Die Europäische Kommission bittet in einer öffentlichen Konsultation um Rückmeldungen, wie die geltenden EU-Vorschriften zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden geändert werden sollten. Die Möglichkeit, entsprechende Meinungen abzugeben, besteht für nationale Behörde über Unternehmen bis zu Privatpersonen im Zeitraum vom 30.03.2021 bis zum 22.06.2021. Doch was steckt genau dahinter? Und gibt es in Deutschland nicht gerade erst ein neues Gesetz zum nachhaltigen Bauen? Warum es lohnenswert ist, die europäische Entwicklung zu verfolgen und welche Bedeutung sie auch für Deutschland hat, soll in diesem Beitrag kurz erörtert werden.
Gebäudeenergiegesetz – noch nicht in der Praxis angekommen und schon ist die nächste Überarbeitung absehbar
09. Juni 2021
Gebäude sind innerhalb der EU für etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs und für über ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Auch in Deutschland macht der Gebäudesektor mehr als ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen aus, wie sich aus dem aktuellen Klimaschutzbericht 2019 ergibt. Stolze 35 Prozent der Gebäude in der EU sind zudem über 50 Jahre alt und ganze 75 Prozent aller Gebäude in den Mitgliedsstaaten sind nicht energieeffizient. Es liegt also auf der Hand, dass der Gebäudesektor in Europa als der größte einzelne Energieverbraucher in der EU ein enormes Potential für die Steigerung der Energieeffizienz bietet. Auch deshalb haben das Europäische Parlament und der Rat die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden oder kurz: EU-Gebäuderichtlinie (englisch: Energy Performance of Buildings Directive – EPBD) erlassen. Die erste Fassung aus dem Jahre 2002 (2002/91/EG) hat 2010 eine Neufassung erfahren (2010/31/EU), welche wiederum 2018 durch die Richtlinie (EU) 2018/844 und die Verordnung (EU) 2018/1999 inhaltlich geändert und erneut verschärft wurde und durch die Verordnung (EU) 2020/2155 ergänzt wurde. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass die Bestimmungen von EU-Richtlinien für die EU-Bürger grundsätzlich nicht unmittelbar gelten, sondern sie von den einzelnen Mitgliedsstaaten erst in nationale Gesetze aufgenommen werden müssen.
Zur Umsetzung der Änderungsfassung der EU-Gebäuderichtlinie aus 2018 hat der deutsche Gesetzgeber das Gebäudeenergiegesetz (GEG) erlassen, das am 01.11.2020 in Kraft trat und welches vor allem aus Transparenzgründen die Energiesparverordnung (EnEV), das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in einem einheitlichen Regelwerk zusammengeführt hat. In Konsequenz wurden also auch in Deutschland (teilweise schon durch Umsetzung der früheren Fassungen der EU-Gebäuderichtlinie in der damaligen EnEV) beispielsweise einzelne energetische Mindestanforderungen für Gebäude mit entsprechenden Berechnungsgrundlagen fixiert, Energieausweise für Gebäude mit detaillierten Regeln eingeführt, Vorgaben zu sog. Niedrigstenenergiegebäuden gemacht (das sind Gebäude, die einen sehr geringen Energiebedarf haben, welcher zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird) oder auch allgemein Standards und Handlungsgebote zur Heizungs-, Kühl- und Raumlufttechnik sowie der Warmwasserversorgung aufgestellt.
Doch während sich die deutsche Rechtspraxis gerade mit den einzelnen Bestimmungen des noch jungen und immerhin 114 Paragrafen umfassenden GEG vertraut gemacht hat, ist man auf europäischer Ebene keineswegs untätig geblieben:
Anlässlich des sog. Europäischen Grünen Deals, wonach Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent werden möchte, hat der Europäische Rat im Dezember 2020 eine Anhebung der EU-Klima-Ambition bis zum Jahr 2030 beschlossen. Zur Erreichung der EU-Treibhausgasneutralität bis 2050 sollen die EU-internen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % (statt mindestens 40 %) gegenüber dem Stand von 1990 reduziert werden, was auch in Deutschland bereits seit 2019 rechtlich bindend im Bundes-Klimaschutzgesetz (§ 3 Abs. 1) verankert ist. Die Europäische Kommission hat zur Anpassung an das neue EU-Klimaziel für 2021 eine Überarbeitung des Klima- und Energierahmens 2030 („Fit für das 55-%-Ziel“) angekündigt. In diesem Rahmen sollen zahlreiche EU-Richtlinien überarbeitet werden, unter anderem auch wieder die EU-Gebäuderichtlinie.
Es ist also damit zu rechnen, dass die Anforderungen für die Gesamtenergieeffizienz von EU-Gebäuden mitsamt den Mindestanforderungen für deren Berechnung erneut verschärft werden. Entsprechend werden diese neuen Vorgaben in absehbarer Zeit dann auch in nationalen Legislativakten münden müssen, sodass in Deutschland wohl mit einer Änderung des GEG zu rechnen ist. Das gilt umso mehr, als dass die Bundesregierung unter Beachtung des am 29.04.2021 veröffentlichten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss des Ersten Senats vom 24.03.2021, 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, BvR 288/20) die nationalen Klimaschutzvorgaben durch eine Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes verschärfen will, indem u.a. eine Treibhausgasneutralität bereits bis 2045 angestrebt wird und der Ausstoß von Treibhausgas um mindestens 65 % gegenüber 1990 reduziert werden soll. So sollen mitunter auch die zulässigen Jahresemissionsmengen für den Gebäudesektor verringert werden. Ein erster Gesetzesentwurf liegt dazu bereits vor. Es bleibt also spannend.
Nach Abschluss des Konsultationsverfahrens Ende Juni wird der Überarbeitungsvorschlag der Richtlinie noch im vierten Quartal 2021 erwartet. Unser Kompetenzteam Green Contracts wird Sie hierzu weiter auf dem Laufenden halten.