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Klimaschutzverträge – der Startschuss ist gefallen

28. Juni 2023

Am 06. Juni 2023 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das erste vorbereitende Verfahren im Rahmen der neuen Förderrichtlininie Klimaschutzverträge eröffnet. Mit diesem sollen Unternehmen auf ihrem Weg zu klimafreundlichen Produktionsprozessen unterstützt werden. Insbesondere für Unternehmen in energieintensiven Branchen ist die aktuelle Förderrichtlinie von Interesse. Dieser Artikel gibt einen Überblick, was Klimaschutzverträge sind, wer eine Förderung bekommen kann, wie das Verfahren für den Abschluss eines Klimaschutzvertrages aussieht und welche Fragen sich dabei stellen können.

Hinweis: Wer am aktuellen Verfahren teilnehmen möchte, muss die entsprechenden Unterlagen bis zum 07. August 2023 beim BMWK einreichen. Weitere Informationen dazu finden Sie im Artikel.

1. ​​​​​​Was sind Klimaschutzverträge?

Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) sollen die Umstellung der Industrie auf klimafreundliche Anlagen vorantreiben und damit einen Beitrag zur Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 leisten. Die Förderrichtlinie des BMWK zielt insbesondere auf große Anlagen von Unternehmen in energieintensiven Branchen, wie der Stahl-, Zement, Papier- oder Glasindustrie ab.

Mit dem Abschluss eines Klimaschutzvertrages sagt der Bund zu, über eine Laufzeit von 15 Jahren die Mehrkosten für die Errichtung und den Betrieb einer klimafreundlichen Produktion im Vergleich zu einem konventionellen Verfahren abzudecken. Die Mehrkosten für eine grüne Anlage sowie das Risiko für ungünstige Preisentwicklungen – beispielsweise für Energieträger wie Wasserstoff – trägt damit der Staat, was Unternehmen finanzielle Planungssicherheit verschafft.

Klimaschutzverträge sind den Contracts for Difference (CfD) nachempfunden, einem privatwirtschaftlichen Risikoabsicherungsinstrument. Dabei vereinbaren ein Käufer (Investor) und ein Verkäufer (Wertpapierhändler) in einem Vertrag einen Basispreis („strike price“) für ein bestimmtes Wirtschaftsgut (zum Beispiel eine Aktie oder ein Rohstoff). Je nachdem, ob bei Auflösung des Vertrages der aktuelle Kurs über oder unter dem Basispreis liegt, hat der Käufer oder der Verkäufer die Differenz an die Gegenseite zu zahlen. CfD sichern also beide Seiten gegen unsichere Preisentwicklungen eines Produktes ab. Klimaschutzverträge funktionieren nach demselben Prinzip. Auch sie legen einen Basispreis für ein Wirtschaftsgut fest und bestimmen, wer unter welchen Bedingungen Zahlungen tätigen muss, wenn sich der aktuelle Marktpreis dafür ändert.

 

2. Wie funktionieren die geplanten Klimaschutzverträge?

Nach dem Vorschlag des BMWK schließen die Bundesrepublik Deutschland als Zuwendungsgeber und das jeweilige Unternehmen (bzw. die Unternehmen im Falle eines Konsortiums) einen privatrechtlichen Klimaschutzvertrag. In diesem wird ein Basisvertragspreis festgelegt, der beschreibt, wie hoch die Mehrkosten für eine grüne Anlage im Vergleich zu einer konventionellen Anlage sind. Er wird in Euro pro vermiedener Tonne CO2-Äquivalent angegeben. Davon wird der effektive CO2-Preis abgezogen, der durch den Erwerb sowie möglichen Verkauf von CO2-Zertifikaten entsteht. Dieser Preis wird jährlich an die realen Kosten für konventionelle Energieträger angepasst („Dynamisierter Vertragspreis“). Fällt die Bilanz positiv aus, erhält das Unternehmen die Mehrkosten als Fördersumme ausgezahlt. Allerdings geht die Bundesregierung davon aus, dass CO2-Preise kontunierlich steigen, während grüne Energiekosten sinken werden. Steigt der effektive CO2-Preis so stark an, dass er den Vertragspreis übersteigt und die Bilanz negativ ausfällt, dann müssen Unternehmen die Überschüsse an den Staat zurückzahlen.

Auf Grundlage des Basisvertragspreises schreibt der zwischen dem Bund und dem Zuwendungsempfänger geschlossene Klimaschutzvertrag jedem Projekt eine jährlich angepasste maximale Fördersumme zu. Diese berücksichtigt mögliche Preisteigerungen der dynamisierten Energieträger sowie den kontinuierlich steigenden CO2-Preis. Allerdings soll diese Höchstsumme so bemessen werden, dass es höchst unwahrscheinlich ist, diese komplett auszuschöpfen.

 

3. Welche Vorhaben können eine Förderung erhalten?

Damit ein Vorhaben förderfähig ist, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, die in der Förderrichtlinie Klimaschutzverträge des BMWK (FRL KSV) veröffentlicht sind. Dies sind insbesondere Folgende:

  • Die „dominierende“ Produktionsanlage, die als Referenzsystem herangezogen wird, muss mindestens 10 Kilotonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Mehrere kleinere Anlagen können sich allerdings als Konsortium bewerben.
  • Das Vorhaben muss Treibhausgasemissionen einsparen. Ab Beginn des dritten Jahres muss die Produktionsanlage mindestens 60 % weniger Treibhausgabe ausstoßen; nach Ablauf der Laufzeit von 15 Jahren müssen mindestens 90 % der Treibhausgasemissionen im Vergleich zur Ausgangsanlage eingespart worden sein.
  • Die hergestellten Produkte müssen sich einem Referenzsystem zuordnen lassen. Zu diesen emissionsintensiven Produkten zählen beispielsweise Stahl, Glas und Keramik, Kalk und Zement sowie Lebensmittel. Nicht darunter fallen Vorhaben, die nicht unmittelbar der Herstellung industrieller Produkte dienen, z.B. thermische Abfallbehandlung. Auch einmalige Investitionskosten sind grundsätzlich förderfähig.
  • Der verwendete Strom muss vollständig aus erneuerbaren Energien (im Sinne von § 3 Nr. 21 EEG 2023) erzeugt worden sein. Verwendeter Wasserstoff muss den Anforderungen an grünen oder blauen Wasserstoff im Sinne der EU-Taxonomieverordnung (Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139) genügen. Biomasse ist nur förderfähig, wenn der Einsatz von Wasserstoff (oder seinen Derivaten) nicht wirtschaftlich ist. Der Antragsteller muss das plausibel nachweisen.

 

Exkurs: Was ist der Unterschied zwischen grünem und blauem Wasserstoff?

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse hergestellt, wobei ausschließlich erneuerbare Energien eingesetzt werden.

Blauer Wasserstoff wird dagegen unter Verwendung fossiler Brennstoffe (insb. Erdgas) gewonnen, wobei als Nebenprodukt CO2 entsteht. Dieses wird aber – im Gegensatz zum grauen Wasserstoff – nicht in die Atmosphäre freigesetzt, sondern abgefangen und gespeichert (carbon capture storage – CCS).

Zur Farbenlehre von Wasserstoff siehe auch unseren Blogpost „Wasserstoff aktuell“ vom 24. Januar 2022 (hier).

 

4. Wie läuft das Verfahren ab?

a) Vorbereitendes Verfahren

Erster Schritt ist das vorbereitende Verfahren. Dieses findet über einen Zeitraum von zwei Monaten statt und dient dem BMWK dazu, für die Organisation und Durchführung des nachfolgenden Gebotsverfahrens Informationen über die geplanten Projekte der Unternehmen zu sammeln. Daher fordert das BMWK Unternehmen auf, für das erste vorbereitende Verfahren bis zum 07. August 2023 einen allgemeinen Fragebogen sowie eine Excel-Tabelle mit technischen Daten auszufüllen und einzureichen. Die Teilnahme am vorbereitenden Verfahren ist zwingende Voraussetzung für die Berücksichtigung im Gebotsverfahren. Das BMWK plant, das komplette Verfahren zweimal jährlich stattfinden zu lassen.

b) Gebotsverfahren

Zweiter Schritt ist das Gebotsverfahren. Dabei werden, wie in einem Auktionsverfahren, auf wettbewerblicher Basis Zuschläge für Fördermittel verteilt. Zentraler Punkt ist dabei der Gebotspreis (später: Basisvertragspreis), also der Preis, den das Unternehmen zur Abdeckung seiner Mehrkosten veranschlagt. Davon werden noch anderweitig erhaltene Förderungen abgezogen. Zudem fließt als zusätzlicher Faktor ein, wie viel Treibhausgase in den ersten fünf Jahren vermieden werden können.

Anhand dieser Daten wird ein Ranking der Projekte erstellt. Diejenigen Projekte, deren Fördersummen zusammengerechnet das ausgeschriebene Fördervolumen nicht übersteigen, erhalten den Zuschlag. Vereinfacht ausgedrückt – wer möglichst kostengünstig seine Produktion umstellt und damit CO2 einspart, hat gute Chancen, den Zuschlag zu bekommen.

Das Gebotsverfahren beginnt mit dem Förderaufruf, der Informationen zu Verfahren, Frist und Fördervolumen enthält. In diesem kann das BMWK auch in Absprache mit der Europäischen Kommission das Gebotsverfahren auf bestimmte Sektoren oder Technologien beschränken (sog. „Begrenztes Gebotsverfahren“ gem. Ziff. 8.1 (b) der FSL KSV).

Hinweis: Das Gebotsverfahren steht unter dem Vorbehalt, dass das Förderprogramm Klimaschutzverträge von der Europäischen Kommission nach den Leitlinien für Klima-, Umweltschutz und Energiebeihilfen 2022 (KUEBLL oder englisch: CEEAG) genehmigt wird und die zuwendungsrechtliche Prüfung des Bundesfinanzministeriums (BMF) erfolgreich durchläuft. Durch beide Verfahren können sich noch Änderungen am Förderprogramm ergeben. Wenn das Programm genehmigt wird, soll das erste Gebotsverfahren noch im Jahr 2023 stattfinden.

c) Zuschlag

Der Zuschlag erfolgt mittels eines Zuwendungsbescheids. Dieser ist an die Bedingung geknüpft, dass innerhalb von drei Monaten nach dessen Bestandskraft ein privatrechtlicher Klimaschutzvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Unternehmen geschlossen wird. Der Vertrag gestaltet das Zuwendungsverhältnis näher aus und regelt insbesondere auch die eventuellen Überschusszahlungen. Ein Muster eines Klimaschutzvertrages findet sich hier.

 

5. Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Industrieunternehmen sollten jetzt prüfen, ob und wie die Umstellung auf ein klimafreundliches Produktionsverfahren für sie möglich ist und ob ein Klimaschutzvertrag für sie eine Finanzierungsoption ist. Es besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines Konsortiums teilzunehmen, was insbondere für KMU relevant ist. Hier bietet es sich möglicherweise an, den Branchenverband um Unterstützung bei der Suche nach Partnern und der Anbahnung der Kooperation zu bitten. Falls sie am ersten vorbereitenden Verfahren teilnehmen möchten, müssen sie die dafür erforderlichen Unterlagen bis zum 07. August 2023 per E-Mail beim BMWK einreichen. Weitere Informationen dazu finden sich hier. Die Teilnahme am vorbereitenden Verfahren ist wichtig, da sie zwingende Voraussetzung für eine Förderung ist.

 

6. Welche Fragen stellen sich?

Die Bewertung von Projekten anhand der CO2-Einsparung pro Euro (dazu 4.) schafft eine Vergleichbarkeit und ist grundsätzlich technologie- und branchenneutral. Jedoch hat dieser Ansatz den Nachteil, dass der Einsatz von vergleichsweise (also pro kg CO2) teureren Technologien keinen Zuschlag erhalten wird, auch wenn dadurch mehr Emissionen eingespart werden. Dies kann dazu führen, dass innovativere und emissionsarmere Technologien nicht berücksichtigt werden und kostengünstigere „Zwischenlösungen“ den Vorzug erhalten. Es ist daher abzuwarten, ob es noch Korrekturfaktoren geben wird.

Nach dem Förderprogramm können auch mehrere Unternehmen gemeinsam (als Konsortium) einen Antrag stellen. Dabei liegt es nahe, dass sich Unternehmen aus der gleichen Branchen zusammenschließen. Bei der Abstimmung des Vorgehens, der Vorbereitung des Antrags und der Durchführung müssen jedoch die kartellrechtlichen Vorgaben beachtet werden, die – jedenfalls grundsätzlich – einen Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen verbieten. Die potenziellen Konsortiumsmitglieder sollten daher von Anfang an ein kartellrechtskonformes Vorgehen sicherstellen. Auch dabei kann möglicherweise ein Branchenverband unterstützen.

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