Wasserstoff ist einer der Energieträger der Zukunft – noch ist die flächendeckende Versorgung jedoch in weiter Ferne. Die Infrastruktur für die Versorgung mit Wasserstoff muss erst noch geschaffen werden. Ferner müssen die Maschinen und Werkzeuge für die Herstellung von Wasserstoff und dessen Nutzung angeschafft werden. Deutschland, wie auch andere Mitgliedstaaten der EU, haben signalisiert, hierbei finanziell unterstützen zu wollen.
Auf die Grundzüge der beihilferechtlichen Fragestellungen einer staatlichen Förderung sind wir bereits in einem vorhergegangenen Blogpost eingegangen (hier). Der Fokus dieses Beitrags wird die Frage sein, wer Begünstigter einer Beihilfe sein kann. Anders als man erwarten könnte, können nicht nur Empfänger eines Zuwendungsbescheids Begünstigte im Sinne des EU-Beihilferechts sein.
Blogreihe „Wasserstoff aktuell“ – Förderung von Wasserstoff: Für wen ist das EU-Beihilferecht relevant?
24. Juni 2022
1. Wer muss auf die Einhaltung des Beihilferechts achten?
Wie so häufig gilt: Unkenntnis schützt nicht vor Strafe. Die strengen Folgen des Beihilferechts (z.B. Rechtswidrigkeit von Förderbescheiden, Nichtigkeit von infizierten Verträgen) treffen auch diejenigen, die keine Kenntnis vom Verstoß gegen das Beihilferecht hatten oder auf die beihilferechtskonforme Gestaltung durch den Staat vertrauten. Zwar richten sich die beihilferechtlichen Bestimmungen primär an die Mitgliedstaaten. Da jedoch nach der gefestigten Rechtsprechung im Beihilferecht nur ein sehr beschränkter Vertrauensschutz gilt, sind es in aller Regel die Begünstigten, welche die Konsequenzen einer rechtswidrigen Beihilfe (insbes. die Rückforderung einschließlich Rückforderungszinsen) letztlich tragen müssen. Daher sind potenziell Begünstigte gehalten, selbst die Einhaltung des Beihilferechts zu überprüfen.
2. Wer ist „begünstigt“ im Sinne des Beihilferechts?
Der Begriff der „Begünstigung“ erfasst nach dem Beihilferecht nicht nur Subventionen im engeren Sinne (z.B. Zuschüsse aufgrund eines Zuwendungsbescheids), sondern jeglichen Vorteil, den das Unternehmen unter Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Begünstigter im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist also, wer einen Vorteil erlangt. Ein solcher Vorteil kann unmittelbar oder mittelbar durch staatliche Mittel gewährt werden.
Bei einer unmittelbaren Vorteilsgewährung aufgrund eines Förderbescheids (oder eines entsprechenden Vertrages mit der öffentlichen Hand) liegt regelmäßig eine Begünstigung vor, wenn der Empfänger diesen Vorteil einbehält.
Beispiel: Eine Gemeinde fördert die Errichtung eines Wasserstofftanks durch den Betreiber eines Gewerbeparks auf dessen Gelände. Der Betreiber erhält daher einen unmittelbaren Vorteil im Sinne des Beihilferechts.
Ein mittelbarer Vorteil liegt dann vor, wenn der Vorteil (auch) einem anderen Unternehmen gewährt wird als demjenigen, dem die staatlichen Mittel unmittelbar zufließen
(Beihilfebekanntmachung der Kommission, Rn. 115). Insbesondere kann die staatliche Förderung einer später privat betriebenen Infrastruktur nicht nur eine (unmittelbare) Beihilfe zugunsten des Betreibers der Infrastruktur beinhalten. Für die Nutzer der Infrastruktur kann ein (mittelbarer) wirtschaftlicher Vorteil entstehen, wenn diese nicht zu normalen, sondern zu vergünstigten Konditionen Zugang zu der Infrastruktur erhalten.
Beispiel: Wie oben. Die im Gewerbepark angesiedelten Unternehmen können den Wasserstoff aus dem neu errichteten Tank zu einem Preis nutzen, der nicht dem Marktpreis entspricht, da der Betreiber des Gewerbeparks die Preise wegen der Förderung günstiger kalkulieren kann. Andere Unternehmen aus der Nachbarschaft können nicht auf den Tankinhalt zugreifen. Dies spricht dafür, dass die Unternehmen im Gewerbepark einen mittelbaren Vorteil erlangen.
3. Werden alle Zulieferer und Abnehmer von Fördermittelempfängern mittelbar begünstigt?
Wenn ein Unternehmen Förderungen erhält, bedeutet dies nicht zwingend, dass auch seine Geschäftspartner in beihilferechtlich relevanter Weise profitieren. Zwar können sich Förderungen positiv auf den Einkauf oder Verkauf auswirken, denn möglicherweise wären sie ohne die Förderung nicht oder nicht in gleichem Umfang erfolgt. Jedoch sind beihilferechtlich relevante Vorteile von beihilferechtlich unerheblichen bloßen positiven Nebenwirkungen zu unterscheiden. Denn letztlich hat jede staatliche Fördermaßnahme eine positive Nebenwirkung, die über die Wirkung bei den eigentlichen Adressaten der Begünstigung hinausgeht (z.B. Zulieferer oder Abnehmer der Vorteilsempfänger oder deren Anteilseigner), ohne dass sie dadurch den Charakter eine Beihilfe hat.
Eine mittelbare Beihilfe liegt nach der Entscheidungspraxis der Kommission und der Unionsgerichte nur vor, wenn die Maßnahme so ausgestaltet ist, dass ihre sekundären Auswirkungen bestimmbaren Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen zugeleitet werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die unmittelbare Beihilfe davon abhängig gemacht wird, dass nur von bestimmten Unternehmen (z.B. Unternehmen, die in einem bestimmten Gebiet niedergelassen sind) hergestellte Waren oder Dienstleistungen erworben werden (Beihilfebekanntmachung, Rn. 116).
Beispiel: Wie oben. Der Betreiber des Gewerbeparks beauftragt einen Anlagenbauer mit der Errichtung des Wasserstofftanks. Die Fördermaßnahme der Gemeinde kann sich daher beispielsweise auch für die Hersteller von Wasserstofftanks sowie deren Zulieferer oder Händler, die derartige Produkte vertreiben, sprich, die gesamte Lieferkette, positiv auswirken. Nach der Entscheidungspraxis der Kommission und der Unionsgerichte kommt es grundsätzlich auf die vorhersehbare Wirkung der Maßnahme an. Eine mittelbare Begünstigung wäre demnach dann zu bejahen, wenn staatliche Förderung de facto oder de jure davon abhängig gemacht wird, dass nur von bestimmten Unternehmen hergestellte Waren oder Dienstleistungen erworben werden. Solange aufgrund der Förderung der Gemeinde keine Notwendigkeit besteht, einen spezifischen Tanktyp anzuschaffen, handelt es sich wohl eher um eine positive Nebenwirkung der staatlichen Förderung, und nicht um einen mittelbaren Vorteil.
Eine mittelbare Beihilfe zugunsten von Kunden kann jedoch vorliegen, wenn die Lieferanten Produkte aufgrund einer unmittelbaren Beihilfe zu ihren Gunsten unter Marktpreis verkaufen können. In diesem Sinne hat die Kommission kürzlich in der Sache H2Global (Beschluss vom 20.12.2021, SA.62619, Pressemeldung hier abrufbar) entschieden, dass die Käufer von Wasserstoff einen Vorteil erlangen, da Lieferanten für den Einkauf bei den Produzenten staatliche Mittel verwendet. Der Vorteil sollte auch nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass der Wasserstoff von Lieferanten im Rahmen einer Auktion versteigert wird, sodass Höchstbietende den Zuschlag erhalten.
4. Steht das Beihilferecht der Förderung von Verbrauchern entgegen?
Eine Sonderkonstellation sind Förderungen an Verbraucher, beispielsweise durch Zuschüsse oder Steuererleichterungen im Falle von PKW mit Wasserstofftechnologie. Fördermaßnahmen, die sich unmittelbar an Verbraucher richten, unterfallen grundsätzlich nicht dem EU-Beihilferecht, da sie eben nicht an Unternehmen gerichtet sind.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass Unternehmen mittelbar von der Förderung für Verbraucher profitieren können und die staatliche Förderung aus diesem Grund doch dem EU-Beihilferecht unterfällt. Dies folgt auch aus Art. 107 Abs. 2 Buchstabe a AEUV, wonach „Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden“, als mit dem Binnenmarkt vereinbar gelten. Nur die begünstigten Unternehmen wären, falls die Rechtswidrigkeit der Beihilfe festgestellt würde, zur Rückzahlung der Beihilfe verpflichtet – Verbraucher hingegen nicht.
Beispiel: Verbraucher erhalten vom Staat eine Prämie bei der Neuzulassung eines Elektrofahrzeugs, wenn sie zugleich ein Kfz mit Verbrennungsmotor abmelden. Die staatliche Förderung verfolgt den Zweck, dass mehr konsumiert wird, und unterstützt damit den Absatz von Elektrofahrzeugen. Durch den Kaufanreiz wird die neue Technologie zulasten der alten Technologie gefördert (Verstoß gegen das Gebot der Technologieneutralität). Die staatliche Maßnahme könnte daher eine selektive, mittelbare Begünstigung für die Hersteller von Elektrofahrzeugen beinhalten.
5. Eine Beihilfe muss zurückgezahlt werden: Sind unmittelbar und mittelbar Begünstigte Gesamtschuldner?
Muss eine Beihilfe zurückgezahlt werden, kann sie auch von mittelbar Begünstigten zurückgefordert werden. Die Bestimmung der mittelbar Begünstigten und die Festlegung der genauen Höhe des für sie eingetretenen Vorteils können im Einzelfall schwierig sein. Die Schwierigkeiten bei der Zuordnung und Bestimmung des Vorteils führen nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte auch nicht dazu, dass die Rückforderungspflicht entfällt.
Unmittelbar und mittelbar Begünstigte haften jedoch nicht als Gesamtschuldner, sondern nur für den jeweils bei ihnen eingetretenen Vorteil.
Wir beraten Unternehmen, Verbände und öffentliche Institutionen in allen Fragen des EU-Beihilferechts – präventiv und in Verfahren vor der EU-Kommission und der EU-Gerichtsbarkeit. Mehr hier.
Die Beihilferechtspraxis ist v. a. auf Infrastrukturprojekte mit Bezug zum Baurecht spezialisiert, wo sie zu den Marktführern zählt. Eng angebunden an die Kartellrechtspraxis ist sie zudem gut in Brüssel und bei deutschen Behörden vernetzt. Erfahrung gibt es auch mit dem Thema Sport und Sportstätten.
JUVE Handbuch 2021/22
Führende Kanzlei für Beihilferecht; ‘Sehr kompetente Beratung im Beihilferecht’; ‘Sehr persönliche Ansprache und hohe Reaktionsgeschwindigkeit, breite Erfahrung im EU-Recht, insbesondere im Beihilferecht und verwandten Rechtsgebieten. Hoch spezialisiertes Team, das im Markt mit allen größeren Einheiten problemlos mithalten kann.’
Legal 500 Deutschland 2022