegen ist dabei nur relevant, wenn es sich um Schienenwege des übergeordneten Netzes handelt, die mindestens zwei Hauptgleise aufweisen. Der Begriff des übergeordneten Netzes wird in § 2b AEG definiert als regelspuriges Eisenbahnnetz des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, von dem aber bestimmte, im Einzelnen aufgeführte Teile ausgenommen sind (im Wesentlichen örtliche (Stadt-)Bahnen und Eisenbahninfrastrukturen im Privateigentum). Auf seiner Internetpräsenz stellt das Eisenbahn-Bundesamt eine Liste des übergeordneten Netzes zur Verfügung. Im Vergleich dazu ist das Vorhandensein von mindestens zwei Hauptgleisen die weitreichendere Einschränkung, was etwa ein Blick in das Infrastrukturregister der Deutschen Bahn zeigt.

1.1 Privilegierte Zulässigkeit im Außenbereich

Bisher waren PV-FFA im Außenbereich mangels ausdrücklicher Privilegierung in aller Regel als sonstige (nicht privilegierte) Vorhaben einzustufen. Da deren Errichtung aber regelmäßig mit Beeinträchtigungen öffentlicher Belange einhergeht, war eine Zulässigkeit in den meisten Fällen nicht gegeben. Aus diesem Grund erfolgte die Realisierung von PV-FFA meist über einen Bebauungsplan.

Im Anwendungsbereich der Privilegierung kann eine bloße Beeinträchtigung öffentlicher Belange dem Vorhaben nun nicht mehr entgegengehalten werden. Die Zulässigkeit betreffender PV-FFA scheitert vielmehr nur dann, wenn öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstehen. Die Privilegierung wirkt sich somit auf die Abwägung zwischen etwaigen betroffenen öffentlichen Belangen einerseits und dem Interesse an der Realisierung des privilegierten Vorhabens andererseits aus, indem sie Letzteres gesetzlich stärkt. Im Rahmen dieser Schutzgüterabwägung kommt PV-FFA noch § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) zugute, der der Errichtung und dem Betrieb von EE-Anlagen ein überragendes öffentliches Interesse beimisst, das sich in der Regel gegenüber anderen öffentlichen Interessen durchsetzt (siehe hierzu).

Privilegierung von PV-FFA bedeutet also weder, dass andere Belange wie etwa der Natur- oder Denkmalschutz nicht mehr zu prüfen sind, noch dass sich das Vorhaben immer gegen andere Belange durchsetzt. Die Übereinstimmung mit allen relevanten Genehmigungsvoraussetzungen ist nach wie vor zu prüfen. Die Nähe zu Autobahnen rückt etwa insbesondere auch das Fernstraßenrecht in den Fokus. Die Privilegierung bildet aber eine gesetzgeberische Wertentscheidung dahingehend, dass das Gewicht am Interesse der Realisierung von PV-FFA in Teilen des Außenbereichs (an Autobahnen und Schienenwegen) höher wiegt als bisher und sich dadurch gegenüber anderen Belangen im Einzelfall besser durchsetzen kann.

1.2 Kein Erfordernis mehr für Bebauungsplan

Wie bereits erwähnt, erfolgte die Realisierung von PV-FFA bisher in aller Regel über Aufstellung eines Bebauungsplans für den angestrebten Standort. Auf die für den Außenbereich relevante Differenzierung privilegierter und sonstiger Vorhaben kommt es dann nicht mehr an; maßgeblich für die Zulässigkeit des Vorhabens ist vielmehr die Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplans.

Der zentrale Vorteil der erfolgten Privilegierung ist nun, dass sie den bisher erforderlichen und als vergleichsweise aufwändigen kritisierten Weg der sogenannten „Schaffung von Baurecht“ über ein Planverfahren überflüssig macht. Die Realisierung von PV-FFA ist somit auch nicht mehr von einem entsprechenden Willen der zuständigen Gemeinde abhängig. Das entzieht Gemeinden auf der einen Seite die Möglichkeit, den PV-FFA-Ausbau durch schlichte Untätigkeit zu blockieren; auf der anderen Seite nimmt es ihnen aber auch die Möglichkeit zur Einflussnahme auf deren Gestaltung und Ausführung.

Zu beachten ist aber, dass die Privilegierung in ihrem Anwendungsbereich beschränkt ist. Für Bereiche, die über die festgelegten 200 Meter hinaus gehen, ist weiterhin ein Planverfahren anzustrengen. Auch innerhalb der 200 Meter bleibt dieses Vorgehen trotz Privilegierung grundsätzlich möglich. Die Privilegierung ist – wenn man so will – eine weitere Möglichkeit, schließt den bisherigen Weg über einen Bebauungsplan aber nicht aus.

2. Straßenverkehrsrecht bleibt unberührt

Die Privilegierung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf Vorgaben anderer Rechtsbereiche. Unberührt bleiben daher insbesondere auch die Beschränkungen über die Errichtung baulicher Anlagen in der Nähe von Autobahnen nach dem Fernstraßengesetz (FStrG) sowie entsprechende Regelungen der Landesstraßengesetze.

So ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 FStrG die Errichtung jeglicher Hochbauten in einer Entfernung bis zu 40 Meter (gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn) von Bundesautobahnen unzulässig. In der weiteren Entfernung bis zu 100 Meter bedürfen Baugenehmigungen der Zustimmung des Fernstraßen-Bundesamts (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 FStrG). Maßgebliche materiell-rechtliche Frage ist hierbei die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Von beiden Vorgaben können Ausnahmen zugelassen werden. In der Privilegierung könnte man nun aber zumindest eine gewisse gesetzliche Tendenz zur Nutzung dieser Bereiche und somit ein Argument sehen, mit dem sich die Zulassung einer solchen Ausnahme stützen ließe. Darüber hinaus stellt das Modernisierungspaket der Bundesregierung klar, dass im Rahmen der anbaurechtlichen Beurteilung die Belange der erneuerbaren Energien grundsätzlich überwiegen. Diese Feststellung verleiht den erneuerbaren Energien im Rahmen dieser straßenbaubehördlichen Spielräume ebenfalls ein erhöhtes Gewicht.

3. Folgeänderungen der PV-Privilegierung im EEG 2023

Das bisherige Planerfordernis für die Realisierung einer PV-FFA, spiegelt sich auch in bestimmten Regelungen des EEG wider. So fanden bisher die im Rahmen der EEG-Ausschreibung relevanten Regelungen über die Gebotsabgabe und den anzulegenden Wert insbesondere nur auf solche PV-FFA Anwendung, die im Bereich eines Bebauungsplans errichtet werden sollten (§§ 37 Abs. 2 Nr. 2, 38 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2021). Die entsprechenden Regelungen wurden nun um solche PV-FFA erweitert, die in den Anwendungsbereich der neu geschaffenen Privilegierung fallen. Konkret wurde die für die Gebotsabgabe relevante Vorschrift des § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. c entsprechend ergänzt und der für den anzulegenden Wert maßgeblichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 S. 1 eine neue Nummer 6 beigefügt. Auf diese Weise wird erreicht, dass auch privilegierte PV-FFA erfolgreich an den Ausschreibungen teilnehmen können.

4. Fazit und Ausblick

Vor dem Hintergrund des hohen Bedürfnisses nach weiterem Zubau an Erzeugungskapazitäten erneuerbarer Energien ist die erfolgte Privilegierung von PV-FFA im Grunde zu begrüßen. Auch wenn der Tatbestand auf bestimmte Teile des Außenbereichs beschränkt ist, ergeben sich weitere, dringend benötigte Flächenpotenziale, deren Erschließung zudem nicht vom Willen des kommunalen Planungsträgers abhängt. Auch der in der Beschränkung zum Ausdruck kommende Gedanke der Bündelung von Infrastruktur verdient als solcher ebenfalls Zustimmung. Andererseits bedarf es zur Erreichung der Ausbauziele mittel- und langfristig noch weit mehr Flächen. Hierfür wäre ein abgestimmtes gesetzgeberisches Konzept zur Flächenbereitstellung wünschenswert, in dessen Rahmen sowohl den Ausbauzielen als auch berechtigten und für die Akzeptanz vor Ort wichtigen kommunalen Interessen Rechnung getragen wird.

Das Modernisierungspaket lässt neben dem PV-Ausbau an Bundesstraßen den Willen der Bundesregierung erkennen, diesen Bereich auch für die Errichtung von Windenergieanlagen verstärkt zu nutzen. Ob die Koalition die Zulassung von Windenergieanlagen entlang von Autobahnen unabhängig von der Ausweisung von Windenergiegebieten beabsichtigt, geht aus dem Papier nicht hervor. Insbesondere bleibt offen, ob Flächen entlang der Autobahnen Teil der für Windenergieanlagen in Aussicht gestellten „spezifischen Außenbereichsprivilegierung für bestimmte besonders geeignete Flächen“ sein sollen.

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