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Blogreihe „Wasserstoff aktuell“ – Wasserstoff im Verkehr: Das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz

11. April 2022

Im 11. Teil unserer Kapellmann-Blogreihe „Wasserstoff aktuell“ kommen wir zum Verbrauch des Wasserstoffs, nachdem in Teil 1 unserer Blogreihe die Wasserstoffstrategien und in Teil 4  die Wasserstoffinfrastruktur erläutert wurden. Neben der Stahlindustrie und Chemie werden die ersten großen Abnehmer des Straßenverkehrs Busse und LKW´s sein. Hier verpflichtet das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (SaubFahrzeugBeschG) erstmals zur Einhaltung verbindlicher Mindestziele bei der öffentlichen Beschaffung bestimmter Straßenfahrzeuge. Das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz ist am 15.06.2021 in Kraft getreten und setzt die EU-Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge
(Richtlinie (EU) 2019/1161) um. 
 

1. Anwendungsbereich des Gesetzes

Das Gesetz erfasst gemäß § 3 zunächst die Beschaffung, und zwar den Kauf, die Anmietung und das Leasing bestimmter Straßenfahrzeuge. Des Weiteren ist das Gesetz anwendbar auf in Verbindung stehende Dienstleistungsaufträge, und zwar zum einen öffentliche Dienstleistungsaufträge (z. B. öffentliche Personenverkehrsdienste), zum anderen Dienstleistungsaufträge über Verkehrsdienste (siehe dazu die Liste der CPV-Codes in Anlage 2, die z. B. Paketbeförderung, Postzustellung und  die Abholung von Siedlungsabfällen benennt). 

Mit Ausnahme der öffentlichen Dienstleistungsaufträge verpflichtet das Gesetz öffentliche Auftraggeber (§ 99 GWB) und Sektorenauftraggeber (§ 100 GWB), welche bei diesen Beschaffungen zur Durchführung eines Vergabeverfahrens nach der Vergabeverordnung (VgV) oder der Sektorenverordnung (SektVO) verpflichtet sind (§ 3 Nr. 1, 3 SaubFahrzeugBeschG). Die Verweise auf die VgV und SektVO bedeuten, dass die EU-Schwellenwerte erreicht sein müssen (§ 106 GWB), die seit dem 01.01.2022 für Liefer- und Dienstleistungsaufträgen von zentralen Regierungsbehörden bei 140.000 Euro, für alle anderen Auftraggeber bei 215.000 Euro und für Liefer- und Dienstleistungsaufträgen von Sektorenauftraggebern bei 431.000 Euro liegen. Die Auftraggeber müssen dementsprechend im Rahmen der Leistungsbeschreibung die – vorwiegend europarechtlichen – Vorgaben zur Einhaltung der Fahrzeugkategorien einhalten und so auf private Auftragnehmer übertragen. 

Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen sind nicht die vergaberechtlichen EU-Schwellenwerte für die Anwendung des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetzes maßgeblich, sondern die im Gesetz selbst geregelten spezifischen Schwellenwerte des geschätzten Jahresdurchschnittswertes des Auftrages bzw. der jährlichen öffentlichen Personenverkehrsleistung
(§ 3 Nr. 2 Saub-FahrzeugBeschG).
 
2. Erfasste Fahrzeuge

2.1    
Was unter „Straßenfahrzeug“ zu verstehen ist, wird in  § 2 Nr. 3 SaubFahrzeugBeschG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Buchstabe a) und b) der EU-Verordnung 2018/858 geregelt. Demnach fallen alle Fahrzeuge der Klassen „M“ und „N“ unter den Fahrzeugbegriff, wobei die Fahrzeugklasse M alle Fahrzeuge zur Beförderung von Personen und Gepäck und die Fahrzeugklasse N alle Fahrzeuge für die Beförderung von Gütern umfasst. Das SaubFahrzeugBeschG unter-teilt die vorgenannten Fahrzeugklassen im weiteren Verlauf außerdem entsprechender der Verordnung jeweils in die Klassen M1, M2 und M3 bzw. N1, N2 und N3.

Bezüglich der Berechnung der Mindestziele stellt das SaubFahrzeugBeschG in § 6 Abs. 1 und Abs. 2 außerdem auf die Begriffe der sauberen leichten bzw. sauberen schweren Nutzfahrzeuge ab. Die entsprechenden Definitionen sind ebenfalls in § 2 Nr. 4 bzw. Nr. 5 SaubFahr-zeugBeschG enthalten. 

Für den Betrieb mit Wasserstoff relevant sind dabei die sauberen schweren Nutzfahrzeuge, da sich nur diese auf den Betrieb mit alternativen Kraftstoffen – worunter gem. Art. 2 Nr. 2 der EU-Richtlinie 2014/94 auch Wasserstoff fällt – beziehen.

Unter saubere schwere Nutzfahrzeuge fallen die Fahrzeugklassen M3 (Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als 8 Sitzplätzen (zzgl. Fahrersitz) und mit einer Gesamtmasse über 5 t, unabhängig davon, ob das Fahrzeug über Stehplätze verfügt), N2 und  N3 (Kraftfahrzeuge zur Beförderung von Gütern mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 t und 12 t bzw. über 12 t).Wichtig ist dabei, dass diese Fahrzeuge mit alternativem Kraftstoff betrieben werden müssen, der den Anforderung der 10. BImSchV entspricht. Dies ist bei Wasserstoff der Fall. 

2.2    
Unabhängig von den oben genannten Definitionen gibt es allerdings Kraftfahrzeuge, für die das Gesetz dennoch keine Anwendung findet (§ 4 Abs. 1 SaubFahrzeugBeschG). Hintergrund dieser Ausnahme ist, dass gewisse Fahrzeuge aufgrund ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit bereits obligatorisch nach Unionsrecht von der Einhaltung der Mindestziele für öffentliche Auftragsvergaben ausgenommen sind bzw. dass es den EU-Mitgliedern freisteht, bestimmte Fahr-zeugkategorien aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Bedeutung fakultativ vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen. 

Exemplarisch genannte werden sollen hier 
•    Fahrzeuge, die hauptsächlich für den Einsatz auf Baustellen oder auf Flughäfen entwickelt oder gebaut wurden (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 SaubFahrzeugBeschG) und 
•    Fahrzeuge, die für den Einsatz durch das Rettungswesen, durch die Feuerwehr oder durch die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständigen Behörden entwickelt und gebaut oder dafür angepasst wurden (§ 4 Abs. 1 Nr. 8 SaubFahrzeugBe-schG). 

Es gilt an dieser Stelle zu beachten, dass nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 SaubFahrzeugBeschG Fahrzeuge der Klasse M3 (also solche mit einer Gesamtmasse von über 5 t, die vorwiegend zur Personenbeförderung ausgelegt sind) nicht unter das Gesetz fallen. Diese Ausnahme betrifft Reisebusse aufgrund ihrer geringen Rolle bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und ihrer spezifischen betrieblichen Anforderungen. Es gilt allerdings zu beachten, dass das Gesetz in § 4 Abs. 2 Saub-FahrzeugBeschG eine Rückausnahme enthält, also solche Busse bestimmt, die gerade doch unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.

Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich hierbei um folgende Rückausnahmen:

Kleinbusse = Fahrzeuge mit einer zulässigen Personenzahl von max. 22 (zzgl. Fahrer), die so konstruiert sind, dass stehende Fahrgäste befördert werden können und die über Sitz- und Stehplätze verfügen.
Stadtbusse  = Fahrzeuge mit einer zulässigen Personenzahl von mind. 22 (zzgl. Fahrer), die so konstruiert sind, dass Bereiche für Stehlplätze vorgesehen werden, um ein häufiges Ein- und Aussteigen der Fahrgäste zu ermöglichen. 

Im Ergebnis bedeutet das also, dass der klassische ÖPNV-Bus (und somit ein Paradebeispiel für saubere Straßenfahrzeuge der öffentlichen Hand) unter den Anwendungsbereich des SaubFahrzeugBeschG fällt. 

3. Geltung und Einhaltung von Mindestzielen

Die öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber werden zur Erfüllung von Mindestzielen verpflichtet, die je nach Fahrzeugkategorie in bestimmten Zeiträumen gestaffelt sind
(§ 6 SaubFahrzeugBeschG). Mit Blick auf die Wasserstoff verbrauchenden „sauberen schweren Nutzfahrzeuge“ gelten folgende Mindestziele:

Busse der Fahrzeugklasse M3

02.08.2021 bis 31.12.2025      45 %
01.01.2026 bis 31.12.2030      65 %

LKW der Fahrzeugklassen N2 und N3

02.08.2021 bis 31.12.2025      10 %
01.01.2026 bis 31.12.2030      15 %

Diese Prozentsätze sind in den genannten Zeiträumen bei der (Neu-)Beschaffung von Bund und Ländern insgesamt einzuhalten (§ 5 SaubFahrzeugBeschG). Die Länder sind dabei insoweit flexibel, als dass sie zur Zielerreichung auch Vereinbarungen mit den jeweiligen Branchenverbänden oder länderübergreifende Verwaltungsvereinbarungen abschließen. 

Die öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber sind zur Dokumentation der einschlägigen Beschaffungen verpflichtet, um die Einhaltung der Mindestziele überprüfen zu können. 

Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Ansprechpartner des Kompetenzteams Green Contracts und des Kompetenzteams Erneuerbare Energien gerne zur Verfügung.

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