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Gewerbeparks unter Druck? Auswirkungen des EuGH-Urteils auf ihre Betreiber

10. Juli 2025

Viele Betreiber von Gewerbeparks haben in den vergangenen Jahren eigene Stromverteilanlagen aufgebaut, um ansässige Unternehmen effizient und kostengünstig mit Energie zu versorgen. Oft geschah das unter der Annahme, es handele sich bei der genutzten Infrastruktur um eine sogenannte Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a EnWG. Diese Einstufung ermöglichte es, die Leitungsinfrastruktur ohne umfassende regulierungsrechtliche Verpflichtungen zu betreiben, die Betreiber von Verteilernetzen treffen.

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 28. November 2024 hat sich diese Annahme grundlegend verändert. Der EuGH stellte klar: Wer Elektrizität mit Hoch-, Mittel oder Niederspannung über eine Leitungsinfrastruktur zur Belieferung von Kunden transportiert, betreibt ein Verteilernetz im Sinne des Unionsrechts – unabhängig davon, ob nationale Vorschriften die Infrastruktur als "Kundenanlage" qualifizieren.

1. Was das Urteil für Gewerbeparkbetreiber bedeutet

Gewerbeparks, in denen Elektrizität an mehrere Unternehmen in jeweils eigenständigen Gebäuden verteilt wird, erfüllen häufig die Voraussetzungen für ein Verteilernetz im Sinne der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie. Entscheidend ist laut dem EuGH nicht, ob die Infrastruktur geografisch oder ihre Nutzeranzahl zahlenmäßig begrenzt ist, sondern allein die Tatsache, dass Elektrizität mit einer bestimmten Spannung zur Belieferung von Kunden transportiert wird (nähere Informationen hierzu sowie zu der Frage, wie der Transport in einem einzelnen Gebäude zu bewerten ist, geben wir im ersten Beitrag unserer Blogreihe [@Marketing: Bitte Link zum Parallelbeitrag einfügen]).

Die Folge: Viele Gewerbeparkbetreiber müssten nun regulatorisch als Betreiber von Verteilernetzen behandelt werden, wenn sie sich nicht neu aufstellen. Dazu gehören unter anderem:

  • Genehmigungspflichten,
  • Entflechtungsanforderungen (z.B. auch hinsichtlich des Betriebs von Ladeinfrastruktur und Speichern),
  • Regelungen zur Netzentgeltbildung sowie zur Erhebung von Umlagen, Abgaben und Steuern.

Wer diesen Pflichten nicht nachkommt, riskiert aufsichtsrechtliche Maßnahmen und möglicherweise empfindliche Bußgelder.

Weitere Informationen zu Entgelten, Steuern sowie Umlagen und Abgaben finden Sie in unserem Blogbeitrag zu Förder- und Befreiungstatbeständen.

2. Handlungsoptionen für Betreiber

Was können Betreiber im aktuellen regulatorischen Umfeld tun, um rechtskonform zu agieren und gleichzeitig ihre Infrastruktur wirtschaftlich weiter zu nutzen? Nachfolgend stellen wir die relevanten Optionen im Detail vor.

Dabei sollte im Auge behalten werden, dass bislang nicht absehbar ist, ob sich die regulatorischen Rahmenbedingungen in Reaktion auf das EuGH-Urteil künftig grundlegend verändern werden (Näheres dazu finden Sie im ersten Beitrag unserer Reihe zur Kundenanlage [@Marketing: Bitte Link einfügen]). Konkrete Schritte, die die rechtliche oder tatsächliche Struktur vor Ort verändern, sollten daher erst zu einem späteren Zeitpunkt ergriffen, bereits jetzt aber schon vorbereitet werden, um schnell handlungsfähig zu sein, wenn mehr Klarheit zur Rechtslage geschaffen wird.

2.1 Geschlossene Verteilernetze

Wer die Voraussetzungen für ein geschlossenes Verteilernetz nach § 110 EnWG erfüllt, kann diesen Status bei der Regulierungsbehörde beantragen. Der Betrieb eines geschlossenen Verteilernetzes führt zu einem reduzierten Pflichtenkatalog: Die sonst für Betreiber von Verteilernetzen geltende organisatorische und buchhalterische Entflechtung entfällt beispielsweise und Netzentgelte müssen zwar weiterhin sachgerecht kalkuliert, nicht aber vorab von der zuständigen Behörde in einem aufwändigen Verfahren genehmigt werden. Zudem können innerhalb eines geschlossenen Verteilernetzes vom Betreiber der Infrastruktur auch Ladesäulen für E-Autos betrieben werden, was in einem Verteilernetz nicht zulässig wäre.

Für den Status als geschlossenes Verteilernetz müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Die Leitungsinfrastruktur muss sich auf ein geografisch begrenztes Industrie- oder Gewerbegebiet beziehen und 
  • es dürfen (fast) keine Haushaltskunden angeschlossen sein und
  • die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der angeschlossenen Nutzer müssen entweder aus technischen oder sicherheitstechnischen Gründen miteinander verknüpft sein oder die Energie muss in erster Linie an den Netzeigentümer oder -betreiber oder an mit diesen verbundene Unternehmen verteilt werden.

In klassischen Gewerbeparks liegen diese Voraussetzungen nur in den Fällen sicher vor, in denen die Betreiber in erster Linie sich selbst oder mit ihnen verbundene Unternehmen mit Strom versorgen. Das liegt daran, dass die Voraussetzung einer konkreten technischen oder sicherheitstechnischen Verknüpfung der Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Benutzer regelmäßig nicht bestehen und sich nachträglich kaum herstellen lassen wird (Stichwort Wertschöpfungskette). Das muss gleichwohl in jedem Einzelfall bewertet und ggf. bei Nutzerwechseln beachtet werden.

2.2 Direktanschlüsse einzelner Nutzer

In bestimmten Konstellationen kann es sinnvoll sein, einzelne Nutzer aus der Leitungsinfrastruktur herauszulösen und direkt an das öffentliche Netz anschließen zu lassen. Voraussetzung ist die technische Umsetzbarkeit eines separaten Netzanschlusses für den betreffenden Nutzer.

2.3 Direktleitungen

Die Einstufung als Direktleitung erscheint für Gewerbeparkbetreiber mit eigenen Erzeugungsanlagen nur in speziellen Sonderkonstellationen eine Option zu sein, nämlich dann, wenn sich auf dem Gebiet ein Hauptabnehmer der vor Ort produzierten Elektrizität befindet, der den weit überwiegenden Anteil beansprucht. Die weiteren Abnehmer könnten beispielsweise separat über eigene Netzanschlüsse oder ggf. eine parallele Direktleitung versorgt werden.

2.4 Einbeziehung des örtlichen Verteilnetzbetreibers oder eines Dritten

Eine pragmatische Lösung kann darin bestehen, die Leitungsinfrastruktur an den örtlich zuständigen Verteilnetzbetreiber oder einen Dienstleister zu übergeben – etwa durch Verkauf oder Verpachtung der Infrastruktur. Der Betreiber des Gewerbeparks wird damit von der energierechtlichen Verantwortung entlastet. Kommt diese Option im Einzelfall in Betracht, empfiehlt es sich, frühzeitig in Gespräche einzutreten und die vertraglichen Rahmenbedingungen (z. B. Wartung, Instandhaltung, Entgelt) zu klären.

2.5 Übernahme der Energieverteilungsanlage durch den Hauptverbraucher

In bestimmten Konstellationen kann die Übertragung (des Betriebs) der Leitungsinfrastruktur auf einen der angeschlossenen Nutzer eine praktikable Lösung darstellen. Hierdurch kann sich je nach Einzelfall eine Regulierungsfreiheit oder zumindest eine reduzierte Regulierungslast im Rahmen eines geschlossenen Verteilernetzes ergeben.

Der bisherige Infrastrukturbetreiber kann von dem Übernehmenden zugleich als Betriebsführer oder Wartungsdienstleister beauftragt werden und so den Betrieb der Infrastruktur weiter unterstützen.

3. Fazit: Gewerbeparkbetreiber sollten jetzt ihre Situation evaluieren

Das EuGH-Urteil bewirkt für die meisten Gewerbeparkbetreiber einen Paradigmenwechsel. Die Annahme, sich durch die Kundenanlageneigenschaft regulatorischen Vorgaben entziehen zu können, ist aller Voraussicht nach jedenfalls in der derzeitigen Reichweite nicht mehr tragfähig. Betreiber sollten daher ihre bestehende Struktur rechtlich bewerten und mögliche Handlungsschritte identifizieren.

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