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Niedersächsisches Gesetz über die Beteiligung von Kommunen und Bevölkerung am wirtschaftlichen Ertrag von Windenergieanlagen und Freiflächen-Photovoltaikanlagen (NWindPVBetG)

03. Juni 2024

Am 17.04.2024 wurde das niedersächsische Gesetz über die Beteiligung von Kommunen und Bevölkerung am wirtschaftlichen Ertrag von Windenergieanlagen und Freiflächen-Photovoltaikanlagen (NWindPVBetG) verabschiedet.

Dieses hat den Zweck die Akzeptanz von Menschen im Energieerzeugungsland Nr. 1 für Windenergieanlagen (WEA) und Freiflächenanlagen (FF-PVA) zu steigern.

Welche Anlagen sind betroffen (§ 3 NWindPVBetG)?

Das Gesetz gilt für WEA über 50 Metern Gesamthöhe und ab 1 Megawatt installierter Leistung sowie für die Errichtung von FF-PVA mit einer installierten Leistung ab 1 Megawatt. Auch das Repowering von Anlagen wird umfasst. Stichtag für die Eröffnung des Anwendungsbereichs ist der 19.04.2024. Der Anwendungsbereich für WEA knüpft an die Unterrichtung nach § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV an. Weiterhin sind bestimmte Anlagen von dem Anwendungsbereich ausgenommen, wie beispielsweise solche, die Nebeneinrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV sind.

Was ist die Akzeptanzabgabe (§ 4 NWindPVBetG)?

Mit dem Gesetz werden die Anlagenbetreiber erstmals verpflichtet für jede neue WEA und FF-PVA eine Akzeptanzabgabe in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die jeweilige Gemeinde bzw. Landkreise (bei gemeindefreien Gebieten) zu zahlen.

Die Akzeptanzabgabe ist nicht zu zahlen, wenn der Anlagenbetreiber mit den betroffenen Gemeinden bzw. Landkreisen eine freiwillige Vereinbarung nach § 6 Abs. 4 EEG 2023 zur Zahlung schließt (§ 4 Abs. 1 S. 4 NWindPVBetG).

Die Gemeinden bzw. Landkreise müssen die Akzeptanzabgabe für Maßnahmen zur Steigerung und Erhaltung der Akzeptanz von WEA oder FF-PVA verwenden (§ 5 NWindPVBetG). Beispielsweise können die Einnahmen für Naturschutz (Dorfbegrünung), soziale (Freibad), kulturelle Zwecke für Bildung (Kulturfestival) oder zur Stärkung der Daseinsvorsorge (ÖPNV) verwendet werden. Jedes Jahr im ersten Quartal muss eine öffentliche Bekanntmachung bezüglich der Mittelverwendung erfolgen. § 6 EEG 2023 sieht eine solche zweckgebundene Verwendung der Mittel nicht vor.

Was ist das weitere Angebot zur weiteren finanziellen Beteiligung (§ 6 NWindPVBetG)?

Neben der Akzeptanzabgabe obliegt den Anlagenbetreibern die weitere Verpflichtung zur Abgabe eines angemessenen Angebots zur weiteren finanziellen Beteiligung. Nach der Gesetzesbegründung ist es Ziel der verpflichtenden Offerte durch die Anlagenbetreiber, in der Praxis bereits existierende und erprobte freiwillige Teilhabeformen für die lokal betroffene Bevölkerung und die Gemeinden als unmittelbare und niedrigschwellige Form der finanziellen Beteiligung umzusetzen.

Dieses Angebot ist an die betroffenen Gemeinden bzw. Landkreise oder betroffenen Einwohner/-innen im Umkreis von 2,5 km um die Turmmitte bzw. um die FF-PVA (äußerer Rand) innerhalb eines Jahres nach Inbetriebnahme einer WEA oder FF-PVA zu richten. Das Angebot ist durch öffentliche Bekanntmachung zu unterbreiten.

Der Anlagenbetreiber ist frei in der Wahl der Art der weiteren finanziellen Beteiligung. Als mögliche Arten werden im Gesetz gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, die entgeltliche Überlassung eines Teils der Anlagen, Nachrangdarlehen, kapitalgebende oder kreditgebende Schwarmfinanzierung, Sparprodukte und die verbilligte Lieferung von Energie sowie Direktzahlungen an Einwohner/-innen oder Kommunen genannt. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend zu verstehen, da der Gesetzgeber diese mit „insbesondere“ eingeleitet hat. Dies bestätigt auch die Gesetzesbegründung. Weiterhin wird in dieser ausgeführt, dass auch mehrere verschiedene Beteiligungsarten gleichzeitig durch öffentliche Bekanntmachung unterbreitet werden können. Das Angebot kann eine befristete (mind. 5 Jahre) oder für die Gesamtlaufzeit der Anlage unbefristete Beteiligung enthalten (§ 6 Abs. 2 S. 4 NWindPVBetG).

Wann ist ein Angebot angemessen?

Laut Gesetz muss das Angebot angemessen sein. Die Frage, ob ein Angebot angemessen ist, wird in der Zukunft jedoch voraussichtlich noch am konkreten Fall herauszuarbeiten sein. Das Gesetz sieht vor, dass ein Angebot dann angemessen ist, wenn der jährlich aus der finanziellen Beteiligung erwachsende, den Berechtigten zufließende Überschuss „einem Umfang von 0,1 Cent pro Kilowattstunde der entgeltlich über die Gesamtlaufzeit der vom Angebot erfassten Anlagen jährlich durchschnittlich abgegebenen Strommenge entspricht und der Überschuss zumindest jährlich ausgeschüttet wird, wobei eine Verrechnung mit Überschüssen des vollen Vor- und Folgejahres möglich ist“ (§ 6 Abs. 3 S. 1 NWindPVBetG). Dies wirft bereits die grundlegende Frage auf, ob sich der Anlagenbetreiber in der Berechnung des Angebots an der prognostizierten Strommenge orientieren soll – was der Angebotszeitpunkt „innerhalb eines Jahres nach Inbetriebnahme“ nahelegt – oder an der tatsächlich erzeugten Strommenge – was die zitierte Formulierung der Angemessenheit nahelegt.

Unabhängig von dieser Angemessenheitsdefinition definiert das Gesetz ein Angebot als angemessen, das eine Beteiligung mit einem Anteil von 20 Prozent an der Betreibergesellschaft direkt gesellschaftsrechtlich oder in Form einer kapitalgebenden Schwarmfinanzierung vorsieht (§ 6 Abs. 3 S. 2 NWindPVBetG).

Unklar ist auch, ob dieser Rahmen auch im Falle der Beteiligung der Gemeinde oder des Landkreises über die Überlassung eines Teils der Anlagen anzulegen ist. Ist der Anlagenbetreiber aber, wie gesetzlich vorgesehen, frei in der Wahl des Angebots, muss die Möglichkeit bestehen die Gemeinde bzw. den Landkreis z.B. bei einem Windpark mit 3 WEA mittels der Überlassung von 1 WEA zu beteiligen. Der 0,1 Cent-Maßstab kann hier dann nicht angelegt werden.

Welche Ausnahmen gibt es?

Ausgenommen von der Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots zur weiteren finanziellen Beteiligung (§ 6 NWindPVBetG) sind FF-PVA, die eine installierte Leistung von insgesamt weniger als 5 MW haben. Die vorstehende Verpflichtung gilt auch nicht für WEA und FF-PVA, die der Eigenversorgung oder vertraglich vereinbarten Stromversorgung von Entnahmestellen juristischer Personen dienen, die im Gebiet der betroffenen Gemeinden oder Landkreise in einem Umkreis von 4,5 km liegen. Auch Bürgerenergiegesellschaften (§ 3 Nr. 15 EEG 2023), deren Anteile zu mindestens 20 Prozent der Stimmrechte bei Einwohner/-innen der betroffenen Gemeinden bzw. Landkreise liegen, sind von vorstehender Regelung ausgeschlossen. Die Ausnahme gilt aber nicht für die Akzeptanzabgabe.

Was sind die Rechtsfolgen eines Verstoßes?

Ein Verstoß gegen die meisten der vorgenannten Pflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die die Auferlegung einer Geldbuße bis zu 500.000 € oder sogar bis zu 1.000.000 € zur Folge hat.

Wie ist das Gesetz zu bewerten?

Das Gesetz ist im Hinblick auf die Akzeptanzabgabe i.H.v. 0,2 Cent pro Kilowattstunde aufgrund der Akzeptanzsteigerung für Erneuerbare Energien zu begrüßen. Dies gilt umso mehr, da viele Gemeinden die laut EEG freiwillige Abgabe inzwischen als verpflichtend angesehen haben. Im Gegenzug können sich die Anlagenbetreiber 0,2 Cent pro Kilowattstunde von den Netzbetreibern erstatten lassen, sofern sie die Voraussetzungen einer freiwilligen Vereinbarung nach § 6 Abs. 4 EEG 2023 erfüllen.

Aus Sicht der Gemeinden bzw. Landkreise und Einwohner/-innen ist die Möglichkeit zusätzliche 0,1 Cent pro Kilowattstunde erhalten können außerdem ebenso positiv zu bewerten. Auf Betreiber kommen damit erhöhte Kosten zu. Dass dies auch Anlagen betrifft, die sich bereits im Genehmigungsverfahren befinden ist aus Sicht der Betreiber misslich.

Zu kritisieren ist, dass das Gesetz an einigen Stellen unklar ist und daher Fragen aufwirft. Das betrifft etwa die für die Anwendbarkeit des Gesetzes bzgl. WEA maßgebliche Unterrichtung im Sinne des § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV. Voraussetzung dieser Unterrichtung ist die Vollständigkeit der Antragsunterlagen, deren Vorliegen in der Praxis immer wieder Gegenstand von Diskussionen zwischen Antragsteller und Genehmigungsbehörde ist. Die mit der Vollständigkeit der Antragsunterlagen verbundenen Unsicherheiten strahlen somit in das NWindPVBetG aus. Auch die Unklarheit hinsichtlich der Angemessenheit eines Angebots zur finanziellen Beteiligung wird in der kommenden Zeit zu Diskussionen führen. Es bleibt abzuwarten, welche Angebote letztlich in der Praxis an Gemeinden bzw. Landkreise und Einwohner/-innen gerichtet werden.

 

Sprechen Sie uns bei Fragen zum Thema gerne an.

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