Kartellrechtliche 'Unfälle' in der Sitzung – Wie reagiert der Verband richtig?
13. August 2020
Der Satz war gesagt, ehe die Sitzungsleitung reagieren konnte. Ohne sich etwas dabei zu denken, hatte ein Teilnehmer offenbart, dass sein Unternehmen die Mehrwertsteuersenkung nicht an die Kunden weitergeben, sondern seine Bruttopreise konstant halten möchte.
Das war ein kartellrechtliches No-Go. Unternehmen dürfen Wettbewerbern grundsätzlich nicht offenlegen, wie sie sich im Markt verhalten werden. Das gilt insbesondere für die Gestaltung ihrer Preise.
Wie kann die Sitzungsleitung reagieren?
Eine Möglichkeit ist, das Gesagte zu überhören und einfach weiterzumachen. Dadurch kann aber der Eindruck entstehen, der Verband billige solches Verhalten. Daher ist es wichtig, den Teilnehmer (und alle anderen im Raum) darauf hinzuweisen, dass diese Äußerung nicht zulässig ist und gegen die (hoffentlich vorhandenen) Compliance-Regeln des Verbands verstößt.
Das könnte man so formulieren:
„Wir können hier nicht über Preise sprechen, weil das gegen das Kartellrecht und unsere Compliance-Regeln verstoßen würde. Daran müssen wir uns alle halten.“
In den meisten Fällen verstehen Teilnehmer das und besprechen das problematische Thema nicht weiter. Wenn doch, kann die Sitzungsleitung anbieten, den Punkt auf die Tagesordnung für die nächste Sitzung zu nehmen und bis dahin kartellrechtlich prüfen zu lassen, was besprochen werden darf und was nicht. Das kann auch ein diplomatischer Ausweg sein, um Mitglieder nicht vor den Kopf zu stoßen. Nach der Sitzung kann die Verbandsleitung dann im bilateralen Kontakt erläutern, wo die kartellrechtlichen Grenzen verlaufen und warum es auch für die Mitglieder wichtig ist, sie einzuhalten.
Wenn Mitglieder hartnäckig darauf bestehen, ein kartellrechtswidriges Thema weiter zu besprechen, sollte man die Sitzung abbrechen – im Interesse aller Mitglieder, des Verbands und der beteiligten Mitarbeiter.
Protokolliert man kartellrechtliche „Unfälle“?
Grundsätzlich sollten alle wesentlichen Inhalte einer Sitzung protokolliert werden. Wenn es einmal zu Ermittlungen kommt, können der Verband und die Mitglieder dann darlegen, was besprochen wurde (und was eben nicht). Dafür reicht meist ein Ergebnisprotokoll. Wortprotokolle (wie z.B. im Bundestag) sind grundsätzlich nicht nötig.
In dem oben geschilderten Fall steht der Verband aber vor einem Problem: Wenn er die Äußerung des Mitglieds protokolliert, vertieft er den Kartellrechtsverstoß, weil nun wirklich alle Mitglieder (auch wenn sie nicht bei der Sitzung anwesend waren) über die Preisabsichten des Unternehmens informiert werden.
Das kann man vermeiden, wenn man nur protokolliert, dass ein Mitglied sich zu seinen Preisplänen geäußert und die Sitzungsleitung widersprochen hat. Dadurch wird der Kartellrechtsverstoß aber langfristig dokumentiert. Falls es beim Verband oder Mitgliedern einmal zu Ermittlungen kommt, kann das Protokoll als belastendes Beweismittel verwendet werden und zu Sanktionen führen.
Das kann der Verband vermeiden, indem er den Vorfall im Protokoll nicht erwähnt. Dann verstößt er aber gegen die in vielen Verbänden geltende Regel, dass wichtige Gesprächsinhalte protokolliert werden müssen. Er dokumentiert dann auch nicht, dass er ja richtig reagiert und die Diskussion abgebrochen hat. Sollte es zu Ermittlungen kommen, wäre diese Dokumentation für ihn und die Mitglieder wichtig.
Eine Lösung kann sein, nur den Hinweis auf die Einhaltung des Kartellrechts in das Protokoll aufzunehmen, nicht aber den konkreten Anlass und den betroffenen Teilnehmer. Dadurch wird kein Kartellrechtsverstoß dokumentiert, wohl aber das rechtstreue Verhalten des Verbandes.
Eine perfekte Lösung gibt es für die Frage der Protokollierung also nicht, aber mehrere Möglichkeiten. Welche am besten passt, ist in der konkreten Situation zu entscheiden. Oft ist auch Rücksprache mit dem kartellrechtlichen Berater des Verbands sinnvoll.
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