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Blogreihe "Wasserstoff aktuell": Transport von Wasserstoff – Der schrittweise Aufbau der nationalen Wasserstoffinfrastruktur

22. Februar 2022

Im vierten Teil unserer Kapellmann Blogreihe „Wasserstoff aktuell“ geben wir einen Überblick über die neuen Bestimmungen für den Auf- und Ausbau reiner Wasserstoffnetze und deren Regulierung. 

Zur Entwicklung von Absatzmärkten für Wasserstoff und seiner Folgeprodukte wurde in der nationalen Wasserstoffstrategie (vgl. hierzu den 1. Teil unserer Blogreihe) die Entwicklung einer Transport- und Verteilinfrastruktur als eines der zu erreichenden Ziele festgelegt. 

In einem ersten Schritt wurden im vergangenen Jahr in diesem Zusammenhang bereits erste regulatorische Grundlagen für die Etablierung reiner Wasserstoffnetze in Deutschland eingeführt (u. Ziff. 1). Mittelfristig bezweckt der Gesetzgeber die gesetzliche Implementierung eines Netzentwicklungsplans Wasserstoff und eine stärkere Integration aller Energieinfrastrukturen (u. Ziff. 2). Für den Aufbau reiner Wasserstoffnetze, die für den Markthochlauf von Wasserstoff essenziell sind, kann auf die bereits bestehende, gut ausgebaute Infrastruktur von Erdgasnetzen zurückgegriffen werden (u. Ziff. 3).  

1.    Reine Wasserstoffnetze

Mit den §§ 28j bis 28q EnWG wurden durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 3026) erstmalig Vorschriften zur Wasserstoffnetzregulierung und zum Aufbau reiner Wasserstoffnetze im deutschen Energiewirtschaftsrecht integriert. Sie stellen erste regulierungsrechtliche Grundlagen für eine Wasserstoffnetzinfrastruktur dar, welche neben die bisherige Struktur der Gasversorgungsnetze tritt. Die Vorschriften sollen den Rahmen für einen zügigen und rechtssicheren Einstieg in den schrittweisen Aufbau einer nationalen Wasserstoffnetzinfrastruktur schaffen (BT-Drs. 19/30899). 

Die Anwendung der Vorschriften ist für die Betreiber von reinen Wasserstoffnetzen fakultativ (§ 28j Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 EnWG). Diese können gegenüber der Bundesnetzagentur freiwillig erklären, dass ihre Wasserstoffnetze der spezifischen Wasserstoffnetzregulierung nach den §§ 28k bis 28q EnWG unterfallen sollen (sog. Opt-in-Modell). Die Erklärung ist unwiderruflich und gilt ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit unbefristet für alle Wasserstoffnetze des erklärenden Betreibers (§ 28j Abs. 3 EnWG). Insoweit entfaltet sie langfristige regulatorische Folgen für die Netzbetreiber, gewährt den Netznutzern aber auch Planungssicherheit. 

Die Opt-in-Erklärung wird erst dann wirksam, wenn erstmalig eine positive Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit nach § 28p EnWG vorliegt. Gegenstand dieser objektiven Bedarfsprüfung ist neben der Feststellung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit der Wasserstoffinfrastruktur auch, ob ein entsprechender kundenseitiger Bedarf besteht. Im Falle der Umstellung einer Erdgasinfrastruktur auf Wasserstoff muss – etwa im Netzentwicklungsplan Gas nach § 113b EnWG – nachgewiesen werden, dass die Erdgasinfrastruktur ohne negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit aus dem Fernleitungsnetz herausgenommen werden kann (§ 28p Abs. 4 EnWG). 

Der Regulierungsrahmen ist technologieoffen ausgestaltet, sodass die Wasserstoffnetze grundsätzlich auch für grauen und blauen Wasserstoff zugänglich sind (vgl. zur Wasserstoff-Farbenlehre den 1. Teil unserer Blogreihe). Nicht anwendbar ist der Regulierungsrahmen jedoch auf die bisher bereits mögliche Einspeisung im Sinne einer Beimischung von Wasserstoff in herkömmliche Gasversorgungsnetze; in diesem Fall gilt Wasserstoff als Gas im Sinne des § 3 Nr. 19a EnWG, wenn er durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist (genehmigungsrechtliche Aspekte der Errichtung von Elektrolyseuren haben wir im 3. Teil unserer Blogreihe beleuchtet). 

Die neuen Vorschriften umfassen neben konkreten Regelungen zu Rechnungslegung und Buchführung weitere Entflechtungsvorgaben, mit denen ein transparenter und diskriminierungsfreier Netzbetrieb durch die Netzbetreiber gewährleistet werden soll. So haben diese etwa die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von der Wasserstofferzeugung, der Wasserstoffspeicherung sowie vom Wasserstoffbetrieb sicherzustellen und Vertraulichkeit über erlangte Informationen zu wahren (§ 28m EnWG). 

Darüber hinaus haben die Netzbetreiber Dritten den Anschluss und Zugang zu ihren Wasserstoffnetzen zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen zu gewähren, sofern ein Anschluss erforderlich und dem Netzbetreiber nicht aus betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen Gründen unzumutbar oder unmöglich ist (§ 28n EnWG). Dies gilt auch für den Anschluss von Wasserstoffspeicheranlagen. Die entsprechenden Zugangsbedingungen und -entgelte müssen ebenfalls angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein und dürfen nicht ungünstiger sein als in vergleichbaren Fällen etwa für Leistungen innerhalb des Unternehmens. Sie werden in der zum 01.12.2021 in Kraft getretenen Verordnung über die Kosten und Entgelte für den Zugang zu Wasserstoffnetzen (BGBl. I S. 4955) geregelt. 

2.    Vorbereitung des Netzentwicklungsplans Wasserstoff 

Mit dem neuen Regulierungsrahmen wurden keine Bestimmungen für die überörtliche Bedarfsplanung eingeführt. Der Gesetzgeber verfolgt aber langfristig das Ziel, auf Basis gesammelter Erfahrungen und vor dem Hintergrund des Markthochlaufs von Wasserstoff die Wasserstoffnetzinfrastruktur und die bestehende Gasversorgungsnetzinfrastruktur für eine breite Anwendung in der allgemeinen Versorgung zu integrieren. Dazu ist eine strategische Infrastrukturplanung im Energiebereich erforderlich, die eine optimale Systemintegration von Wasserstoff erlaubt (BT-Drs. 19/27453, 2). 

Mit § 28q EnWG wurde eine Übergangsvorschrift eingeführt, die der Vorbereitung einer gesetzlichen Implementierung des künftigen Netzentwicklungsplans Wasserstoff dienen soll. Danach sind die regulierten Wasserstoffnetzbetreiber und die Fernleitungsnetzbetreiber verpflichtet, in regelmäßigen Abständen und unter Beteiligung der Betreiber nichtregulierter Wasserstoffnetze einen gemeinsamen Bericht zum aktuellen Ausbaustand der Wasserstoffnetze und zur Entwicklung einer zukünftigen Netzplanung Wasserstoff mit dem Zieljahr 2035 bei der Bundesnetzagentur vorzulegen. Der Bericht soll als Informationsgrundlage für die gesetzliche Implementierung einer künftigen Wasserstoffnetzentwicklungsplanung dienen und ist erstmalig zum 01.09.2022 vorzulegen.

Neben Standortkriterien und Anforderungen zur Ermittlung von Ausbaumaßnahmen für Wasserstoffprojekte sind insbesondere auch Wechselwirkungen und Schnittstellen mit dem Netzentwicklungsplan Gas sowie dem Netzentwicklungsplan Strom in dem Bericht zu berücksichtigen. Dies soll im Hinblick auf die Netzentwicklungsplanung dazu beitragen, ein Planungsinstrument zu schaffen, das möglichst alle Energieinfrastrukturen, d.h. neben Erdgas und Wasserstoff auch Strom und Fernwärme, stärker integriert. 

§ 113b EnWG sieht etwa vor, dass im Netzentwicklungsplan Gas nunmehr auch Gasversorgungsleitungen kenntlich gemacht werden können, die perspektivisch auf eine Wasserstoffnutzung umgestellt werden können, vorausgesetzt das verbleibende Gastransportnetz kann auch bei Umstellung einzelner Verbindungen weiterhin bedarfsgerecht betrieben werden. 

3. Genehmigungsrechtliche Aspekte  

Nach § 28j Abs. 1 EnWG sind auf die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Wasserstoffnetzen die Teile 5, 7 und 8 des EnWG – und damit die Vorschriften über die Planfeststellung sowie diese ersetzende Verfahren (vgl. § 43f EnWG) – anzuwenden. 

Ergänzende Vorschriften, die die Zulassungsverfahren für die Wasserstoffinfrastruktur regeln, finden sich in dem neu eingeführten § 43l EnWG, der zwischen neuen Vorhaben zur Errichtung und zum Betrieb von Wasserstoffleitungen und der Umnutzung bestehender Gasversorgungsleitungen differenziert. 

3.1 Neue Vorhaben zur Errichtung und zum Betrieb von Wasserstoffleitungen

Für neue Vorhaben mit einem Leitungsdurchmesser von mehr als 300 mm ist ein Planfeststellungsverfahren erforderlich (§ 43l Abs. 2 EnWG). Auf Antrag des Vorhabenträgers können auch Leitungen mit einem kleineren Durchmesser sowie Anlagen, die für den Betrieb der Leitungen notwendig sind, im Wege der Planfeststellung zugelassen werden (§ 43l Abs. 3 EnWG). Die fakultative Planfeststellung nach § 43l Abs. 3 EnWG eröffnet die Möglichkeit, das Durchsetzungsinstrumentarium der §§ 44 ff. EnWG (z.B. Veränderungssperre, vorzeitige Besitzeinweisung, vorzeitiger Beginn) oder das Enteignungsrecht zur Anwendung zu bringen. 

In dem Verfahren ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen, wenn die betreffende Wasserstoffleitung den Bereich eines Werksgeländes überschreitet und eine Länge von mehr als 40 km und einen Durchmesser von mehr als 800 mm hat (§ 43l Abs. 2 Satz 2 EnWG i.V.m. § 6 UVPG, Nr. 19.2.1 der Anlage 1 zum UVPG). 

Bei einer Leitung, die den Bereich eines Werksgeländes überschreitet und die vorgenannten Werte nicht erreicht, ist nach Maßgabe des § 7 UVPG, Nr. 19.2 der Anlage 1 zum UVPG eine allgemeine oder eine standortbezogene UVP-Vorprüfung erforderlich. 

3.2 Umnutzung bestehender Gasversorgungsleitungen 

Bestehende Zulassungen für Gasversorgungsleitungen gelten nach § 43l Abs. 4 EnWG auch als Zulassung für den Transport von Wasserstoff – eine neue behördliche Zulassung für die Umstellung dieser Leitungen auf Wasserstoff ist daher nicht erforderlich. Dies gilt auch, wenn es sich um lediglich anzeigebedürftige Leitungen handelt (§ 43l Abs. 4 Sätze 1 und 2 EnWG). 

Einer behördlichen Zulassung bedarf es daher grundsätzlich nur dann, wenn die bestehende Gasversorgungsleitung geändert oder erweitert werden muss, um den Transport von Wasserstoff zu ermöglichen. 

Betrifft eine solche Modifikation eine Leitung mit einem Durchmesser von mehr als 300 mm, ist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EnWG grundsätzlich ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Unter den Voraussetzungen des § 9 UVPG ist dann auch eine UVP bzw. UVP-Vorprüfung erforderlich. 

Stellt die Modifikation zur Ermöglichung des Wasserstofftransports indes nur eine unwesentliche Änderung oder Erweiterung i.S.d. § 43f EnWG dar, kann sie nach dieser Vorschrift im Wege eines Anzeigeverfahren zugelassen werden. Eine UVP bzw. UVP-Vorprüfung ist in diesem Fall entbehrlich (vgl. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG). 

3.3 Planungsrechtliche Privilegierung im Außenbereich 

Für vorgenannte Zulassungsverfahren von Relevanz ist schließlich § 43l Abs. 7 EnWG, der anordnet, dass der in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB verwendete Begriff des Gases auch Wasserstoffnetze umfasst. Damit erstreckt sich die planungsrechtliche Außenbereichsprivilegierung nunmehr auch auf Wasserstoffleitungen, sofern sie der öffentlichen Versorgung mit Wasserstoff dienen. Ohne diese Regelung wären Wasserstoffleitungen außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile bauplanungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. 

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