Im Rahmen der Veräußerung bebauter Grundstücke erwirbt der Käufer zivilrechtlich in erster Linie das Grundstück. Das Eigentum der aufstehenden Gebäude geht von Gesetzes wegen mit über, da Eigentum am Grundstück und an den Gebäuden nur in den seltensten Fällen (z.B. Erbbaurecht) auseinander fällt. Von daher wird oftmals lediglich ein einheitlicher Kaufpreis vereinbart. Vor allem für den Käufer ist es, wenn er die Immobilie zur Einkünfteerzielung nutzen möchte, aber von hoher Relevanz, welcher Teil des Kaufpreises auf das Gebäude entfällt. Denn nur für Gebäude ist steuerrechtlich eine Absetzung für Abnutzung (AfA) vorgesehen, die der Eigentümer von seinen Einkünften (insbesondere Mieteinnahmen) in Abzug bringen und damit seine Steuerlast mindern kann. Die jährliche AfA stellt in der Praxis oftmals die höchste Werbungskostenposition dar. Grundstücke sind dagegen keine abnutzbaren Vermögensgegenstände und einer AfA nicht zugänglich.
Der Käufer hat daher in der Regel ein großes Interesse, einen möglichst hohen Kaufpreisanteil auf das Gebäude entfallen zu lassen, denn die Höhe der AfA ist abhängig von den Anschaffungskosten (Kaufpreis). Die Finanzverwaltung dagegen ist bestrebt, den Kaufpreis möglichst umfassend dem Grundstück zuzuweisen, um den Steuerausfall gering zu halten.
Wie erfolgt die Kaufpreisaufteilung?
Die Kaufvertragsparteien sind bei der Aufteilung des Kaufpreises zunächst einmal ziemlich frei. Um hier einen gewissen Anhaltspunkt dafür zu bekommen, was die Finanzverwaltung für angemessen halten könnte, kann man eine vom Bundesfinanzministerium („BMF“) zur Verfügung gestellte und jährlich angepasste „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück“ („BMF-Arbeitshilfe“) zu Rate ziehen. Diese ist jüngst, genauer: am 10. Mai 2021, in ihrer neuesten Fassung veröffentlicht worden.
Das BMF stellt auch eine Excel-Datei zur Verfügung, in der sich diverse Daten zum Verkaufsobjekt (z.B. Kaufpreis, Adresse, Mieteinnahmen, Bodenrichtwert) eintragen lassen, wodurch am Ende eine der Finanzverwaltung „genehme“ Kaufpreisaufteilung ermittelt wird. So komfortabel dieses Tool auch ggf. sein mag: Eine Verpflichtung der Kaufvertragsparteien zur Nutzung desselben oder aber eine Verbindlichkeit der BMF-Arbeitshilfe gibt es nicht.
Was ist passiert?
Das hat der Bundesfinanzhof („BFH“) in einer Entscheidung vom 21. Juli 2020 ausdrücklich festgehalten. Im dortigen Fall war das zuständige Finanzamt mit der – zugegebenermaßen offensichtlich unsachgemäßen – Kaufpreisaufteilung im Rahmen eines Immobilienkaufvertrags nicht einverstanden und hatte kurzerhand das sich durch Eingabe in die BMF-Arbeitshilfe ermittelte Ergebnis verwendet.
Dem hat der BFH, ungeachtet der offensichtlich verfehlten und wirtschaftlich unhaltbaren Kaufpreisaufteilung durch die Parteien, einen Riegel vorgeschoben. Es sei unzulässig, eine von den Vertragsparteien gewählte Kaufpreisaufteilung ohne Weiteres durch die unter Verwendung der BMF-Arbeitshilfe ermittelte Aufteilung zu ersetzen. Bemerkenswert ist die Begründung des BFH hierfür: Er sprach der BMF-Arbeitshilfe ab, die erforderliche Aufteilung nach den realen Verkehrswerten unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten gewährleisten zu können. Vielmehr erfolge in der BMF-Arbeitshilfe eine unsachgemäße Beschränkung der verschiedenen Möglichkeiten der Immobilienbewertung auf das Sachwertverfahren und lasse dadurch außer Acht, dass grundsätzlich weitere Wertermittlungsverfahren zu Verfügung stehen (Ertragswert- und Vergleichswertverfahren). In der Praxis kam es hierdurch häufig zu signifikant höheren Grundstückswerten gegenüber den Gebäudewerten. Aus dem Grund sei es in Fällen offenkundiger Unhaltbarkeit der Kaufpreisaufteilung geboten, eine Bewertung durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vornehmen zu lassen.
Welche Folgen hat die Entscheidung?
Die BMF-Arbeitshilfe dürfte massiv an Bedeutung und Relevanz verlieren. Denn die vom BFH bemängelten systematischen Fehler – insbesondere das Fehlen eines Orts- und Regionalisierungsfaktors, der zur sachgerechten Bewertung des Gebäudes (ohne Grundstück) insbesondere in teuren Ballungsgebieten erforderlich sei – lassen sich auf absehbare realistischerweise gar nicht beheben. Und so wurde kürzlich zwar die 2021er Fassung der BMF-Arbeitshilfe veröffentlicht. Die durch die BFH-Entscheidung hervorgehobenen Mängel enthält sie aber weiterhin.
Noch mehr als bisher lautet daher die Empfehlung, bereits im beurkundeten Kaufvertrag eine nicht offensichtlich unplausible oder gestaltungsmissbräuchliche Kaufpreisaufteilung festzuhalten. Das Finanzamt kann hiervon nicht mehr unter bloßem Verweis auf die BMF-Arbeitshilfe abweichen. Tut es das doch, dürften die Erfolgsaussichten eines Einspruchsverfahrens recht hoch sein. Die BMF-Arbeitshilfe kann den Vertragsparteien gleichwohl weiterhin als erster Anhaltspunkt dienen.
Aber auch Immobilieneigentümer, die noch aufgrund der sich aus der BMF-Arbeitshilfe ergebenden Aufteilungen ihre AfA ermitteln, können von der BFH-Entscheidung profitieren und im Rahmen der nächsten Steuererklärung bzw. des nächsten Jahresabschlusses eine neue AfA ermitteln und zur Anwendung bringen. Die ursprüngliche Ermittlung der AfA hat keine Bindungswirkung für die Folgejahre; vielmehr ist die AfA jährlich neu in Ansatz zu bringen und ggf. zu korrigieren.
Was könnte noch wichtig werden?
Der BFH betont u.a., dass die BMF-Arbeitshilfe sich einseitig auf das Sachwertverfahren fokussiere. In der Beraterschaft wird schon seit längerem über das so genannte umgekehrte Ertragswertverfahren als möglicherweise geeigneterer Bewertungsmethode diskutiert. Diese Diskussionen könnten durch die BFH-Entscheidung neuen Auftrieb bekommen.